Beitragvon Marie Antoinette » 10.07.2007, 19:36:21
Danke euch! Und wieder gehts weiter... eigentlich wollte ich aus der Fortsetzung wieder zwei Teile machen, aber so ist es doch besser...
"Inoffizielle" Überschrift:
"""Auftauchen eines netten Menschen und Rückkehr des Fieslings in Rot"""
----------------------------------------
----------------------------------------
- - Zwei Monate später - -
Anne hatte sich davor gefürchtet, weggeschickt zu werden, aber erstmal war nichts dergleichen passiert. Ihre Familie hatte sie zwar die vergangenen zwei Monate behandelt wie eine Verbrecherin, aber niemand hatte mehr davon gesprochen, sie aus dem Haus zu werfen.
Sie hatte sich durch die ganzen schrecklichen Ereignisse verändert. War sie früher noch durch den Garten getobt und hatte sich fast wie ein Junge verhalten, war sie jetzt viel ruhiger geworden und verbrachte die meiste Zeit in ihrem Zimmer, wo sie abwechselnd aus dem Fenster starrte und ihren Gedanken nachhing, zeichnete oder ein Buch nach dem anderen aus der Bücherei des Vaters las.
Ausgerechnet an einem kühlen Wintertag jedoch, als sie Besorgungen für ihre Mutter gemacht hatte und dabei noch heimlich eine ältere Frau namens Nathalie, die etwas am Rand des Ortes wohnte, besucht hatte, machte sie sich nach ihrer Rückkehr noch einmal auf den Weg nach draußen.
Viele hielten die Frau für etwas merkwürdig, aber Anne hatte sie eines Tages zufällig getroffen und sich mit ihr angefreundet. Offenbar glaubte Nathalie, die natürlich auch von dem Prozess gegen Anne gehört hatte, fest daran, dass sie unschuldig war. Sie stellte zwar auch keine Fragen, aber sie schien Anne trotz des Brandmals nicht zu verurteilen und hatte eine sehr schlechte Meinung über den Kardinal.
„Wo gehst du denn noch hin, Anne?“ rief ihr die Mutter besorgt hinterher.
Anne antwortete ihr nicht. Niemand brauchte etwas von ihrem Ziel zu wissen. Es hatte auch niemand die Wahrheit hinter ihrer „Verurteilung“ interessiert. Ihre Mutter ließ es dabei bewenden. Sie stellte keine weiteren Fragen mehr und äußerte auch keine Ermahnungen wie „Paß auf dich auf, es wird früh dunkel“ und „Heute soll es noch anfangen zu stürmen“, ließ ihre Tochter einfach gewähren.
Anne setzte sich die Kapuze ihres Mantels auf, als sie sah, dass es angefangen hatte zu schneien. Dann lief sie die Straße entlang zu Nathalie, die schon auf sie gewartet hatte.
„Was hat deine Mutter gesagt?“
- „Gar nichts. Ihr ist seit jenem Tag doch alles egal, was ich mache. Sie würde sich wahrscheinlich nicht mal Gedanken machen, wenn ich irgendwann tot im Straßengraben liegen würde…“
„Sag doch so etwas nicht, Anne. Sie brauchen halt Zeit, um das Geschehene zu verarbeiten. Irgendwo in ihrem Unterbewusstsein wissen sie auch, dass du unschuldig bist. Du wirst schon sehen. Das gibt sich irgendwann.“ - „Ich hoff’ es. Wenigstens reden sie nicht mehr davon, mich wegzuschicken.“ – „Das ist ein Anfang.“ stimmte Nathalie zu. „Also, fahren wir.“
Auf der Fahrt ging Nathalie mit Anne noch einmal das durch, was sie sagen sollte. Mit jedem Kilometer, den sie sich ihrem Ziel näherten, wurde Anne unsicherer. „Ich schaff das nicht… Ich fürchte mich so, dahin zurückzugehen…“
„Du Arme, dir bleibt wirklich nichts erspart... ich kann dich verstehen…“ bemerkte Nathalie und nahm Anne beinahe mütterlich in den Arm. „Muss ich diese Last überhaupt mit mir herumtragen? Gibt es keine Möglichkeit, sie loszuwerden?“ fragte Anne. Sie musste mit den Tränen kämpfen. „Wer weiß wie er reagiert, wenn ich ihm das erzähle…“
Nathalie nickte.
„Ja, das weiß man nicht. Aber es einfach loszuwerden, ist keine Lösung. Du musst das schon irgendwie durchstehen. Ich würde dir ja gerne helfen… aber das kann ich einfach nicht. So viel würde ich für dich tun, aber das ist zuviel.“
„Ich weiß.“
Anne seufzte und warf einen Blick aus dem Fenster. Sie waren fast an ihrem Ziel angekommen – die Kathedrale von Paris. Hier in der Stadt schneite es deutlich stärker als in Saint Germain. Auch der Wind war stärker. War das ein gutes oder schlechtes Zeichen?
„Wer sagt mir denn, dass der Kardinal heute eigentlich hier ist?“ fiel ihr etwas ein. „Der ist doch soweit ich es mitbekommen habe in letzter Zeit ziemlich oft bei Seiner Majestät im Louvre. Lass uns doch wieder zurückfahren und ich reiche ein Gesuch um eine Audienz schriftlich ein, wie so viele andere auch.“
„Das könnte dir so passen.“ sagte Nathalie mit gespieltem Tadel in der Stimme. „Einfach so davonlaufen. Meinst du denn, er würde das Gesuch überhaupt ansehen, wenn er deinen Namen darauf liest? Nein, nein, für ihn bist du nur eine Verurteilte wie jede andere. Wenn er dich sieht ist das aber was anderes. Du gehst jetzt da rein und lässt dich von diesen unmöglichen Rotjäckchen nicht abweisen. Er schuldet dir jede Menge. Ich weiß einfach, dass er da ist, das habe ich so im Gefühl.“
Auch ein Grund, warum viele Nathalie für seltsam hielten. Sie schien eine Art siebten Sinn zu haben, verließ sich bei Entscheidungen immer auf ein bestimmtes Gefühl, so wie jetzt auch.
Sie hielten an.
„Und selbst wenn ich kein Gefühl hätte, dann ist es jetzt immerhin Audienzzeit.“ fuhr Nathalie fort. „Ich warte so lange hier. Viel Erfolg, Anne.“ - „Danke…“ murmelte Anne und stieg aus. Sie setzte die Kapuze ihres Mantels wieder auf und lief dann die letzten paar Meter bis zur Kathedrale zu Fuß.
Vor dem Haupteingang standen zwei schwarzrot Uniformierte… oder wie es Nathalie in ihrer Respektlosigkeit sagen würde: Rotjäckchen.
Dabei waren die Uniformen hauptsächlich schwarz und nicht rot… und die Uniform des einen war nicht einmal ganz schwarz rot – Anne glaubte, unter dem trotz der Kälter etwas offen stehenden schwarzroten Uniformmantel die Uniform eines der königlichen Musketiere zu erkennen, eine blau-goldene.
Sehr seltsam, dass die Wachen jetzt schon hier stehen, dachte Anne bei sich.
„Kann ich Euch helfen, Mademoiselle?“
fragte ausgerechnet der Wachposten, der ihr aufgefallen war, der ein missmutiges Gesicht machte.
„Möglicherweise“, erwiderte Anne. „Ich bin hier, um eine Audienz bei dem Herrn Kardinal zu erbitten.“ Die Wachen sahen sie verwundert an. „Ich meinte natürlich, bei Seiner Eminenz“, verbesserte sie sich schnell.
„Und worum handelt es sich bei Eurem Anliegen genau, Mademoiselle?“ fragte der Wachposten weiter. „Entschuldigt, wenn ich Euch all diese Fragen stellen muss, aber nachdem es vor nicht allzu langer Zeit einen Anschlag auf Seine Eminenz gegeben hat, müssen wir noch vorsichtiger sein. Darum darf jetzt auch niemand mehr einfach so die Kathedrale betreten.“
Ein Anschlag auf Kardinal Richelieu?! wunderte sich Anne. Davon hatte sie noch gar nichts gehört. Zu schade, dass er den wohl offensichtlich überlebt hat.Vielleicht aber auch gut, dass er ihn überlebt hat… in der Lage in der ich mich befinde, ist es wohl besser, so zu denken
"Verständlich“, sagte sie zu dem Wachposten. „Aber ich bin keine Attentäterin. Ich brauche in einer schwierigen Frage den Rat Seiner Eminenz. Eine Frage, auf die ich selbst keine Antwort finde… wegen der ich nicht mehr weiter weiß… aber was ich nur mit ihm besprechen kann…“
Dass sie das mit der schwierigen Frage sagte, war Nathalies Idee gewesen. Das hörte sich nämlich besser an als von der „Unterstützung“ des Kardinals zu reden – was eigentlich Annes tatsächliches Ziel war.
„Dann folgt mir doch bitte, … ähm… verzeiht, jetzt habe ich vergessen noch zu fragen, wer Ihr seid.“ Er lächelte sie freundlich an. „Das ist dann meine letzte neugierige Frage für heute.“
„Anne de Breuil“, stellte sich Anne vor.
- „Mademoiselle de Breuil.“ wiederholte der Wachposten unbeteiligt. Anne glaubte, dass er in seinem Unterbewusstsein wahrscheinlich danach suchte, woher ihm ihr Name bekannt vorkam, aber wenn er sie kannte, dann ließ er sich tatsächlich nichts anmerken. Er nickte seinem Kollegen zu und bedeutete Anne dann, ihm zu folgen.
Die erste Hürde hatte sie überwunden.
Der Wachposten führte sie durch den Vorraum, dann durch lange, dunkle Gänge, die sie schon einmal lang gegangen war. Eine Ewigkeit schien das schon her zu sein, aber sie hätte den Weg auch alleine gefunden. Obwohl es drinnen wärmer war als draußen, fröstelte Anne. Dem Wachposten war es in seinem Mantel allerdings etwas zu warm und Anne stellte fest, dass sie recht gehabt hatte – er trug unter dem Mantel die Uniform der königlichen Musketiere.
Warum arbeitet er denn als Wache für den Kardinal? fragte sie sich, traute sich aber nicht, zu fragen. Eigentlich ging sie das auch überhaupt nichts an.
An der Stelle, an der der Gang zu den Privaträumen des Kardinals führte, standen wieder zwei Wachen, dieses Mal „richtige“ Schwarzrote.
„Wen bringst du uns denn da, Athos?“ erkundigten sie sich bei dem Musketier. „Das ist Mademoiselle de Breuil. Sie wollte mit dem Kardinal sprechen.“ – „Du hast ihr hoffentlich gesagt, dass Seine Eminenz heute gar keine Audienzen abhält, oder?“ wollte einer der Wachen wissen. „Nein. Ich geh jetzt selbst zu Richelieu und sage ihm, er soll eine Ausnahme machen. Es scheint sehr wichtig zu sein.“
„Das sagen sie doch alle. Alle sagen sie, es ist wichtig… also wenn du es darauf anlegst, wieder aus der Kardinalsgarde ausgeschlossen und wieder der Wache des Königs zugeteilt zu werden, mach nur mal so weiter…“
- „Das werde ich auch. Ich hab es mir ja nicht ausgesucht, den schwarzroten Mantel zu tragen. Das wurde ja nur von Seiner Eminenz über meinen Kopf hinweg entschieden.“ verteidigte sich Athos. „Meinst du, ich lasse sie bei dem Unwetter einfach draußen stehen und sag ihr sie soll irgendwann sonst wiederkommen? Weißt du, wie es da draußen inzwischen schneit?“
Sein Kollege schüttelte den Kopf. Natürlich wusste er es nicht. Er hatte hier Wache zu halten und ihm war es egal, wie die Wetterverhältnisse draußen waren. Es gab nichts Unwichtigeres. Der Musketier, der Athos hießt, wandte sich wieder Anne zu. „Würdet Ihr mich einen Moment entschuldigen?“
Anne nickte.
Athos ging an seinen Kollegen vorbei, ein paar Schritte weiter den Gang hinunter. Dann blieb er vor einer Tür stehen, klopfte und öffnete die Tür gleich darauf einen Spalt.
„Entschuldigt, Eure Eminenz…“
Gleich darauf kam Athos wieder aus dem Zimmer heraus.
„Seine Eminenz lässt bitten, Mademoiselle“, verkündete er. „Das war zu meiner eigenen Verwunderung dieses Mal verblüffend einfach, ihn zu überzeugen. Als ich gesagt habe, wer Ihr seit, war er zwar kurz überrascht, aber dann sofort einverstanden.“
Das kann ich mir denken, dachte Anne bei sich.
„Vielen Dank für Eure Bemühungen, Monsieur“, sagte sie dann, blieb aber erstmal wie erstarrt stehen.
„Nun geht schon. Nicht so schüchtern, Mademoiselle de Breuil.“ Athos lächelte sie aufmunternd an. „Seine Eminenz wird Euch schon nicht den Kopf abreißen. Er scheint guter Laune zu sein – normalerweise setzt er bei solchen ungeplanten Audienzen eine bestimmte Zeitdauer fest, aber er hat gar nichts dergleichen gesagt. Viel Erfolg, Mademoiselle.“
Keine Zeitbegrenzung… schoss es Anne durch den Kopf. Er wird doch wohl nicht… ?! Ich muss aufpassen. Nicht wieder in eine seiner Fallen treten.
Sie sah noch einmal kurz zu Athos, aber der ging schon wieder davon, wahrscheinlich um seinen Kollegen draußen vor der Kathedrale bei dem Wachdienst zu unterstützen. Für ihn war seine Aufgabe erledigt.
Sie nahm ihren ganzen Mut zusammen, ging auf die Tür zu und betrat den Raum.
Der Kardinal saß dieses Mal nicht an seinem Schreibtisch, sondern stand vor dem Kamin, blickte nachdenklich in die Flammen und sah sich erst um, als Anne eintrat.
„Es ist ziemlich kalt heute, nicht wahr?“ fragte er. „Und trotzdem habt Ihr den weiten Weg hierher gemacht nur um mit mir zu sprechen, … Anne?“ - „Guten Tag, … Eure Eminenz.“ grüßte Anne sehr förmlich.
„Euch muss fürchterlich kalt sein, wenn Ihr den ganzen Weg hierher gelaufen seit… wie wäre es mit einer Tasse Tee, um Euch etwas aufzuwärmen?“ Richelieu ging an seinen Schreibtisch zurück und goss sich einen Tee aus einer Kanne ein, die auf dem Tisch zwischen den ganzen Papieren stand.
- „Das geht schon, vielen Dank. Für mich keinen Tee, Eminenz.“ lehnte Anne ab. Sie fühlte den schwarzroten Ring in ihrer Manteltasche und wusste, dass sie aufpassen musste, wenn er ihr irgendetwas zu trinken anbot. Bestimmt war der Ring den er trug wieder der mit dem Geheimfach… „Mir ist gar nicht so kalt, ich musste nicht laufen. Ich konnte mit jemandem in die Stadt fahren.“
„So, so, die kleine Mademoiselle de Breuil hat jemanden gefunden, der sie nicht ablehnt nach dem schrecklichen Verbrechen, das sie begangen hat… und es zieht sie zurück an den Ort ihres Verbrechens.“ bemerkte der Kardinal eher zu sich selbst.
„Ich habe kein Verbrechen begangen und das wisst Ihr, Eure Eminenz“, verteidigte sich Anne entschieden.
„Ja, ich weiß es… aber sonst braucht es weiterhin keiner zu wissen. Ihr habt es hoffentlich niemandem erzählt?“
Anne schüttelte energisch den Kopf.
„Beantwortet meine Frage“, befahl Richelieu. „Weiß jemand von unserem… Geheimnis?“
- „Nein, ich habe es niemandem gesagt. Es würde mir eh keiner glauben.“ antwortete Anne. Dieses Mal schaffte sie es sogar, die „Eminenz“ wegzulassen. Würde er das jetzt als Beleidigung auffassen? Sie hoffte es nicht.
„Und warum seid Ihr hier?“
wollte der Kardinal als nächstes wissen.
„Was ist die so dringende Frage, wegen der Ihr nicht weiter wisst und meinen Rat benötigt?“