@armandine: Es ist vermutlich genauso realistisch wie die Tatsache, dass sie vorher bei Mozart einfach so mitgespielt hat Aber die Entscheidung und damit zusammenhängende Fragen werden im weiteren Verlauf noch geklärt werden. Und ich glaube um Svenja musst du dir keine Sorgen machen - das zeigt dieser Teil
@Ophelia: Ja, die Fragen sind alle ziemlich wichtig und werden in den nächsten Teilen noch eine Rolle spielen.
Viel Spaß mit der Fortsetzung!Hätte ich es nicht besser gewusst, hätte ich diesen Brief für einen Aprilscherz gehalten, aber es war noch März. Dann eben ein verfrühter Aprilscherz!
Die Nachricht hatte mich umgehauen. Mir wurde die Erstbesetzung einer der weiblichen Hauptrollen angeboten. Die Erstbesetzung – mir, die ich noch keine Ausbildung und kaum Spielerfahrung hatte.
Und eine so tolle und erfahrene Darstellerin wie Svenja sollte weiterhin auf der Reservebank sitzen? Ich verstand die Welt nicht mehr.
Der Brief besagte, dass ich für das Vertragliche nach Essen kommen sollte.
Eben dorthin fuhr ich am nächsten Morgen auch. Ich hatte Svenja am Vorabend gesagt, dass ich kommen würde, aber noch hatte ich mich nicht entschlossen, diese Rolle auch anzunehmen.
„Denk daran Kind, dass du zuerst eine Ausbildung machen solltest. Schließlich kann man nicht immer solch ein Glück haben. Wenn du später nichts vorweisen kannst, wird es sehr schwer werden für dich.“, hatte meine Mutter mir zu denken gegeben.
Natürlich waren meine Eltern auch irgendwie stolz darauf, dass ihre Tochter direkt solch ein Angebot bekam, aber sie hatten auch Angst. Angst, ob ich es schaffen würde und vor allem, dass ich leichtfertigerweise keine Ausbildung machen würde.
Mein Vater hatte sich mit einem Studium an der Folkwang Uni mittlerweile angefreundet, aber dass ich ohne dies einfach in den Job hineinrutschen würde, war für meine Eltern unvorstellbar.
Ich las mir den Brief während der Zugfahrt immer und immer wieder durch. Stimmte es wirklich, was dort stand? Die Erstbesetzung der Lucy...
Sollte und wollte ich diese Rolle annehmen? Und warum hatten sie Svenja dies nicht angeboten? Oder hatten sie das und sie hat abgelehnt? Aber warum sollte sie das tun?
Meine Gedanken fuhren Karussell und ich hoffte, dass ein Gespräch mit Svenja wenigstens einige Fragen beantworten würde.
Außerdem hatte ich nun Ferien und wenn ich wirklich nach Essen gehen sollte nach dem Abi, bzw. zu den Proben, dann musste ich wirklich eine Wohnung suchen. Meinen Eltern ging das alles zu schnell, aber was sollte man machen.
Adrian und Svenja holten mich vom Bahnhof ab. Der Däne war gewohnt schweigsam, doch auch seine Freundin sprudelte nicht in ihrer gewohnten fröhlichen Art drauf los. Schon am Vorabend wollte sie nicht mehr über die Besetzungsentscheidungen reden, sie hatte mich auf den nächsten Tag vertröstet – das war sonst gar nicht Svenjas Art.
In ihrer gemütlichen Wohnung angekommen, setzten wir uns an den Küchentisch, während Adrian sich wieder verabschiedete, er hätte noch ein paar Erledigungen zu machen.
„Warum bekommst du nicht die Erstbesetzung der Lucy, Svenja?“, wollte ich von ihr wissen und kam ohne Umschweife auf dieses scheinbar heikle Thema.
Sie atmete tief durch. „Weil ich abgelehnt habe.“, antwortete sie bemüht ruhig. „Du hast was? Warum das denn?“, lautete meine nächste Frage.
„Weil... weil... weil ich momentan keine Erstbesetzung haben möchte.“, wich sie gekonnt aus. „Es ist einfach etwas anderes im Ensemble zu spielen oder täglich als Hauptrolle auf der Bühne zu stehen.“ - „Das weiß ich auch“, gab ich zurück. „Aber du liebst es doch, Lucy zu spielen und mir gefällst du viel besser als irgendeine andere in dieser Rolle.“
Svenja seufzte. „Ich wusste, dass du dich mit der Begründung nicht abfinden würdest.“ Ihre Stimme klang seltsam ernst und auch ein wenig traurig. „Wenn man am Theater sagt, dass man momentan keine Hauptrolle in Erstbesetzung haben will, dann wird es akzeptiert. Mir wurde das Angebot schon vor den Castings gemacht und ich habe abgelehnt, was für alle in Ordnung war. Selbst Bob hat nicht weiter nachgehakt. Aber ich wusste, wenn ich dir davon erzählte, lässt du dich nicht so leicht abspeisen.“ - „Da hast du recht. Irgendwas ist doch, das merke ich.“, gab ich langsam zur Antwort.
„Ja, nein. Also... Es ist schwer zu erklären.“, stammelte Svenja. Ich schaute sie eindringlich an. Es steckte deutlich mehr dahinter, das sah ich meiner Freundin an. Wir kannten uns mittlerweile so gut, dass die Eine merkte, wenn bei der anderen der Schuh drückte.
„Ist etwas nicht in Ordnung? Ist etwas passiert? Ist bei euch alles okay?“, sprudelten die Fragen aus mir raus.
„Bei uns ist alles in bester Ordnung. Vielleicht ein bisschen zu gut.“, gab Svenja zu bedenken. „Das verstehe ich nicht. Wie...?“, weiter kam ich nicht.
„Also gut. Du weißt ja das meiste eh schon. Du musst nur versprechen, es nicht weiterzuerzählen.“, verlangte sie nun von mir. Ich nickte: „Klar, das weißt du doch.“
Noch einmal holte sie tief Luft und setzte an: „Du weißt ja, was mit meiner Mutter bei der Geburt von meinem Bruder passiert ist.“ Ich nickte. „Und du weißt auch, dass ich damit lange zu kämpfen hatte. Naja, ach es ist kompliziert. Adrian wünscht sich so sehr ein Kind. Und... naja. Also ich denke, dass wir es vielleicht versuchen sollten. Immerhin hat meine Mutter auch drei Kinder ohne Komplikationen zur Welt gebracht.“
Nun war es also raus. Mir stockte fast der Atem. „Heißt das, du bist...?“, begann ich. „Nein“, fiel Svenja mir ins Wort. „Nein, ich bin nicht schwanger. Aber ich weiß nicht, ob sich das nicht im Laufe des nächsten Jahres ändern könnte. Deshalb hab ich die Erstbesetzung abgelehnt, Nora. Der Vertrag läuft über ein Jahr und wenn wir wirklich ein Kind bekommen sollten, dann wäre es besser, wenn ich nur im Ensemble spiele. Da ist es nicht so schlimm, wenn jemand ausfällt.“, erklärte sie mir.
Ich musterte Svenja eindringlich. Ganz wohl war ihr bei dem Gedanken, ein Kind zu bekommen, scheinbar noch nicht, aber das war die beste Erklärung, diese Rolle nicht anzunehmen.
„Ich freue mich für euch, Svenja. Du wirst eine tolle Mutter werden und es wird sicherlich alles gut gehen. Sag mir aber ja Bescheid, wenn es soweit ist, hörst du?“, munterte ich sie auf. Ein Grinsen machte sich in ihrem Gesicht breit. „Danke. Du bist eine tolle Freundin, Nora.“, bedankte sie sich bei mir und umarmte mich.
Ihre Fröhlichkeit war wieder zurückgekehrt.
„Aber nun zu dir. Nimmst du die Rolle an?“, fragte sie mich nun.
„Ich weiß es nicht. Es ist eine unglaubliche Herausforderung. Und eigentlich wollte ich das Studium an der Folkwang machen.“, gab ich zu bedenken. „Das Studium beginnt doch immer erst zum Sommersemester oder? Du hättest ein halbes Jahr nichts zu tun, das wäre verschenkte Zeit. Und wenn die Profis vom Theater meinen, dass du es kannst, dann schaffst du das auch. Ich bin ja schließlich auch noch da.“, argumentierte sie.
Ich überlegte kurz: „Ja, aber wie du sagtest sind die Verträge für ein Jahr und nicht ein halbes Jahr.“ - „Ach, mach du dir darüber mal keine Gedanken. Vielleicht kannst du ja auch irgendwie quereinsteigen bei der Folkwang, immerhin hält Joe sehr viel von dir. Aber so eine Chance wie jetzt bekommst du vielleicht nie wieder. Überlege mal, was das für Erfahrungen sind, auf die du später aufbauen kannst und wie gut sich das in deinem Lebenslauf macht.“, urteilte Svenja.
„Und überlege mal, wie hart es ist und wie viel ich dafür üben muss.“, ergänzte ich. „Hat dich das bei Mozart gestört?“, wollte Svenja mit einem verschmitzten Lächeln wissen.
„Du hast recht.“, gab ich nach. „Es ist wirklich eine großartige Chance und vielleicht lässt sich da was machen mit der Folkwang. Ist es eigentlich üblich, dass man für den Vertrag ins Theater kommen soll?“
Svenja überlegte kurz: „Eigentlich nicht. Das könnte allerdings bedeuten, dass sie noch etwas mit dir absprechen wollen.“
Ich nickte. „Dann werde ich nachher mal hören, was sie mir zu sagen haben, wenn ich den Vertrag für meine erste First Cast Rolle zu sehen bekomme.“, grinste ich.
~*Niemand nimmt mir meine Träume und schließt meine Sehnsucht ein, wo es Liebe gab und Freiheit wird mein Herz für immer sein*~