Und hier mal die Fortsetzung...
7. Kapitel: Ich hab geträumt vor langer Zeit...
Am nächsten Tag – oder, besser gesagt, zwei Stunden später – klingelte mein Wecker. Ich hatte nicht schlafen können – ich hatte vor Wut und Enttäuschung in mein Kissen geweint und mindestens sieben Packungen Taschentücher verbraucht – und fasste einen Entschluss.
Ich rief in der Universität an, erklärte, ich sei stark erkältet und könnte den Rest der Woche voraussichtlich nicht am Unterricht teilnehmen. Meine Schauspielausbildung und die etwas verschnupfte Stimme erwiesen sich als nützlich; die Sekretärin glaubte mir sofort. Sie schrieb meine Entschuldigung auf und wünschte mir eine gute Besserung.
Ich hängte ein und atmete laut auf. Ein paar Tage Freiheit; das musste ich nutzen. Ich schaltete meinen Computer ein und suchte nach Last-Minute-Flügen in die Karibik.
Plötzlich klingelte es an der Tür. Ich fuhr erschrocken hoch – Ich hatte immer noch mein Nachthemd an. Hektisch zog ich meinen Bademantel über und stolperte zur Tür.
Ich hoffte, man würde mir meine verweinten Augen nicht zu sehr ansehen; die erstickte Stimme konnte ich ja meiner „Erkältung“ zuschreiben. Ein letztes Mal atmete ich tief durch, bevor ich öffnete.
Draußen stand –
»Mike!«
Ich war vollkommen überrumpelt. Ich hatte völlig vergessen, dass wir jeden Tag gemeinsam zur Uni fuhren. Typisch ich, so etwas zu vergessen...
»Rike... Was ist denn mit dir passiert?«
»Erkältet«, brummte ich und schlug die Augen nieder, damit er nicht sah, wie rot geweint sie waren. Aber zu spät. Er griff mir unters Kinn und sah mich forschend an. Widerwillig hob ich den Blick.
»Was denn?«
»Das ist keine Erkältung Rike«, seufzte er. »Die Schulleitung kannst du notfalls damit täuschen, aber mich nicht. Was ist los?«
»Marco«, flüsterte ich und wandte den Blick wieder ab. Es tat weh, seinen Namen auszusprechen.
Mike seufzte. Ihn schien es nicht zu überraschen, dass ich Probleme mit ihm hatte.
»Das habe ich befürchtet«, murmelte er nun sogar. Ich sah ihn ungläubig an.
»Soll das heißen, du wusstest, dass er mit Melissa rummacht?«
»Melissa??« Mike sah mich entsetzt an. »Bist du sicher?«
»Ich habe die beiden gestern Abend gesehen.« Nun ja, genau genommen war es heute früh gewesen, aber so genau musste man es ja nicht nehmen.
»Was hast du denn gedacht?«, fragte ich, um abzulenken.
»Ich dachte...« Mike zögerte.
»Was?«, wiederholte ich drängend. Was immer es war, ich musste es wissen. Bevor ich es von Marco selbst erfuhr.
»Naja... Ich dachte... Es ginge um Tanja.«
»Tanja?«, fragte ich wie betäubt. »Diese Kleine aus dem Semester unter uns, die immer mit drei Kilo Make-Up rumläuft?«
»Vielleicht zweieinhalb«, schränkte Mike ein, »aber ich glaube, wir reden von derselben Tanja, ja.«
»Scheiße«, murmelte ich. »Er ist ja ein noch größeres ***, als ich dachte.«
Plötzlich wurde mir etwas bewusst und ich starrte Mike entsetzt an.
»Moment mal... Du hast das gewusst?!?«
Mike wich meinem Blick aus.
»Marco ist mein bester Kumpel, Rike...«
»Das heißt ja«, stellte ich klar. Aber eigentlich hatte ich das schon gewusst, als er Tanjas Namen ins Spiel gebracht hatte.
»Wie konntest du nur?«
»Wie konnte ich was?« Mike sah mich verwirrt an. »Oder übst du für deinen Vortrag für Marco?«
»Vortrag?« Ich lachte kurz und bitter auf. »Der hat keinen Vortrag verdient sondern eine Ohrfeige... Nein, zwei... Drei... Viele...« Ich konnte nicht verhindern, dass mir wieder die Tränen hochstiegen.
»Verflucht«, flüsterte ich und suchte nach einem Taschentuch. Mike hielt mir seins hin. »Danke.«
»Wie konntest du?«, wiederholte ich.
»Was?«, fragte er wieder.
»Mir das nicht sagen!!« Ich sah ihn wütend an. »Du weißt, dass mein Freund mit einer kleinen *** aus dem unteren Jahrgang rummacht und sagst mir kein Wort?? Ich dachte, wir wären auch Freunde!«
Mike sah betreten zu Boden.
»Weißt du... Es ist nicht so einfach zu erklären.«
»Ich habe Zeit. Ich muss heute nicht zum Unterricht, ich bin schließlich erkältet.« Meine Stimme troff nur so vor Sarkasmus.
Mike sah erschrocken auf die Uhr.
»Mist, ich schon! Sorry. Ich komm später nochmal vorbei, okay?«
Ohne eine Antwort abzuwarten, hastete er die Treppe hinunter. Ich sah ihm missmutig nach und zog mich dann an, um zur Apotheke zu fahren. Ich brauchte noch ein paar Packungen Taschentücher.