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„So, was meinst du, sollen wir heute Abend noch wo hin gehen?“ fragte sie mich.
„Ja, gerne.“
„Schön, dann gehen wir in das Cafe, in dem auch eine Freundin von mir arbeitet, ich habe sie schon so lange nicht mehr gesehen, wenn du damit einverstanden bist.“
„Aber klar doch,“ gab ich zurück und freute mich auf heute Abend, schließlich war es auch interessant, Pias Freunde kennen zu lernen und zu sehen, wie sie lebte.
Als es endlich Abend war, gingen wir los. Da wir zu Fuß gingen kostete uns der Weg eine gute dreiviertel Stunde, in der wir uns prächtig unterhielten und ich viele interessante Dinge über Bühnenpannen ect hörte, bis wir schließlich das besagte Cafe erreichten und eintraten. Pia schritt sofort in Richtung der Theke, wo sie erst einmal von der Dame, die dort arbeitete umarmt wurde, danach umarmte sie noch weitere Leute, die um die Theke herum saßen, das mussten wohl auch Freunde von ihr sein, ich blieb unsicher etwas abseits stehen, bis mich Pia zu ihnen winkte.
„Das ist außerdem mein Schützling, von dem ich euch erzählt hatte, sie wohnt vorübergehend bei mir,“ stellte sie mich ihren Freunden vor, die mich alle herzlich begrüßten. Ich war wirklich gerührt über solch eine Gastfreundschaft, manche schlossen mich auch sofort in ihre Arme, obwohl sie mich nicht einmal kannten, selbst die einzigste in der Truppe, die kein Deutsch verstand, der man alles noch einmal auf Niederländisch erklären musste. Wir setzen uns zu ihnen an die Theke und bestellten uns etwas zu trinken und Nachos, die wir uns als Abendessen teilen wollten. Pias Freunde schienen sich sehr für mich zu interessieren, sie fragten mich regelrecht aus, was ich denn so mache, von wo ich komme und wie es mir bisher hier in Holland so gefiel. Ich antwortete ihnen freudig und ausführlich und hatte auch die ein oder andere Frage an sie und so kam es, dass die Zeit schnell verging. Pia und ich verabschiedeten uns bei ihren Freunden und machten uns dann auf den Heimweg, schließlich mussten wir morgen wieder früher aufstehen, da Pia wieder eine Probe für Sunset Boulevard hatte.
Als wir den halben Heimweg hinter uns hatten, hörten wir ein lautes Krachen in einer der Seitengänge. Zu erst dachten wir, dass es vielleicht irgendein Tier war, welches sich in Mülltonnen oder ähnlichem versteckte, aber dann hörten wir ein Stöhnen und etwas, dass sich schleppend und fluchend voran zog, bis es erneut krachte. Das musste ein Mensch sein, stellten wir fest und beschlossen etwas ängstlich nachzuschauen. Wir betraten die Gasse und fanden Tim vor, der mal wieder besoffen versuchte sich aufzurappeln, er war in eine Sperrmüllsammlung voll alter Möbel gefallen.
Er lallte wieder etwas auf Niederländisch, dass sich anhörte wie ein fluchen.
Pia verdrehte die Augen und half ihrem Freund hoch, nicht ohne ihn auch auf Niederländisch anzuschreien, danach führten wir beide ihn noch in seine Wohnung, die nicht weit weg von hier lag und warteten, bis er sich hinlegte, bis wir endlich wieder unseren eigenen Heimweg fortführten.
„Es tut mir Leid,“ entschuldigte sich Pia, als wir wieder auf der Straße waren und schüttelte den Kopf.
Ich wusste nicht, was ich sagen sollte und schwieg einfach.
„So kann das echt nicht weiter gehen, ich kann nicht auf ewig Kindermädchen spielen,“ schimpfte Pia weiter, sie schien wütend zu sein.
Ich presste meine Lippen auf einander, ich hätte ihr so gerne etwas tröstendes gesagt, aber mir fiel einfach nichts ein, was man in so einer Situation sagen konnte, aber ich verstand sie nur zu gut, schließlich war mein Vater auch Alkoholiker und ich wusste, welche Wut solche Leute in einem auslösen konnten, auch wenn sie nichts dafür konnte.
Pis schien meine Hilflosigkeit zu bemerken und wechselte schnell das Thema, wofür ich ihr sehr dankbar war.
„Kommst du morgen eigentlich wieder mit ins Theater?“
„Klar,“ sagte ich und freute mich, dass es für sie selbstverständlich war, dass ich mitkam, wenn ich wollte.
Am nächsten Morgen standen wir wieder früh auf und frühstückten gleich, da wir hinterher nicht mehr viel Zeit hatten, bis wir zum Theater mussten.
Auf einmal schaute mich Pia überlegend an, woraufhin mir etwas unwohl war. Ich fragte mich, was sie wohl gerade dachte und rechnete schon damit, dass sie mir gleich mitteilen würde, dass ich so bald wie möglich wieder nach Hause musste oder so.
Doch meine Erwartungen wurden nicht erfüllt, sie fragte mich nur, ob sie mir heute eine schöne Frisur machen durfte, worauf ich einwilligte.
Nachdem wir fertig gefrühstückt hatten und das Geschirr weggeräumt hatten, holte Pia das Zeug, welches sie für meine Frisur brauchte aus dem Bad. Als sie mit all den Sachen heraus kam und sie auf dem Küchentisch abstellte, wurde ich doch ein wenig nervös, was hatte sie nur mit meinen armen Haaren vor? Sie lud ein paar verschiedene Kämme, Haarspray, Schaumfestiger und noch andere Spraydosen ab und verschwand noch einmal, um noch weiteres Zeug zu holen. Na das kann ja heiter werden, dachte ich mir und hoffte, dass sie meine Haare nicht total verunstalten würde, da sie auch so schon strohig genug waren.
Als Pia wieder kam, bat sie mich, meine Haare schnell zu waschen, da es im nassen Zustand einfacher wäre, sie in Form zu bekommen. Ich ging ihrem Wunsch nach und saß wenige Minuten später wieder mit nassen Haaren vor dem Küchentisch, wo Pia gleich anfing sich um meine Haare zu kümmern. Ich war echt neugierig, was sie daraus machte, da ich meine Haare schon seit Ewigkeiten nur noch offen trug. Früher hatte ich öfters neue Frisuren probiert, aber seitdem meine Haare anfingen zu wachsen und man sie endlich lang nennen konnte, beließ ich es dabei, sie einfach offen zu tragen, dass man ihre Länge auch sah, trotzdem war ich nun neugierig, was sich Pia denn unter einer schönen Frisur vorstellte.
Geduldig ließ ich sie in meinen Haaren herumziehen und kämmen und schwieg auch, als sie ein Spray nach dem anderen hinein sprühte, auch wenn die ein oder andere Augenbrauche von mir ein paar Mal zweifelnd nach oben schnellte. Schließlich schien Pia dann fast fertig zu sein, sie holte ihren Fön aus dem Bad und begann meine Haare durchzukneten, während sie sie trocken föhnte, dann legte sie den Fön beiseite und meinte: „Voilá, du darfst ins Bad gehen und dich anschauen.“ Gerade als ich mich auf den Weg dahin machen wollte hielt sie mich noch mal auf: „Ah halt Stopp! Darf ich dich vorher noch etwas schminken?“
„Oh nein,“ protestierte ich erst, ließ mich dann aber doch von ihr überreden und so saß ich noch mal eine Ewigkeit auf dem Stuhl und sah zu, wie sie mein Gesicht Schicht für Schicht schmückte, oder sollte ich sagen versteckte?
„Normal schmink ich mich ja nicht so gerne, außer mal fürs Theater oder so,“ sagte ich, als sie gerade dabei war mir Mascara drauf zu tun.
„Du gehst ja auch ins Theater,“ erwiderte Pia lachend.
„Außerdem ist das ja nur ein Versuch, wie du siehst laufe ich auch nicht jeden Tag mit Makeup herum, aber ich will mal sehen, was man aus dir so alles machen kann.“
„Aha,“ gab ich darauf nur von mir und wartete, bis sie endlich fertig war.
Als dies der Fall war, eilte ich ins Bad, Pia mir hinterher und blieb erstaunt vor dem Spiegel stehen.
„Oha,“ entfuhr es mir, aber nicht, weil es schlimm war, sondern weil ich mich nicht mehr erkannte.
Meine Haare waren wellig und hatten ein Volumen, um das mich der stolzeste Friseur beneiden würde, es sah endlich nach Haar aus, nicht dieser strohige Kopfschmuck, den ich sonst besaß und auch die Schminke hatte ihre ganz eigene Wirkung, die mein Gesicht unter dieser wundervollen Haarpracht einfach strahlen ließ.
„Wooohooo,“ stammelte ich weiter vor mich hin und drehte mich, um meine Haare auch von hinten zu sehen.
„Wie hast du es denn geschafft, die ohne Lockenwickler oder Bauernzopf so wellig zu bekommen?“ fragte ich Pia. Meine Haare waren zwar von Natur aus nicht ganz glatt, auch wenn ich immer versuchte sie so glatt wie möglich zu föhnen, aber wellig waren sie auch nicht.
„Tja. Gefällt es dir?“ meinte diese nur.
„Ja, danke, es ist ungewohnt, aber schön.“
„Gut, dann können wir uns ja auf den Weg zum Theater machen, wir sind sowieso schon spät dran,“ erklärte Pia und schnappte sich ihre Tasche.
„Vielleicht ist dein Verehrer heute auch wieder da, dem wird es auch gefallen,“ scherzte sie noch, bevor wir ihre Wohnung verließen, ich verdrehte nur gespielt die Augen.