Nach dem Drama wirds jetzt wieder ein bissi netter, ich hoff mal es ist euch nun nicht zu fad
Danke für die Kommis und viel Spaß!Im ersten Moment war Lily überrascht von dieser Frage, doch dann nickte sie spontan ohne wirklich zu überlegen. Der Gedanke diese Nacht nicht ganz allein zu sein, war überaus verlockend. Vielleicht würden die dunklen beängstigenden Träume sie hier nicht finden.
„Aber nur wenn es keine Umstände macht“, fügte sie rasch hinzu.
Wolfgang lächelte breit. „Ach wo. Ich überziehe nur schnell das Bett für dich.“
Die Salzburgerin machte eine abwehrende Geste. „Das ist doch nicht nötig, ich übernachte auf dem Sofa.“
„Kommt überhaupt nicht in Frage! Du bist zu zweit und brauchst erholsamen Schlaf. Für mich genügt die Couch, die ist recht bequem.“
„Aber…“
Er legte ihr kurzerhand einen Finger auf die Lippen. „Ich will kein Wort mehr hören, Lily, sonst fahre ich dich doch noch nach Haus.“
„Schon gut, du hast gewonnen.“ Sie strich sich lachend eine braune Haarlocke aus der Stirn. „Danke übrigens. Ich werde mich bei Gelegenheit revanchieren.“
Seine Reaktion bestand in einem Augenrollen, doch er sagte nichts mehr, sondern zeigte seinem Gast das Badezimmer, bevor er sich daran machte das Bett zu überziehen und für sich selbst eine Wolldecke aus dem Schrank holte.
Im Bad entledigte sich Lily ihrer Kleidung, um in das übergroße Shirt zu schlüpfen, das Wolfgang ihr gegeben hatte. Nur in Unterwäsche drehte sie sich einen Moment lang vor dem Spiegel, ließ die Hand langsam über ihren Bauch gleiten. Eine ganz sachte Rundung war tatsächlich schon erkennbar, doch sie fühlte diese mehr, denn sie sie wirklich sah. Zufällig fiel ihr Blick auf das Regal neben dem Waschbecken, in dem ein Becher mit zwei Zahnbürsten steckte. Die eine klein für das Milchgebiss eines Kindes, mit blauem Griff und einem lustigen Eisbärchen unten am Stiel.
Vor ihren Augen erschien das Bild ihres Badezimmers daheim, in dem ein Kind mit hellbraunen Haaren vor dem Waschbecken stand und sich die Zähne putzte. Im Spiegel konnte sie sein Gesicht sehen. Nachdem es sich auch noch den Mund ausgespült hatte, wandte es sich zu ihr um.
„Ich bin fertig, Mama! Liest du mir jetzt was vor?“
Sie nickte lächelnd und als sie dem Kleinen liebevoll über das weiche Haar strich, löste sich die Szene auf. Ihre eigenen Augen blickten ihr aus dem Spiegel entgegen. Sie hoffte so sehr, dass sie ihrem Kind eine gute Mutter sein würde. Erneut legte sie die Hand auf ihren Bauch, spürte unter dem dünnen Stoff die leichte Wölbung.
„Alles wird gut, Baby, das verspreche ich dir“, murmelte sie abwesend.
Ein Klopfen an der Tür riss sie abrupt aus ihren Gedanken. Dumpf erklang von der anderen Seite Wolfgangs Stimme. „Lily? Bist du da drin im Stehen eingeschlafen?“
Rasch schloss sie auf und lächelte ihn an. „Nein, wir Frauen brauchen nur eine Weile zum Abschminken.“
„Das scheint bei euch wirklich verbreitet zu sein. Bennis Mutter hat sich im Bad auch immer viel Zeit gelassen.“ Bei der Erwähnung dieses Namens schlich sich Melancholie in seine Stimme.
Lily legte ihm verständnisvoll die Hand auf den Arm. „Sie fehlt dir immer noch sehr, oder?“
„Eigentlich nicht, mittlerweile bin ich darüber hinweg. Es tut mir nur so leid, dass Benni ohne sie aufwachsen muss. Obwohl er von mir alle Liebe bekommt, die ich ihm nur geben kann, bleibt seine Mutter unersetzbar. In seinem ersten Kindergartenjahr kurz vor dem Muttertag, als die Kinder Geschenke bastelten, hat er mich nachher gefragt, ob seine Mama ihn gar nicht lieb hatte. Ich wusste einfach nicht, was ich ihm antworten sollte. Es war auch das erste Mal, dass er wirklich nach ihr gefragt hat und ich erzählte ihm von ihr, wie ich mich an sie erinnerte. An die schönen Zeiten mit ihr.“
„Vielleicht kommt sie ja wieder und erklärt dir alles…“
Wolfgang machte eine wegwerfende Geste. „Das habe ich lange gehofft, aber inzwischen nicht mehr. Marica hat sich gegen das Leben mit Benni und mir entschieden. Auch wenn sich das für dich kalt anhören mag, mittlerweile ist es mir egal, was aus ihr geworden sein mag.“
Die Sängerin verstand ihn sehr gut, ihr fehlten im Augenblick jedoch die Worte, sodass sie ihm nur schweigend zum Schlafzimmer folgte. Offensichtlich hatte er die Stärke besessen mit der Vergangenheit abzuschließen, jene, die ihr fehlte.
An der Tür wandte er sich wieder ihr zu. „Gute Nacht, Lily. Schlaf gut.“
„Du auch.“ Sie sah ihn an, wollte nicht, dass er jetzt ging und sie in diesem ihr fremden Raum allein ließ. „Tust du mir einen Gefallen? Halt mich bitte für einen Moment fest.“
Wortlos legte er daraufhin die Arme um sie und zog sie ein wenig an sich. Minutenlang standen sie so da, bis er sich wieder von ihr löste, seine Hand verblieb noch einen Augenblick länger an ihrer Hüfte. „Träum süß.“
Als er ins Wohnzimmer gegangen war, schlüpfte sie ins Bett und löschte das Licht. Sie hatte das Zimmer zuvor im Hellen gesehen, es bestand aus der üblichen Einrichtung, Schlafstatt, Nachtkästchen und einem Schrank. Auf der anderen Seite der großen Fensterfront lag im Dunkeln verborgen ein Balkon. Die ins Freie führende Tür war gekippt und draußen blies ein scharfer Wind. Ein Unwetter schien herauf zu ziehen.
Auch diese Nacht träumte Lily von dem schwarzen Schiff, den geisterhaften Gestalten und von Jonas, der ihr mit einem hohen irrealen Lachen das Baby aus dem Leib stahl. Erneut brach sie auf den morschen Planken zusammen, um im nächsten Moment schreiend zu erwachen. Schwere Regentropfen prasselten gegen die Fenster und es donnerte entfernt. Sie zog sich die Decke so weit wie möglich hoch und schluchzte verzweifelt in ihren Polster.
Es dauerte lange, bis sie sich einigermaßen beruhigt hatte und schließlich in einen traumlosen Schlaf fiel. Als sie wieder erwachte, war es hell vor den Fenstern. Dicke graue Wolken bedeckten den Himmel. Sie benötigte einige Sekunden, bis die Erinnerung an den vergangenen Abend zurück kehrte und sie realisierte, wo sie sich befand. Verschlafen erhob sie sich, um auf die Toilette zu gehen. Als sie aus dem Zimmer trat, nahm sie sofort das Klappern von Geschirr wahr und folgte der Quelle. Noch bevor sie die Küche erreichte, empfing sie der aromatische Duft von frischem heißem Kaffee.
„Guten Morgen, Lily“, sagte Wolfgang, als er sie in der Tür bemerkte. „Habe ich dich aufgeweckt? Hast du gut geschlafen?“
„Ja sehr, und keine Sorge, du hast mich nicht geweckt.“ Sie grinste ihn an, verschwieg ihm ihre grauenvollen Träume. „Hast du denn auch halbwegs schlafen können?“
Er nickte wenig überzeugend und rieb sich den Nacken. „Ich kann mich nicht beklagen. Da ich nicht weiß, was du gerne isst, habe ich einfach von allem etwas genommen.“ Ein wenig unsicher wies er auf das fertige Tablett, das auf der Anrichte stand. Es enthielt Brot, Käse, Wurst, Paprika, Tomaten, Limettenmarmelade, Honig, Müsli und Obst. „Ich kann es dir immer noch ans Bett bringen.“
„Mhmm, sieht das köstlich aus“, kommentierte sie und setzte sich an den Küchentisch, damit er nicht auf die Idee kam, das Tablett wirklich noch durch die halbe Wohnung zu tragen.
Wolfgang stellte ein Häferl mit Kaffee vor ihr ab, doch zwei Sekunden später erblasste er verlegen. „Wie dumm von mir, du möchtest sicher lieber Tee…“
„Nein, lass bitte. Eine Tasse zum Frühstück hat mir mein Frauenarzt erlaubt.“ Rasch wie zur Bestätigung nippte sie an dem heißen Getränk.
Ihr Gastgeber ließ sich ihr gegenüber sinken und begann eine Scheibe Brot mit Butter zu bestreichen, um sie danach mit Wurst zu belegen. „Nach dem Frühstück muss ich mein kleines Monster abholen, weil meine Mutter noch etwas vor hat. Du kannst mitfahren, wenn du willst, und nachher bringe ich dich heim.“
Lily nickte leicht, sie hatte den Mund voll mit einem Stück Marmeladebrot. Sie war sehr neugierig auf Wolfgangs kleinen Sohn, dessen Gegenwart sie in dieser Wohnung von Anfang an intensiv gespürt hatte, obwohl er gar nicht da war. Die Räume verströmten die Energie eines Kindes.