Ein Engel für Krolock

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Rascal
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Ein Engel für Krolock

Beitragvon Rascal » 12.02.2012, 00:48:57

Ich wurde endlich mal wieder von der Muse geküsst und möchte euch mein neues Projekt zeigen.
Eigentlich war das ganze als One Shot geplant, doch irgendwie hat mich der Fortgang der Geschichte
etwas mehr gefuchst als gedacht :shifty:
Tanz der Vampire sowie alle Originalcharaktere gehören natürlich nicht mir, und ich verdiene auch kein Geld damit.
Ich hoffe ihr habt Spaß beim Lesen :)
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„Eine Närrin bist du…“ murmelte der Graf und machte eine abfällige Handbewegung in Ilianas Richtung.
Seine Augen senkte er zu Boden, während er ruhig im Flur auf und ab wanderte. Dieses Ereignis erfreute ihn keineswegs, im Gegenteil. Wie konnte eine Frau der Vampirbrut nur derart menschlich handeln? Er hatte schon längst geahnt, dass sie gefährlich werden könnte, doch hiermit hatte selbst er nicht gerechnet. „Ist dir nicht bewusst, welch ein Risiko das birgt? Sie könnten sich auf die Suche begeben und uns finden! Ich bin wirklich nicht erpicht darauf, dieser…“ der bohrende Blick Ilianas machte ihn langsam nervös, „dieser Tochter eines Bauerntölpels Asyl zu gewähren. Zumal sie lebt! Ein Menschenkind im Schloss, wie hast du dir das bitte vorgestellt?“
Die Vampirin warf einen kurzen Blick auf das Stoffbündel in ihrem Arm.
Entschlossen strich sie sich eine Haarsträhne aus dem bleichen Gesicht und sagte mit fester Stimme zu ihrem Herren:
„Ich werde mich um sie kümmern! Sie ist noch zu klein, um den Unterschied zwischen Leben und Tod zu verstehen.
Sie kann ja nicht einmal richtig sprechen! Vielleicht wird sie nie das Leben draußen kennenlernen wollen, wenn wir gut aufpassen.“
Der Graf hob das Haupt wieder und zog skeptisch eine Augenbraue hoch.
„Wir? Das klingt nicht so, als würdest du dich alleine um das Kind kümmern wollen.“ Sei seufzte.
Manchmal konnte seine Exzellenz ein ganz schöner Erbsenzähler sein, und nach all den Jahren hatte Iliana sich noch
immer nicht daran gewöhnen können. „Das Leben hier ist so trist“, motzte sie, „hätte ich jemanden, um den ich mich
kümmern kann, wäre es sicher viel interessanter. Und Herbert hätte auch endlich wieder eine Beschäftigung!“.
„Mein Sohn denkt seit Jahren nur noch an Alfred, diesen Dummkopf. Ich denke nicht, dass dieses Etwas ihn in irgendeiner Weise aufmuntern könnte.“
Stille.
Einen Moment lang hielt Iliana inne, denn sie fand kein passendes Gegenargument, um ihre Position zu verteidigen.
Möglicherweise war es sinnlos, sich auf eine Diskussion mit Graf von Krolock einzulassen. Doch sie spürte
eine seltsame, enge Bindung zu jenem durchgefrorenen Lebewesen in ihrem Arm, welches sie vor dem gusseisernen
Tor gefunden hatte. Auf einmal kam ihr ein Gedanke, ein kleiner Lichtschimmer in dieser grausamen Winternacht. Auch wenn es später eine ganze Welt zerstören würde, musste sie es versuchen, das sagte ihr das entschlossene Herz, das seit Ewigkeiten nicht mehr geschlagen hatte. Mutig atmete Iliana durch. Zunächst blickte sie auf das schlafende Baby, dann sah sie dem Grafen fest
in die schwarzen Augen und sprach: „Warte ein paar Jahre. Ich denke, sie wird ein wunderbares Sternkind sein. Dein Sternkind.“
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Christine
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Re: Ein Engel für Krolock

Beitragvon Christine » 12.02.2012, 11:55:22

Das geht ja schonmal interessant los :)
Ich finde, Iliana ist ein sehr hübscher und interessanter Name.
Und eine gute Idee :) Gibt es eine Fortsetzung? Bitte bitte =)

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Rascal
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Re: Ein Engel für Krolock

Beitragvon Rascal » 03.03.2012, 21:41:50

Dem Grafen fiel vor Schreck beinahe das Buch aus den knochigen Händen, als ein helles Lachen urplötzlich die Luft erfüllte. Ein furchtbar fröhliches, unangepasstes Mädchenlachen, welches ihm nun den Moment des gespannten Lesens ruinierte. Kinder.
Im flackernden Schein der Bibliothekskerzen erhob sich der Vampir gemächlich, um das Werk des Aristoteles wieder an seinen rechtmäßigen Platz in den Weiten der Regale zu tragen. Die Schritte hallten kalt und unbarmherzig durch den weitläufigen Mamorgang des Raumes und wurden immer wieder von den blanken Wänden abgestoßen, um schließlich weiter gegen den alten Stein zu prallen. Seufzend musste der Graf jedoch erkennen, dass er es in völliger Gedankenlosigkeit vergessen hatte, wo das Buch ursprünglich stand. Denn es waren zwar alle Bücher von ihm persönlich alphabetisch einsortiert worden, jedoch hatte sich sein Sohn Herbert etwas aus dem Regal genommen, sodass nun zwei Lücken in der Regalreihe klafften. Für den Grafen ein heilloses Durcheinander, welches er auf keinen Fall ertragen wollte, geschweige denn konnte.
Als er zum ersten Mal seit langem ratlos war und die Reihenfolge betrachtete, ertönte wieder dieser markerschütternde Laut, der sich Kinderlachen schimpfte. Erneut zuckte der Vampir zusammen, erneut fiel ihm das Buch beinahe aus den Händen. Das war zu viel.
„Herbert!“ donnerte der Graf so laut es ihm nur möglich war, ohne gleich unwürdig zu klingen. „Herbert, Iliana, was zum Teufel treibt ihr da? Ich versuche zu lesen!“. Zum wiederholten Male prallten die Schallwellen an den Wänden, doch diesmal wesentlich öfter, länger, lauter. Hinter der schweren Ebenholztür erklangen die Schritte eines anderen Vampirs. Sie wurden immer lauter, bis sie für einen Moment ganz von der Stille der Nacht geschluckt wurden. Jemand klopfte.
Graf von Krolock vollführte eine vornehme, langsame Drehung, wie seit jeher auf seine Erhabenheit und Eleganz bedacht, selbst wenn ihn niemand beobachtete. Schließlich sagte er tonlos: „Tritt ein“. Iliana öffnete langsam die Tür, welche sehr zu ihrem Leidwesen einen ekelhaft quietschenden Laut von sich gab, als die Tür in den Raum hineinschwang. „Ihr habt gerufen, Herr? Es tut mir aufrichtig leid, falls wir Eure Ruhe gestört haben, aber ihr wisst ja, wie Kinder so sind, sie…“ „SCHWEIG!“ polterte ihr Gegenüber. Augenblicklich richtete die Vampirin ihren Blick auf den glitzernden Steinboden, um nicht in das erzürnte Gesicht des Grafens sehen zu müssen. Er atmete tief durch und fuhr leise zischend fort: „Wüsste ich nicht, dass sie für mich allein bestimmt ist, würde ich sie längst verbannt haben. So viel steht fest.“ Noch immer verweilte der Graf an seiner Stelle. Iliana wagte es nicht, sich zu bewegen, bevor er nicht selbst einen Schritt in ihre Richtung gemacht hatte. Wieder herrschte eisige Stille zwischen den beiden Untoten. „Iliana“, fuhr er fort, „was ist daran so schwer, ein Kind im Zaum zu halten? Gib ihr etwas zu spielen, lies ihr etwas vor, lass sie sich in den kleinen Sarg legen. Ist das denn zu viel verlangt?“
Eindringlich sah er in ihre Richtung. „Iliana!“ wiederholte der Graf mit allem Nachdruck ihren Namen. „Iliana, sieh mich an!“. Zitternd hob sie ihr Haupt und strich sich vorsichtig eine Haarsträhne aus dem Blickfeld. Der Graf war in der Tat wütend. Auf sie. Auf das Mädchen.
„Und jetzt antworte mir!“ zischte er selbstgefällig, während er einige Schritte in die Richtung der verschreckten Vampirin tat. Ihr Mund war gelähmt von der Angst, er könnte ihr ernsthaft etwas antun, doch sie musste antworten. „E-es ist nicht schwer, Herr. Überhaupt nicht…schwer.“ Über sein Gesicht huschte ein verschmitztes Lächeln. Kurz legte er seinen Kopf schief und sah Iliana fest in die himmelblauen Augen. „Das wollte hören.“ bemerkte der Graf. Furchtbar langsam hob er seinen Arm, um ihre kalte Wange zu berühren. Ein Schauer lief über ihren Rücken, als seine raue Haut die ihre streifte. Trotz seiner unbändigen Wut war er noch immer der charismatische Mann, der begriff, wie er einer Frau, egal ob tot oder lebendig, den Kopf verdrehen und das Herz stehlen konnte. Auch sie war einst sein Opfer gewesen. Noch lange, bevor die blutjunge Wirtstochter Sarah den Weg in die ewige Verdammnis dieser Brut gefunden hatte.
Er seufzte melancholisch, beinahe als könnte er Ilianas Gedanken lesen und somit ein weiteres dunkles Kapitel seines Lebens erneut durchleben. Sarah, das Sternkind. Auf eine seltsame Art und Weise hatte sich seine gesamte Mimik verändert. Die Augen schienen nun eher glanzlos und leer als wütend. Seine Kinnpartie begann zu zittern, wodurch die langen Fangzähne immer wieder zwischen den Lippen aufblitzten. Als schließlich nur noch seine laute Schnappatmung zu hören war, fragte Iliana sich, ob es wohl besser wäre, sich zurückzuziehen, um den Grafen in Ruhe zu lassen. Sein Stolz hing in jenem seltsamen Moment an einem seidenen Faden, und die Vampirin hatte keinerlei Interesse daran, diesen durchzuschneiden. Im Gegenteil, am liebsten hätte sie ihn in den Arm genommen und gesagt, dass alles wieder gut würde. Dennoch widerstand Iliana. Sanft sah sie dem Grafen in die zum Entsetzen verzerrten Augen, mit denen er die Tür hinter ihr zu fixieren schien.
Als sie sich umdrehte, bemerkte Iliana Herbert, wie er in der Tür stand und das kleine Sternkind auf dem Arm hielt. Lumina trug ein weißes Nachthemdchen und hielt in ihren winzigen Händen ein rotes Tuch aus Samt. Still kuschelte das Mädchen sich an ihren Ziehvater, welcher den Grafen fragend ansah. Allmählich begriff Iliana, was den Obervampir so sehr schockierte- die kleine Lumina sah jener Wirtstochter verblüffend ähnlich. Nicht nur, dass sie ebenfalls ein weißes Nachthemd trug und in ihren Fingern das rote Tuch hielt. Nein, sie hatte dieselben roten Locken, dieselben frechen Augen, dieselbe fröhliche Art. Einfach alles an der kleinen Lumina erinnerte an das vormalige Sternkind Sarah. Graf von Krolock rang verzweifelt nach seiner Standhaftigkeit, seiner Haltung, seinem Stolz. Doch vor allem rang er nach Worten. Dieses Ereignis brachte ihn so sehr aus dem Konzept, dass er einfach fragte: „Wo… hat sie das Tuch her?“
Herbert zuckte kurz zusammen, als sein Vater die Sprache wiedergefunden hatte. Dann antwortete er wahrheitsgemäß: „Es lag noch im Rubinzimmer, Vater.“
Das Rubinzimmer. In diesem wunderschönen, blutroten Schlafgemach im Westflügel hatte Sarah ihre letzten Stunden vor dem Ball verbracht, um sich auf den Moment der ewigen Verdammnis vorzubereiten. Seit der Flucht mit diesem Trottel von Wissenschaftler hatte der Graf jenes Zimmer nie wieder betreten, aus Angst, er könnte von den Erlebnissen eingeholt werden. Obwohl sich besonders Herbert darum bemüht hatte, den Schmerz seines Vaters zu lindern, konnte nichts die Trauer des Vampirs trocknen. Seit Jahren schon war ihm die Lust an Grausamkeit und Teufelsverehrung vergangen. Eines Tages hatte er bestimmt, dass die Brut nur noch Männer beißen durfte, wenn er dabei war. Dies wiederum war jedoch schmerzlich für Herbert, welcher selbst durch die Flucht einen herben Verlust erlebt hatte. All diese jungen, untoten Männer erinnerten ihn an Alfred. Sein Alfred, von dem er sich so viel Liebe erhofft hatte.
„Warum in Satans Namen hast du das Rubinzimmer betreten?“ flüsterte der Graf entsetzt. „In Satans Namen, ich habe doch angeordnet, dass niemand diesen Raum je wieder betreten darf, solange sie nicht zu mir zurückkehrt!“ Mit einer zittrigen Handbewegung fuhr er sich durch das lange schwarze Haar. „Bis sie zurückkehrt…“ Beschämt sahen Iliana und Herbert zu Boden. „Wir hatten mit Lumina Verstecken gespielt“, antwortete Iliana kleinlaut, „und sie ist nun mal ein Kind und wusste nicht, was für eine Bedeutung dieser Raum für Euch hat. Also hat sie das Zimmer betreten, offensichtlich fand sie Gefallen an Sarahs Tuch und…“ „Schweig.“ Unterbrach er sie hart, aber keinesfalls unfreundlich. „Gib mir das Tuch.“ Herbert sah das Mädchen, das die ganze Szene stumm auf seinem Arm beobachtet hatte, matt lächelnd an und fragte: „Lumina, magst du mir das Tuch geben? Hm?“
Zögernd sah sie ihn an und nickte heftig. Ihre Händchen ließen den roten Samtstoff los, sodass Herbert ihn seinem Vater überreichen konnte. „Braves Mädchen.“ Flüsterte Iliana lächelnd, nachdem sie dem Kind durch die Haare gestrichen hatte. „Komm, wir lassen den Herrn jetzt alleine, ja? Was hältst du davon, wenn ich dir die Aussicht vom Dach zeige?“
Wieder nickte Lumina und murmelte: „Ja, Illi.“ Mit einem ängstlichen Seitenblick zum Grafen drückte sie sich noch etwas fester an Herberts Schulter, welcher zusammen mit ihr und Iliana langsam durch die schwere Ebenholztür wieder verschwand und somit Graf von Krolock alleinließ. Allein mit sich selbst und den Erinnerungen an eine einzigartige Liebe stand er inmitten der Schlossbibliothek und weinte.
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Christine
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Re: Ein Engel für Krolock

Beitragvon Christine » 05.03.2012, 14:14:23

Wow... Ein schön geschriebener Teil :) Du hast wirklich einen fesselnden Schreibstil, liest sich sehr gut.
Schnell mehr davon, bin gespannt wie es weitergeht :)

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Rascal
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Re: Ein Engel für Krolock

Beitragvon Rascal » 31.01.2013, 00:01:16

Nee, watt... diese FF habe ich ja eigentlich schon längst so gut wie fertig. Hupps.
Falls noch jemand mitliest: Hier das nächste Kapitel:

„Schlaf schön, mein Engel“, Flüsterte Herbert dem kleinen Mädchen sanft ins Ohr, „Ich hab dich lieb.“. Lumina erwiderte sein Lächeln und streckte ihre Hand nach ihm aus, als wollte sie ihn davon abhalten, sie zur Morgendämmerung zu verlassen. „Herbert!“ sagte suchte seine Hand. „Herbert, warum darf ich nie so lange aufbleiben, wie ich will?“.
Der Vampir drehte seinen Kopf leicht zur Seite und sah aus dem Fenster in die neblige Landschaft. In weiter Ferne erkannte er, wie die ersten Sonnenstrahlen schon die Klippen erhellten. Es jagte ihm einen Schauer über den Rücken, in das Licht zu blicken.
Lumina war mittlerweile von ihrem Bett aufgestanden und saß nun auf der Bettkante. Sie sah ihren Ziehvater verwirrt an und wiederholte: „Warum darf ich nie so lange aufbleiben, wie ich will?“.
„Hm?“ machte Herbert, ohne den Blick vom Horizont abzuwenden. „Hast du etwas gesagt?“.Lumina stand auf, folgte seinen Augen und spürte, wie ihr Herz für einen Moment aufhörte zu schlagen. Vor ihr lag etwas, was sie in ihrem ganzen Leben noch nie gesehen hatte: unberührte Natur, die von einem fremdartigen Licht erleuchtet wurde. Bäume, Wiesen, Felsen, der Fluss… jenseits der Zeit, in der sie ihr Leben verbrachte, sah alles so wunderschön und anders aus. Lumina fühlte, wie eine Stimme in ihr danach schrie, hinauszugehen und das alles zu erkunden. All diese Sachen anzufassen und deren Namen zu lernen. Doch diese Hoffnung endete jäh, als Herbert schreiend hinausstürmte, die Tür verriegelte und den Flur hinunterlief.
Die wenigen Sonnenstrahlen, die ihn berührt hatten, brannten nun wie Feuer auf seiner blassen Haut, als verkohlte jede Hautzelle einzeln. Unter den größten körperlichen Qualen suchte Herbert die fensterlose Ahnengallerie auf und fiel, sobald er die Tür geschlossen hatte, krampfend auf den Boden. Zum allerersten Mal seit über 200 Jahren war gleißendes Tageslicht an sein Gesicht gedrungen. Es brachte ihn ins Schwitzen und zum Zittern als wollte sein Körper die Hitze von ihm abschütteln, doch es wurde nicht besser. Selbst der kühle Steinboden vermochte es nicht, Herbert in einen angenehmeren Zustand zu versetzen. Geschwächt lag er dort unten, unfähig aufzustehen. Nach einer kurzen Zeit verfiel er in einen tiefen Schlaf, doch seine Träume verschlimmerten alles nur.

Als Iliana erwachte und den Sargdeckel beiseiteschob, spürte sie, dass etwas geschehen sein musste. Um sie herum herrschte die übliche Stille der Gruft, der modrige Geruch war ebenfalls derselbe, und doch war alles anders. Behutsam verließ sie ihren Schlafplatz, um sich umzusehen. Die Särge standen wir immer in Reih und Glied, wieder einmal war sie als Erste von der Macht des Mondes aufgeweckt worden. Auf der Treppe saß Koukol mit gesenktem Kopf, scheinbar war er während seiner Wache selbst eingeschlafen. Langsam ging sie in seine Richtung und stieg über ihn hinweg, ganz darauf bedacht, ihn nicht aufzuwecken.
Müde erklomm sie Stufe um Stufe, bis sie sich schließlich im Ostflügel wiederfand. Sofort nahm sie einen Gestank von verbranntem Fleisch war, doch sie vermochte nicht, die Quelle zu bestimmen. Iliana erwartete das Schlimmste, obwohl sie nicht genau, was das Schlimmste sein könnte. Vorsichtig ging den Flur hinab.
Vor Luminas Zimmer blieb die Vampirin stutzend stehen: Offensichtlich hatte Herbert die Tür verriegelt. Doch warum sollte er das tun? Iliana schob die Riegel beiseite, um das Mädchen zu wecken. Als sie den Raum betrat, stand Lumina am offenen Fenster und schaute sehnsüchtig hinaus in die Ferne. „Illi, warum darf ich nicht raus, wenn es hell ist?“ fragte sie ihre Ziehmutter wehmütig. „Immer sagen alle, ich soll hier bleiben. Aber ich will raus!“
Iliana seufzte schwer. Sie hatte befürchtet, dass das Kind irgendwann anfangen würde Fragen zu stellen. Fragen nach Leben und Tod, nach Tag und Nacht, Fragen über die Liebe. Mit all diesen Dingen, welche die Kinder langsam entdeckten und infrage stellten, musste sich früher oder später auch Lumina beschäftigen. Nun war es also soweit.
Iliana legte sanft eine Hand auf die rechte Schulter des Mädchens und sah ebenfalls aus dem Fenster. Das majestätische Mondlicht über Rumänien hüllte die Landschaft um das altehrwürdige Schloss aus dem späten 13. Jahrhundert. Der Wind fuhr durch die knorrigen Bäume, was ein leises melancholisches Rascheln der Blätter zur Folge hatte. Dann und wann verirrte sich auch ein Windhauch in der Haare der beiden Wesen am Fenster, welche stumm nebeneinander standen und in die Nacht hinaussahen. Plötzlich erhob Iliana doch ihre Stimme, als sie antwortete. „Weißt du, Lumina, draußen ist es zu gefährlich für junge Mädchen wie dich. Die Menschen da draußen sind gemein und wollen uns allen nur Böses. Deswegen gehen wir nur nachts hinaus, wenn die Dorfbewohner schlafen.“. Lumina sah verärgert zu Iliana auf. „Ich bin schon neun Jahre alt, Illi. Ich bin nicht klein!“. Die Vampirin musste sich ein Lachen verkneifen. Trotz ihrer ungewöhnlichen Wohn- und Lebensverhältnisse schien Lumina sich genau wie alle Kinder in ihrem Alter zu verhalten. Eigensinnig und trotzig, mit einer großen Portion Freiheitsdrang.
„Ach, später wirst du verstehen, was ich meine. Ich verspreche dir, mit achtzehn Jahren wird das alles anders. Dann darfst du auch in die Welt hinausfliegen und herumtollen. Zumindest in der Sicherheit der Nacht.“. Zärtlich gab Iliana der Kleinen einen Kuss auf die Stirn.
„Und jetzt mach dich rasch fertig, bevor Koukol dir deine Mahlzeit bringt. Oder soll er dich SO sehen?“
„Das ist gemein.“ Murmelte Lumina. „Ihr Großen dürft machen, was ihr wollt, aber ich muss immer leise sein, ich muss immer aufpassen, dass ich dem Herrn nicht über den Weg laufe. Ich muss sogar mit euch essen!“ Iliana lächelte vor sich hin, als sie das hörte. Ja, die Kleine stand anderen Kindern in ihrem Alter wirklich in nichts nach.
Gedankenversunken schlich die Vampirin zur hinaus auf den Flur. Gerade hatte sie die Tür geschlossen, da drang ein aus Luminas Zimmer ein wütendes „Du bist fies! Ich hasse dich!“. Erstarrt blieb Iliana stehen. ‚Ich hasse euch alle“. Über diesen Satz musste sie dringend mit Herbert reden. Dem einzigen Vampir, der die Situation verstehen könnte.
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Re: Ein Engel für Krolock

Beitragvon FunnyDo » 12.02.2013, 15:21:09

Wirklich sehr sehr schön gemacht von dir, die Charaktere hast du sehr lebhaft geschrieben. Einfach toll was die muse dir da ins Ohr geflüstert hat!


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