Danke euch beiden! Schade, dass sonst keiner kommentiert hat....
Hier mal der nächste Teil, es geht stark auf die Premiere zu „Nora, ich glaub dein Handy hat geklingelt.“, riss mich Leon aus dem Halbschlaf, in den ich verfallen war.
„Was?“, murmelte ich. „Es ist doch noch viel zu früh zum Aufstehen.“ Ich rappelte mich auf und schaute auf die Uhr. Es war gerade mal 5 Uhr morgens. Normalerweise hätten wir das Klingeln überhört, aber Leon war schon die halbe Nacht wach, er war zu aufgeregt zum Schlafen, schließlich stand am Abend die Premiere an. Auch ich hatte nicht gut schlafen können, aber musste man mich gerade dann aufwecken, wenn ich so halb eingeschlafen war?
Noch immer nicht ganz wach griff ich nach meinem Handy und schaute auf den Display, der eine neue Nachricht ankündigte. Wer um alles in der Welt schrieb um diese Zeit SMS? Ich wurde noch stutziger, als ich als Absender die Nummer meines Vaters entdeckte. Wenn er mir um diese Zeit schrieb, war irgendwas nicht in Ordnung. So schnell war ich selten wach geworden und meine Hand zitterte ein wenig vor Anspannung, als ich auf „Nachricht öffnen“ drückte:
Hallo Nora. Deine Schwester ist heute Nacht Mutter geworden, wir sind auf dem Weg zu ihr. Es ist wohl alles gut gegangen. Melde dich bitte bei uns, sobald du wach bist. Papa.
Ich seufzte. Daran hatte ich überhaupt nicht mehr gedacht. Die letzten Wochen hatten mich so aus meinem normalen und gewöhnlichen Leben gerissen, dass ich alles, was außerhalb des Theaterlebens geschah, beinahe verdrängt hatte.
„Was ist denn los?“, wollte Leon wissen. „Wer hat dir geschrieben und vor allem was?“ – „Meine Eltern.“, gab ich zur Antwort. „Sie werden wohl kaum zur Premiere auftauchen heute.“ – „Wieso das denn nicht?“, fragte Leon leicht geschockt.
Abermals seufzte ich und setzte an: „Ich weiß nicht, ob ich es dir erzähle habe, in letzter Zeit hab ich alles, was sonst so in der Welt vor geht ein wenig verdrängt, aber wie dem auch sei. Meine Schwester bekommt ein Baby, besser gesagt sie hat es wohl heute Nacht bekommen.“ Leon schaute mich etwas irritiert an. „Meine Eltern sind also auf dem Weg zu meiner Schwester und ihrer Familie, die stolzen Großeltern wollen ja nichts verpassen.“, erklärte ich und wurde dabei immer leiser. Ich senkte meinen Blick gen Boden.
„Das ist wirklich schade, dass sie nicht kommen können. Aber was nützt ein Plan oder wie heißt es immer so schön.“, erwiderte er. „Ja, schon.“, gab ich zurück. „Das Problem ist, naja. Die Kleine ist mein Patenkind und eigentlich sollten wir alle kommen, wenn sie geboren ist.“ – „Heißt das du musst noch heute zu deiner Schwester fahren?“, erkundigte sich Leon, aus dessen Gesicht jegliche Farbe gewichen war.
„Ich weiß es nicht.“, druckste ich herum. „Meine Eltern schreiben, dass ich sie anrufen soll, sobald ich wach bin. Mir ist klar, was sie sagen oder viel besser fragen werden, nämlich genau das.“ Leon schwieg und schaute zum Fenster. „Ach Mann, kann nicht wirklich mal alles so klappen, wie es soll? Die Geburt sollte eigentlich erst in zwei Wochen sein. Ich hatte fest damit gerechnet, dass sie nicht früher kommt, da ihre große Schwester auch ne Woche zu spät dran war.“, fuhr ich fort. „Oder wenigstens einen Tag später.“, setzte Leon hinzu. Ich nickte.
Was sollte ich bloß machen? Wenn ich meine Eltern anrief, dann würden sie mich ganz klar vor die Wahl stellen: Premiere oder Patenkind. Verdammt, ich konnte mich unmöglich entscheiden.
„Ruf deine Eltern am besten gleich an, dann haben wir noch genug Zeit einen Zug zu suchen, der dich möglichst gut zu deiner Schwester bringt. Ich kann verstehen, wenn du hinfährst.“, sagte Leon. „Ich geh schon mal in die Küche und mache uns was zum Frühstück.“
Noch bevor ich widersprechen konnte, war er aus dem Zimmer verschwunden. Mir blieb nun wirklich nichts anderes übrig, als meine Eltern anzurufen. Ich wählte also die Nummer und wartete bis sich jemand meldete:
„Hallo Papa, ich bins. Geht es Meli gut? Und dem Baby auch? Ja? Das freut mich. Schön, dass alles gut gegangen ist. Allerdings, es kam wirklich unerwartet. Was? Ach ich war eh halb wach, als das Handy geklingelt hat. Natürlich, nur der Ton der SMS. Ich weiß, aber wach bin ich trotzdem. Ja, ich hab befürchtet, dass ihr das sagen werdet. Ich weiß, dass wir alle hin wollten und dass ich auch kommen sollte, aber heute ist die Premiere, ich kann nicht alle hier im Stich lassen. Was? Nein, natürlich will ich auch euch nicht im Stich lassen. Es bleibt meine Entscheidung? Aber wie soll ich mich denn entscheiden? Das muss ich wissen, toll… Ja, ich werd euch Bescheid geben. Ja. Grüß alle schön. Ja. Tschüss.“
Ich war genauso schlau wie vorher. Es bliebe meine Entscheidung, großartig, aber wie sollte ich mich denn bitte entscheiden? Ich wollte weder das Ensemble, vor allem Leon, alleine lassen, noch meine Familie enttäuschen. Es war wie verhext, ich konnte es drehen wie ich wollte, irgendwen würde ich enttäuschen.
‚Jeder irrt durch das Dunkel der Welt, blind vor Ehrgeiz, stumm vor Schmerz, hofft auf ein Licht, das die Nacht erhellt, folgt der Pflicht, verrät das Herz’, ging es mir unwillkürlich durch den Kopf. „Plötzlich kommt mir das unglaublich vor, weil ich so nicht leben will, plötzlich kommt mir das unglaublich vor, weil ich so nicht lieben will.“, sang ich nun vor mich hin und brach an dieser Stelle ab.
Was wollte ich wirklich? Sollte ich auf mein Herz hören? Oder doch der Pflicht folgen? Aber welche der Möglichkeiten war mehr Pflicht? Was hatte mir mein Herz zu sagen?
„Hey Meli. Gehts dir und Hanna gut? Das freut mich zu hören. Ja, mir geht es auch gut. Was?“
Einige Stunden waren vergangen, in denen ich intensiv mit Leon gesprochen hatte und nun telefonierte ich mit meiner Schwester, die gerade wissen wollte, ob ich noch kommen würde. Ich atmete tief durch.
„Es ist mir echt nicht leicht gefallen, aber ich werde nicht kommen, nicht heute. Ich müsste spätestens morgen früh sowieso wieder nach Hause, weil ich doch Schule habe. Mama und Papa haben sich ja noch ein paar Tage frei genommen. Du verstehst es? Wirklich? Da fällt mir ein Stein vom Herzen, ich hatte Angst, dass du mir die Entscheidung übel nimmst… Ja, danke. Ich hoffe auch, dass die Premiere gut läuft. Werd ich ausrichten. Grüß du auch schön und alles Gute euch beiden, gib Hanna einen Kuss von mir!“
Ich legte auf und schaute Leon an, der neben mir saß. Hatte ich wirklich das richtige getan? Hatte ich meinem Herzen gefolgt? Oder doch der Pflicht?
Langsam ließ ich meinen Kopf an Leons Schulter sinken. Er nahm mich liebevoll in den Arm. Trotzdem fühlte ich mich innerlich als irrte ich durch das Dunkel der Welt.
~*Niemand nimmt mir meine Träume und schließt meine Sehnsucht ein, wo es Liebe gab und Freiheit wird mein Herz für immer sein*~