Und hier die Fortsetzung... Viel Spaß!
10. Kapitel: Ich weiß, ich gewinn
Ich saß traurig zu Hause und stützte den Kopf in die Hände.
»Warum um alles in der Welt habe ich so einen Blödsinn gemacht?«, fragte ich immer wieder das Weinglas, das vor mir auf dem Tisch stand. Als es keine Antwort gab, trank ich es wütend aus und füllte es neu nach. Wie hatte mir nur so etwas passieren können? Die Prüfer hatten das, soweit ich gesehen hatte, nicht besonders lustig gefunden. Außerdem hatten sie gesagt, sie würden sich im Fall einer Zusage bis spätestens zum 30. Dezember melden. Heute war Silvester und sie hatten sich nicht gemeldet.
Ich hatte die letzten Tage mindestens alle zehn Minuten den Anrufbeantworter abgehört, aber ich hatte keine Nachrichten und das Telefon hatte nicht geklingelt, obwohl ich es immer wieder hypnotisierend angestarrt hatte. Plötzlich läutete das verdammte Ding. Ich warf ihm einen mürrischen Blick zu und schenkte mir Wein nach. Ich hatte höllische Kopfschmerzen, wie ich sie immer bekam, wenn ich Wein trank, aber das war mir egal. Ich brauchte einfach mal eine Ablenkung.
Als das Telefon auch nach dem achten Läuten noch nicht verstummte, lehnte ich mich mit einem Seufzen über die Sofakante zum Telefontischchen und nahm den Hörer ab.
»Hallo?«
»Frau Müller?«
Ich hielt den Atem an. Ich hatte die Stimme erkannt: Es war der junge Mann, der schon bei meinem ersten Casting freundlich gewesen war und auch beim zweiten dabei war.
»Hallo?«, fragte er.
»Ja«, antwortete ich schnell, »ja, entschuldigen Sie... Ich war nur gerade etwas überrascht.«
»Ich hoffe, ich störe nicht?«, fragte er. Es ist ja eine Unverschämtheit von mir, Sie an Silvester zu stören, aber ich habe die letzten Tage kolossal viel zu tun gehabt und hatte wirklich keine Sekunde Zeit, Sie anzurufen. Ich hoffe, Sie haben noch kein anderes Engagement?«
Dieser Mann hoffte einiges, viel mir auf.
»Wovon reden Sie eigentlich?«, fragte ich. Der Rotwein machte mir zu schaffen, aber ich sprach zum Glück noch deutlich.
»Von dem Casting vor drei Wochen. Wir hätten Sie gerne als Erstbesetzung Constance und Zweitbesetzung Milady, wenn Ihnen das Recht ist. Ich weiß, eine etwas ungewöhnliche Mischung, aber Sie haben, wie ich innerhalb von zwei Castings gehört habe, eine sehr vielseitige Stimme und schaffen das sicher.«
»Ich dachte, die Rolle der Constance wäre schon vergeben?«, wunderte ich mich. »Das hat mir jedenfalls Ihre Kollegin gesagt.«
»Wirklich? Dann muss sich meine Kollegin wohl geirrt haben. Wir hatten vor dem Casting noch gar keine Rollen vergeben, wie auch?«
Ich schwieg einen Moment.
»Also, nehmen Sie unser Angebot an?«, fragte er. »Wenn Sie interessiert sind, können wir uns irgendwann in den nächsten Tagen treffen, um Ihr Gehalt und die genauen Probenzeiten und Shows zu verhandeln.«
»Ja, ich bin sehr interessiert«, sagte ich und fragte mich völlig perplex, ob ich nicht ein Glas zu viel erwischt hatte.
»Das freut mich. Ist es Ihnen Recht, wenn ich am zweiten Januar noch einmal anrufe, um einen Termin auszumachen?«
»Natürlich«, erwiderte ich automatisch und im nächsten Moment hatte er mit einem freundlichen Gruß aufgelegt.
Ich war vollkommen verwirrt. Hatte diese Frau doch tatsächlich gelogen, um mir eine Falle zu stellen? Sie hatte sicher gedacht, wenn ich so kurzfristig umdisponieren musste, würde ich nicht gut genug abschneiden, um eine Rolle zu bekommen.
»So ein Biest«, sagte ich laut und trank mein Glas aus. Sekunden später klingelte es an der Tür.
Ich runzelte die Stirn und sah auf die Uhr. Wer wollte denn jetzt noch etwas von mir, um zehn Uhr abends? Seit ich mit Marco Schluss gemacht hatte, war bei mir um acht spätestens Ruhe. Es klingelte wieder.
»Ich komme ja schon!«, rief ich verärgert und riss die Tür auf.
»Mike, Anna!«
»Du hast es erfasst! Also, kommst du? Jessy schmeißt eine tolle Silvesterparty, wir wollten dich nur mitnehmen. Da gibt’s tolle Typen, sage ich dir...«, schwärmte Anna. »Aber da ich ja schon eine Begleitung habe, hast du sie alle für dich. Also, was ist?«
»Ich komme sofort. Lass mich nur noch kurz was anderes anziehen«, antwortete ich. Annas Begeisterung hatte mich sofort angesteckt.
»Quatsch, du bist super so«, rief sie. »Komm einfach.«
Ich sah unsicher Mike an.
»Sie hat Recht, du siehst unglaublich aus«, pflichtete er ihr bei.
»Na gut, ihr habt mich überredet. Ich komme. Und, Leute, das wisst ihr ja noch gar nicht: Der Typ von der Firma hat doch noch angerufen. Ich hab die Rolle, First Cast Constance und Zweitbesetzung Milady.«
»Wow, Glückwunsch!«, rief Mike und Anna umarmte mich begeistert.
»Na dann los, Rike, das muss gefeiert werden!«