Schenk mir den Neubeginn

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Schenk mir den Neubeginn

Beitragvon Sisi Silberträne » 14.05.2007, 13:09:15

Inhalt: Mit einem guten Freund an der Seite, kann man zurück treten, wenn das Schicksal einen tritt. Diese Erfahrung steht Gabi noch bevor.

Genre: Drama/Romanze

Dislaimer: alles was mit Elisabeth zu tun hat, gehört Levay, Kunze und den VBW, der Rest ist meins *hrhr*

A/N: ich dachte ich poste die hier auch mal. Über Kommis würde ich mich sehr freuen.

~~~~~~~~~~


Schenk mir den Neubeginn

von Sisi


„Oli? Träumst du?“
Die Stimme, die den jungen Mann aus seinen Gedanken riss, gehörte niemand anderem als seiner holländischen Kollegin Gabi, mit der zusammen er nun die zweite Saison fast jeden Abend auf der Bühne stand. Sie beide verkörperten gemeinsam die Hauptrollen im erfolgreichen Musical Elisabeth, und zwar in dessen Heimat Wien.
Er sah Gabi fragend an. „Was ist denn?“
Diese grinste. „Ich wollte nur sicher gehen, dass noch jemand daheim ist.“
Kopfschüttelnd schmiss er ein Wattepadd vom Schminktisch nach ihr. Die beiden saßen mehr oder andächtig nebeneinander in der Maske, um für die kommende Show vorbereitet zu werden.
„Hey, die brauch ich noch!“ schimpfte da Corinna, die Maskenbildnerin, die unbemerkt hinter Oliver getreten war.
„Das war Notwehr!“ Er wies auf demonstrativ auf Gabi. Doch für gewöhnlichen hielten die Damen zusammen und er als Herr der Schöpfung zog den Kürzeren.
Es fehlten nur noch ein paar Handgriffe an seiner Frisur, etwas Schminke um die Augen, und sein Kostüm, dann war er ganz der dunkle Verführer.

Nach der Vorstellung ging es nicht mehr ganz so locker zu. Alle waren müde, doch der Weg ins Bett führte erst einmal einer Ansammlung wartender Fans vorbei. Oliver brauchte weniger Zeit um sich seiner Rolle zu entledigen, oft blieb er aber bis Gabi ebenfalls fertig war, denn wenn sie das Theater zusammen verließen, teilte sich die Aufmerksamkeit der wilden Horde, wie er gerne sagte, auf sie beide auf.
„So, können wir?“ Gabi sah ihn fragend an. Sie trug jetzt wieder Jeans, ein einfarbiges Shirt und darüber eine karierte Jacke. Nur die Frisur saß nach den Perücken alles andere als gut. Doch das machte gar nichts, fand Oliver. Mit ihren feinen Gesichtszügen, den dunkelbraunen lockigen Haaren und den jadegrünen Augen war sie immer eine Schönheit. Im Besonderen wenn sie lächelte.
Er selbst war wohl genau das, was man als Mädchenschwarm bezeichnen konnte. Gut gebaut, blondes Haar, das ihm bis zu den Schultern ging, und braune Augen. Wenn Gabi ihn ärgern wollte, bezeichnete sie ihn als Playgirl, als Anspielung auf die wohlgeformten Damen des Playboy. Er hätte sich allerdings einen besseren Kosenamen vorstellen können, wie sie ganz genau wusste.
Zusammen mit ihr verließ er das Theater und prompt stürzten sich von allen Seiten die Fans auf sie beide. Hier gaben sie Autogramme, dort ließen sie sich mit jemandem fotografieren. Es dauerte etwa eine halbe Stunde, bis sie sich endlich losgeeist hatten, und sich zu ihren fahrbaren Untersätzen begaben. Selbstverständlich nicht ohne einander eine gute Nacht zu wünschen.

Am nächsten Tag war Sonntag und die Vorstellung begann bereits um achtzehn Uhr. Oliver war gerade aus seinem Ford Ka gestiegen, freute sich wieder einmal diebisch darüber wie praktisch an der zugeparkten linken Wienzeile ein kleines Auto war, als in der Nähe ein anderer Wagen in zweiter Spur hielt. Er sah auf und erkannte auf dem Beifahrersitz Gabi, wie sie sich mit einem innigen Kuss von ihrem Mann Viktor verabschiedete, der sie hergebracht hatte. Als er von den beiden bemerkt wurde, winkte er ihnen kurz zu und wartete auf seine Kollegin.
„Servus Oli“, begrüßte sie ihn bestens gelaunt. Die überlebenswichtigen wienerischen Ausdrücke hatte sie mittlerweile gelernt, und er war bemüht ihren Wortschatz stetig zu vergrößern.
Er erwiderte den Gruß, grinste dann. „Na, hast deinen Göttergatten wieder einmal als Chauffeur abgestellt?“
„Ob du es glaubst oder nicht, Viktor macht das freiwillig.“ Sie grinste ihn breit an. „Er holt mich nachher auch wieder ab, und dann gehen wir noch irgendwo ein Glas Wein trinken.“
„Hast recht, glaub ich nicht“, entgegnete er lachend.
Das Gespräch wurde durch vorm Bühnentürl wartenden Fans unterbrochen. Die beiden Darsteller gaben ein paar Autogramme, ließen sich fotografieren und plauderten kurz mit den jungen Mädchen, ehe sie beteuerten dringend ins Theater zu müssen.

Im Gang vor der Maske trafen sie auf Corinna, die offenbar schon auf die beiden gewartet hatte. Noch hatten sie es nicht so eilig, wie sie die Fans hatten glauben lassen, und es blieb Zeit für das ein oder andere nette Wort.
„Schon auf die Besetzungsliste geschaut?“ fragte die Maskenbildnerin.
Beide schüttelten gleichzeitig den Kopf. „Wir sind doch gerade erst gekommen“, entgegnete Oliver. „Wieso? Hat sich etwas geändert?“
„Ja, Basti ist krank, hat ihn wohl eine Darmgrippe erwischt. Jens springt für ihn ein.“ Sie meinte niemand anderen als Sebastian, die Erstbesetzung des Franz Joseph, der über jenen Spitznamen alles andere als glücklich war.
„Oh, armer Basti“, kommentierte Gabi mit spürbarer Anteilnahme. Es war ein offenes Geheimnis, dass Jens und sie einander nicht besonders gut leiden konnten. Auf der Bühne gaben beide natürlich ihr Bestes, wenn sie zusammen spielten, und es merkte niemand, doch sonst sah es anders aus. Jens neigte zur Arroganz und hielt sich bei Frauen für unwiderstehlich. Er hatte Gabi auch schon angebraten, obwohl er genau wusste, dass sie verheiratet war.

„Geht ihr nach der Vorstellung gleich heim?“ wollte Corinna weiter wissen, um das Thema zu wechseln, nachdem die zwei nun über die Caständerung bescheid wussten.
„Ich nicht. Vic holt mich ab, mal sehen, was wir noch anstellen“, die Holländerin grinste bei dem Gedanken.
Oliver zuckte mit den Schultern. „Vielleicht geh ich noch eine Runde Pool spielen. Der Tommy schuldet mir noch eine Revanche.“ Das war sein bester Kumpel, der ausgezeichnet mit dem Queue umgehen konnte, zumeist sehr zu seinem Leidwesen.
„Na dann werdet ihr sicher viel Spaß haben...“
Gabi hob ein wenig die Augenbraue, im Tonfall der Maskenbildnerin schwang Enttäuschung mit. „Hast du denn etwas vor?“
„Nein...“ Corinna schüttelte leicht den Kopf. „Oh, mir fällt gerade was ein, ich seh euch nachher.“ Damit rauschte sie davon.

„Ach Oliver...“
„Ja bitte?“ Fragend musterte er seine Kollegin.
Sie wies in die Richtung, in die Corinna verschwunden war. „Bist du so blind, oder tust du nur so? Das Mädel wartet doch nur auf ein Angebot von dir.“
Der Wiener seufzte unhörbar. Es war ihm natürlich aufgefallen, dass sie offenbar gerne in seiner Nähe war, doch er hatte nie länger darüber nachgedacht. „Sie hätte mich fragen können, ob ich mit ihr was unternehme, oder so.“
„Also bei dem Desinteresse, das du an den Tag legst, hätte nicht einmal ich dich gefragt, und ich bin da weiß Gott nicht auf den Mund gefallen, kennst mich ja. Gib dir einen Ruck und geh mit ihr was trinken, damit machst du sie glücklich. Was hast du denn schon dabei zu verlieren?“
Er lächelte leicht. Diese direkte Art war typisch für sie, aber genau das mochte er an ihr. Sie nahm sich kein Blatt vor den Mund, sondern sagte was sie dachte, und man wusste meistens woran man bei ihr war. Auch dieses Mal behielt sie recht. Es sprach nichts dagegen mit Corinna auszugehen, eher das Gegenteil war der Fall.
„Jemand zuhause?“ Gabi sah ihn schief an.
„Wie? Ach so, ja. Ich war nur gerade in Gedanken.“
„Das habe ich gemerkt.“ Sie lächelte. „Und wirst du es machen?“
Er nickte leicht. „Wieso auch nicht?“
Ja, wieso nicht? Das war die Frage. Vielleicht weil er Corinna nicht enttäuschen wollte. Er hatte sein Herz längst an eine andere Frau verloren. Eine, die unerreichbar für ihn war. Es war doch sinnlos deswegen jeder Verabredung aus dem Weg zu gehen, sagte er sich selbst. Ein wenig Ablenkung würde ihn gewiss gut tun, und die junge Maskenbildnerin war eine durchaus reizvolle Frau. Groß, blond mit vereinzelten rötlichen Strähnen, blaugraue Augen, und außerdem eine angenehme Gesprächspartnerin.
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Beitragvon Kitti » 14.05.2007, 14:22:45

Ich liebe diese Story und kenne durch andere Foren schon weitere Teile! Einfach wunderschön geschrieben! Ich hoffe, dass du sie hier auf jeden Fall weiter postest! :D
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Beitragvon Gaefa » 14.05.2007, 14:32:09

Schöne Story! Gefällt mir sehr gut! Super geschrieben, klasse Schreibstil!! Hat Spaß gemacht den Anfang zu lesen und bin schon gespannt wie es weiter geht :)
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Beitragvon Sisi Silberträne » 14.05.2007, 17:16:44

Danke danke :D Hier kommt schon die Fortsetzung :)


Erst nach der Vorstellung hatte Oliver wieder Gelegenheit mit der jungen Maskenbildnerin zu sprechen. Mittlerweile war er wirklich zu der Auffassung gelangt, dass Gabi recht hatte, so wie meistens. Er traf im Gang vor der Garderobe auf Corinna.
„Genau das Mädchen, das ich sehen wollte.“ Er lächelte.
Etwas irritiert legte sie den Kopf schief. „Ja bitte? Was gibt’s denn?“
„Sagte ich nicht vorhin, dass ich mit Tommy Pool spielen wollte?“ Als sie nickte, fuhr er fort. „Ich finde der kann ruhig warten, in letzter Zeit hat er mich eindeutig zu oft besiegt.“ Erneut grinste er. „Hättest du denn zufällig noch Lust irgendwo etwas mit mir trinken zu gehen? Oder ruft dein Bett schon zu laut?“
Jetzt war sie wirklich überrascht, schien gar nicht recht zu wissen was sie davon halten sollte. Doch schließlich nickte sie. „Klar, das fände ich schön.“
Weil sie noch etwas Zeit zum Aufräumen der Schminkutensilien brauchte, und er sich in der Zwischenzeit vorm Bühnentürl von den Fans überfallen ließ, verabredeten sie einen Treffpunkt bei einem der um diese Zeit längst geschlossenen Marktgebäude.

Wie so oft stürzte er sich dann zusammen mit Gabi ins Getümmel. Als sie sich zusammen mit einem jungen Mädchen ablichten ließ, sah er verstohlen zu ihr hinüber. Sie wirkte müde und trotzdem erschien sie ihm hübscher denn je. Er dachte an die ersten Begegnungen mit ihr am Beginn der Probenzeit, damals hatte er nicht gewusst, dass sie verheiratet war. Eines Tages war sie jedoch von Viktor abgeholt worden, und hatte die beiden Männer einander kurz vorgestellt. Für Oliver war das gleich einem Stich ins Herz gewesen. Von diesem Moment an war ihm die Freundschaft mit Gabi umso wertvoller, für nichts auf der Welt wollte er diese gefährden.

Nachdem er sich von ihr verabschiedet hatte, marschierte er nachdenklich über den dunkel und verlassen da liegenden Naschmarkt. Weiter vorne fand er bald das Gebäude, das durch asiatische Symbole als fernöstliches Lebensmittelgeschäft ausgewiesen wurde, und wartete dort wie abgemacht auf Corinna. Es dauerte auch nicht allzu lange, bis sie sichtlich gut gelaunt vor ihm auftauchte.
„Schön, dass du es dir nicht doch noch anders überlegt hast, Oli.“
Daraufhin hob er ein wenig die Augenbraue. „Denkst du denn, ich lass dich hier einfach stehen? Ich bin vielleicht ein Aff, aber kein Arsch.“
Bei dieser Aussage konnte sie sich ein herzliches Lachen nicht verkneifen. „Ja, Affe passt gut.“
„He, du bist aber ganz schön frech“, protestierte Oliver sofort, musste aber ebenfalls grinsen. „Gehen wir, ich habe Durst.“
Die beiden bummelten weiter über den ausgestorbenen Markt, fanden bald eine nett wirkende Bar. Sie tranken Cocktails, redeten und lachten viel. Schließlich verabredeten sie sich auch für das nächste Wochenende. Kommenden Sonntag hatte Oliver spielfrei, er wollte Corinna vom Theater abholen, damit sie anschließend den Schwedenplatz unsicher machen konnten. Dort war viel mehr los.

Beim nächsten Zusammentreffen vor der Vorstellung am Dienstag wurde der junge Mann prompt von seiner Kollegin ausgefragt. ‚Typisch Frau’, dachte er bei sich und beantwortete just um Gabi zu ärgern jede ihrer Fragen so knapp wie es ihm nur möglich war. Das wirkte immer.
Nach kurzer Zeit zog sie tatsächlich die Stirn kraus. „Muss ich dir eigentlich alles aus der Nase ziehen?“ fragte sie vorwurfsvoll.
Er grinste nur wissend. Manches Mal war sie ja so durchschaubar. Ein paar Sachen erzählte er ihr aber dann doch, um sie zufrieden zu stellen, ehe sie beide in die Maske mussten. Und wie es unter guten Freunden üblich war, bekam er jede Menge Tipps zu hören. Von ihr nahm er die zur Abwechslung auch gerne an, denn sie war eine Frau, und wusste daher natürlich besser über das weibliche Geschlecht bescheid als etwa sein bester Kumpel Tommy. Auch wenn der sich bei dem Thema zeitweise für absolut allwissend hielt.

Das Date am Sonntag wurde auch prompt ein voller Erfolg. Oliver und Corinna suchten sich im Bermudadreieck eine nette Bar aus und verbrachten dort dann den Abend hauptsächlich mit reden. Sie sprachen über alles mögliche, es kam jedoch heraus, dass sie doch ein paar Gemeinsamkeiten hatten. Beide mochten sie schwarzen Puschkin, ausgewaschene Jeans und Horrorfilme. Sie unterhielten sich so gut, dass schon die frühen Morgenstunden angebrochen waren, als Oliver Corinna nach Hause brachte. Vor der Haustür nahm er ihre Hand in seine.
„Das war ein schöner Abend“, sagte er mit einem Lächeln.
Sie nickte, wusste wohl zunächst überhaupt nicht, was sie sagen sollte. „Das finde ich auch. Und noch schöner wäre es, wenn es das nicht gewesen wäre...“
Oliver konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass sie etwas anderes hatte sagen wollen, doch da sie nichts hinzu fügte, beließ er es dabei und küsste sie auf die Wange. „Gute Nacht, Corinna. Bis Dienstag im Theater.“
Nachdem sie im Haus verschwunden war, ging er nachdenklich zurück zu seinem Ford Ka zurück. Ja, sie war wirklich ein nettes Mädchen, er mochte sie sogar sehr. Aber ob das auch genug war?

In der kommenden Woche sah er sie jeden Abend im Theater, und sie saßen oft in der Kantine beisammen, redeten, lachten. Ein Umstand, dem Gabi mit Wohlgefallen zusah, ihre Reaktion darauf entging ihm keineswegs. Offenbar hatte sie auf genau so etwas gehofft. Er kam nicht so oft dazu mit ihr länger zu reden, weil er meistens mit Corinna zusammen hing, wenn gerade nichts anders zu tun war. Doch Gabi ließ es, wenn sich Gelegenheit ergab, nicht aus, ihn mit Tipps zu versorgen. Es war sehr offensichtlich, dass sie ihn mit der jungen Maskenbildnerin verkuppeln wollte, und ihm fiel auch nichts ein, das dagegen sprach.

Die zweite Verabredung unterschied sich nicht sehr viel von der ersten, außer dass sie in einer Tanzbar landeten und Corinna es irgendwie schaffte, Oliver zu überreden mit ihr zu der rockigen Musik zu tanzen. Abseits der Bühne gehörte das nämlich weniger zu seinen Lieblingsbeschäftigungen.
Es war wieder sehr spät als Oliver Corinna schließlich vor ihrer Haustür absetzte. Er fragte sich, ob er wohl gerade ein Déjà vu erlebte, vergangene Woche waren sie ebenso schweigend voreinander gestanden.
Dieses Mal ergriff die junge Maskenbildnerin aber die Initiative, sie musterte ihr Gegenüber zögernd. „Hättest du denn noch Lust mit hinauf zu kommen? Wir könnten uns einen Gruselfilm ansehen, oder so…“
Oliver war sich ziemlich sicher, dass sie genau das bereits letztes Mal hatte fragen wollen. Schließlich nickte er. „Hört sich gut an.“
Ein Lächeln erschien auf ihrem Gesicht als sie ins Haus ging und ihm die Tür aufhielt. Er folgte ihr hinauf in den vierten Stock.

Corinnas Wohnung war klein, aber urgemütlich eingerichtet. Man erkannte sehr schnell, dass die junge Frau einen Faible für Vampire hatte, denn an der Wand hing ein großes Poster, das einen solchen Blut saugenden Dämon der Nacht zeigte.
„Setz dich“, sie zeigte auf das bequeme Sofa. „Ich hol uns was zu trinken. Inzwischen kannst du ja schon mal einen Film aussuchen.“
Nachdem sie in der Küche verschwunden war, wandte er sich ihrer Video- und DVD-Sammlung zu. Auf Anhieb fand er ein paar Filme, die er sehr mochte. Schließlich legte er „The Ring“ auf den kleinen Couchtisch.

Nach nicht allzu langer Zeit kam Corinna mit zwei großen Gläsern, die eine auffällig rote Flüssigkeit enthielten, zurück und stellte beide auf den Tisch.
„So, ich präsentiere Corinnas Vampire Special“, grinste sie breit. „Keine Angst, Blut ist da bestimmt nicht drin, nur Grenadine.“
Sie prosteten einander zu und während sie den Film einlegte, trank Oliver den ersten Schluck. Es schmeckte sehr gut, war ein bisschen süß, jedoch nicht zu viel. Erst nach dem halben Glas merkte er, dass es recht stark war. Mittlerweile saß er mit Corinna auf dem Sofa, im Fernsehen lief „The Ring“.
Er merkte, dass sie immer dichter zu ihm rutschte, legte den Arm um sie und zog sie nahe an sich heran. Sie legte daraufhin den Kopf an seine Schulter.

So saßen sie eine ganze Weile da, bis das zweite Glas dieses sogenannten Vampire Specials leer war und Oliver beschloss, dass es Zeit wurde, nach Hause zu fahren. Davon kam er allerdings ganz schnell wieder ab, sobald er aufgestanden war.
„Du meine… woraus besteht dieses Getränk??“ fragte er konfus. „Ins Auto kann ich mich so nicht mehr setzen.“
Sie zuckte mit den Schultern, grinste unschuldig. „Kannst gern hier auf der Couch schlafen, die ist sehr bequem… na ja, denke ich. Eine ganze Nacht darauf geschlafen hab ich noch nie.“
Davon konnte sowieso keine Rede mehr sein, es war ja bereits halb fünf Uhr morgens. Er willigte dankbar ein und sie suchte eine Decke für ihn. Da er gerade nicht hinsah, entging ihm ihr schelmisches Grinsen. Das Stoffbündel, das ihm an den Hinterkopf flog, ließ ihn herum wirbeln. Ehe er sich versah, hatte jeder einen Polster vom Sofa in der Hand. Es war eine interessante Kissenschlacht, in Anbetracht der Nachbarn vor allem eine sehr leise.
Ziemlich schnell hatte er es geschafft Corinna den Polster abzunehmen, warf ihn zurück auf das Sofa.
„Festgenagelt, meine Liebe“, grinste er triumphierend.
Mit ihrer Taktik hatte er jedoch nicht gerechnet. Bevor er begriff, was sie vor hatte, spürte er schon ihre Lippen auf seinen. Seine Überraschung nutzend, stemmte sie sich gegen ihn, sodass er zur Seite kippte.
In dem Moment, in dem sich ihre Blicke trafen, hielten sie inne. Er konnte ihren warmen Atem auf seinem Hals fühlen und er genoss es. Erneut küssten sie einander, doch diesmal anders. Lange und leidenschaftlich.
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Beitragvon Marie Antoinette » 15.05.2007, 19:36:35

Ich kenne die Geschichte zwar auch schon, aber schön, dass du sie jetzt auch hier ins Forum gestellt hast! Und was soll ich sagen - mir gefällt sie total gut, wie deine andere Geschichten auch. Weiter so! :D

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Beitragvon ChristineDaae » 15.05.2007, 20:20:01

Wow... jetzt bin ich auch mal dazu gekommen, das hier zu lesen! Echt tolle Story! :D
Freue dich, wenn es regnet – wenn du dich nicht freust, regnet es auch.
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Beitragvon Sisi Silberträne » 17.05.2007, 01:08:21

Dankeschön :) Im nächsten Teil wirds dann übrigens interessant. Aber erst mal viel Spaß mit diesem ;)


Oliver blinzelte verschlafen. Sonnenstrahlen schienen ihm direkt in die Augen. Er brauchte einige Augenblicke um sich zurecht zu finden. Hatte er nicht auf dem Sofa schlafen wollen, weil er zu viel von Corinnas Vampircocktail getrunken hatte? Worauf er lag, sah aber nicht aus wie eine Couch, sondern viel eher wie ein Bett. Durch das offen stehende Fenster hörte er das laute Krächzen einer vorbei fliegenden Krähe. Das war es, was ihn vorhin geweckt hatte.
Immer noch ziemlich verschlafen stand er auf, um zu sehen, wo Corinna steckte. Nach einem schnellen Blick an sich herunter, hielt er es allerdings zunächst erst einmal für ratsam sich auf die Suche nach seiner Kleidung zu machen. Bloßfüßig, nur in Boxershorts, weil sein Hemd anscheinend das schwarze Loch gefressen hatte, tappte er schließlich in Richtung Küche. Bevor er sie betrat, vernahm er bereits das Klappern von Geschirr.

„Guten Morgen!“ sagte Corinna laut, als er die Tür öffnete und neugierig in den Raum blickte. Sie war ebenfalls bloßfüßig unterwegs, und er wusste nun wo sein Hemd geblieben war – das schwarze Loch hatte einen Namen.
„Du kommst gerade recht, Frühstück ist fertig.“ Sie zeigte auf ein Tablett mit zwei Gläsern Orangensaft, Brot, Käse, Wurst, Marmelade und Obst.
„Ja, dir auch. Gut geschlafen?“ erwiderte er immer noch leicht irritiert. Inzwischen war er wieder wach genug, um zu wissen, was letzte Nacht passiert war. Er hatte zwar zu viel getrunken, um noch Auto zu fahren, aber lange nicht genug, um an Haarwurzelkatarrh zu leiden.
Sie nickte. „Bestens.“
Mitsamt dem Tablett ging sie an ihm vorbei, brachte es ins Wohnzimmer an den Esstisch, der dort neben dem großen Fenster stand.
Das Frühstück war sehr gut, doch etwas fehlte Oliver. Kaffee. Dafür hätte er im Moment so einiges gegeben. Aber Corinna hatte keinen, weil sie ihn nicht mochte. So musste er wohl mit dem Orangensaft vorlieb nehmen.

Auf dem Weg nach Hause war er sehr nachdenklich. Das war alles ziemlich schnell gegangen, zu schnell für seinen Geschmack. Im Moment war er sich nicht einmal sicher, was er eigentlich für Corinna empfand. Liebte er sie genug?
Noch im Auto meldete sich sein Handy, er wartete mit dem Lesen der Kurzmitteilung jedoch bis er am Ziel war. Natürlich stammte sie von Corinna, seine Stimmung hellte sich ein wenig auf, als er die Zeilen las.
Hi Oliver! Bist du gut nach Hause gekommen? Bis heute Abend im Theater, ich freu mich auf dich. Ich liebe dich. Kiss, Corinna.
So etwas hatte ihm schon länger keiner mehr gesagt. Seit fast zwei Jahren nicht mehr, knapp der Zeitraum, den er Gabi kannte. Obwohl er wusste, dass sie unerreichbar für ihn war, war er unterbewusst jeder Beziehung aus dem Weg gegangen. Es wurde jetzt wirklich Zeit für etwas Neues. Lächelnd begann eine Antwort zu tippen.
Hallo Corinna, ja bin in einem Stück nach Haus gekommen. Ich liebe dich auch sehr, Süße! Bis abends, ich freu mich. Love, Oliver.

Im Theater erkannte Gabi schnell an seinem breiten Grinsen, dass etwas vorgefallen war. Er hatte noch nicht ein Wort gesagt, als ihre Augenbraue bereits nach oben wanderte. Bevor er dazu kam, sich dazu zu äußern, legten sich zwei Arme von hinten um ihn. Corinna blies ihm in den Nacken. Er drehte sich zu ihr um und küsste sie zärtlich.
„Was?“ fragte er lächelnd seine Kollegin, die ziemlich irritiert schien. „Bist du jetzt etwa überrascht?“
Nur einen Augenblick später erschien auch auf ihrem Gesicht ein Grinsen. „Also doch! Aber gestern noch so tun als wäre überhaupt nichts, das haben wir gern, du Playgirl.“ Sie zwinkerte Oliver zu. „Ich freu mich jedenfalls sehr für euch beide!“
Von da an, war es ein offenes Geheimnis, dass die zwei ein Paar waren. Innerhalb des Ensembles ließ sich so etwas ohnehin nicht sehr lange verbergen.
Wann immer es ging, steckten sie zusammen, sie waren fast nur noch gemeinsam anzutreffen. Zunächst hatte Oliver nichts dagegen, doch nach knapp einem Monat wurde ihm das fast zu viel, er schätzte ab und zu auch ruhige Minuten, die er allerhöchstens in der Kantine mit einem Becher Kaffee teilte. Genau das sagte er Corinna schließlich, aber anscheinend drückte er sich dabei so ungeschickt aus, dass sie es in den falschen Hals bekam, und just nicht mehr mit ihm redete.

Als er in der Pause mit Gabi, Sebastian, Marco, der den Lucheni spielte und Paula, der Sophie-Darstellerin, in die Kantine kam, war Corinna bereits dort. Alle setzten sich um den Tisch herum, und für ihn blieb der Platz neben seiner Freundin. Er wusste nicht recht was er mit ihr reden sollte, sie hatte schon seit zwei Tagen nicht mehr mit ihm gesprochen.
„Hör mal“, begann er schließlich. „Findest du nicht, dass das ein bisschen kindisch ist? Ich weiß nicht einmal, was ich eigentlich falsch gemacht habe, wenn du nicht mit mir darüber redest.“
Sie wandte sich an Gabi, die den beiden gegenüber saß. „Würdest du ihm bitte mitteilen, dass er sein Hirn anstrengen soll.“
Oliver kniff die Augen zusammen. „Sag ihr, dass ich verdammt noch einmal nicht hellsehen kann.“
„Sag ihm, dass er das auch gar nicht muss, sondern nur nachdenken.“
„Sag ihr, dass ich das doch die ganze Zeit mache.“
„Schluss jetzt!“ Gabi sah zwischen den beiden hin und her. „Ich bin doch nicht euer Sprachrohr. Wenn ihr etwas zu bereden habt, dann bitte ohne mich.“ Sie rutschte demonstrativ mit ihrem Sessel ein Stück nach hinten.
„Sag das…“ startete Oliver einen Protest, doch unterbrach sich, als Corinna aufstand und ging. Gabis fragenden Blick beantwortete er mit einem Schulterzucken.

Nach der Vorstellung, als etwas mehr Zeit zum Unterhalten war, verwickelte die Elisabeth-Darstellerin ihren Kollegen in ein Gespräch. Er erzählte ihr, was vorgefallen war und betonte dabei, dass er sich einfach nicht auskannte.
Sie konnte sich ein kurzes Lachen nicht verkneifen. „Vielleicht hättest du nicht sagen sollen, dass du mehr Zeit für dich brauchst, das kommt selten gut an. Versuch es mal mit deinem anstrengenden Job, bei dem dir die ein oder andere ruhige Minute gut tun würde. Und schenk ihr eine rote Rose, das wirkt fast immer.“
Wieder einmal hatte sie den rettenden Tipp parat. Als er sich Tags darauf so wie sie es ihm geraten hatte bei Corinna entschuldigte, ließ sie tatsächlich mit ihm reden, und verzieh ihm beim Anblick der schönen dunkelroten Rose.
Nun bekam er seine kleinen Pausen tatsächlich zugestanden. Manchmal jedenfalls. Gabi steckte er als Dankeschön eine Schachtel Merci zu, über die sich dann allerdings sämtliche anwesende Darsteller hermachten.
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Beitragvon Gaefa » 17.05.2007, 12:05:10

Wieder ein sehr toller Teil!!! Bin schon gespannt, was als nächstes passiert!!! Vor allem, wenn du schon sagst, dass es interessant wird!
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Beitragvon ChristineDaae » 17.05.2007, 12:15:41

Super! :D

*g* Ja, stimmt sogar, dass rote Rosen immer gut ankommen... Obwohl ich mich über ne Schachtel merci noch mehr freuen würde :wink:
Freue dich, wenn es regnet – wenn du dich nicht freust, regnet es auch.
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Beitragvon Marie Antoinette » 17.05.2007, 12:25:06

ChristineDaae hat geschrieben:Obwohl ich mich über ne Schachtel merci noch mehr freuen würde :wink:


Ich auch :wink: Wirklich wieder ein schöner Teil! :D

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Beitragvon Kitti » 17.05.2007, 13:29:37

Ich würd mich über die Rose mehr freuen... :wink:

Die Story ist sehr schön und toll geschrieben! Bin sehr gespannt, was du dir noch einfallen lassen wirst. :wink:
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Beitragvon Sisi Silberträne » 18.05.2007, 12:44:07

Viiielen Dank für eure Kommis *freu* Hmm... wenn Merci und all das nicht dick machen täte :roll: So, jetzt wird es interessant...


Langsam näherte sich der Winter. Es wurde kühl und der Wind riss nach und nach die bunt verfärbten Blätter von den Bäumen. Im November fiel der erste Schnee, es war aber noch zu warm, sodass die Flocken schmolzen sobald sie die Erde berührten.
Oliver war glücklich mit Corinna. Sie konnte zwar recht anstrengend sein, und bestimmt sagte sie von ihm das Gleiche. Jetzt dachte er zumindest seltener an Gabi. Er schätzte sie als eine wertvolle Freundin, nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Es war wieder ein Sonntag, an dem er die linke Wienzeile entlang zum Theater ging. Wenn alles geschlossen hatte, lohnte es sich nicht, über den Markt zu bummeln. Als er das Theater erreichte, fuhr ein ihm bekanntes Auto an ihm vorbei. Viktor spielte also wieder einmal Chauffeur für seine Frau Gemahlin. Hinter dem Fenster der Rückbank entdeckte er das rosige Kindergesicht der kleinen dreijährigen Sophie, die das schöne braune Haar ihrer Mutter geerbt hatte.

Viktor blieb stehen um Gabi aussteigen zu lassen, und Oliver wartete ein Stück weit entfernt auf sie. Nachdem sie sich liebevoll von Ehemann und Tochter verabschiedet hatte, kam sie sichtlich gut gelaunt zu ihm herüber.
„Hallo Oliver. Na, so ganz ohne Corinna heute?“
Er nickte. „Ja, die hat doch das Wochenende frei und ist bei ihren Eltern. Ihr Vater hat Geburtstag.“ Interessiert musterte er Gabi von der Seite her. „Sophie ist aber groß geworden. Ist auch schon ein Weilchen her, dass ich sie das letzte Mal gesehen habe.“
„Sie wächst wirklich schnell, und jeden Tag wird sie frecher“, antwortete seine Kollegin lächelnd. „Vielleicht bekommt sie bald ein Geschwisterchen.“
Oliver sah abrupt auf. „He, bist du etwa…?“
Bei seinem Blick konnte sie sich vor Lachen kaum halten. „Nein, aber Vic und ich haben dieser Tage darüber gesprochen, und eigentlich sind wir dem Gedanken gar nicht abgeneigt.“
Weil sie sich den vorm Bühnentürl wartenden Fans näherten, zogen sie es vor das Thema rasch zu wechseln. Bekanntermaßen entstanden Gerüchte sehr viel schneller als man sie wieder los wurde.

Die Vorstellung verlief wie immer, sah man von einer kleinen Panne ab. Bei der Maladie warf Gabi die Kette so unglücklich, dass Oliver sie genau auf den Kopf bekam. Zur Erheiterung des Publikums und auch der Elisabeth-Darstellerin trug sein ziemlich dummes Gesicht bei, aber er selbst fand das im Augenblick weniger witzig. Nach dem Ende der Show blieben natürlich Kommentare der Kollegen nicht aus.
„Vielleicht solltest du dich in einem Baseball-Verein einschreiben“, schlug Sebastian breit grinsend vor. „Da lernt man fangen.“
„Na, weniger träumen würde schon reichen“, kommentierte Gabi.
Oliver streckte ihr daraufhin die Zunge heraus. „Wie wär’s mit besser zielen?“
Alle drei mussten sie lachen und fingen sich erst, als eine uniformierte Polizistin mit ernstem Gesicht auf sie zukam. Sie wandte sich gleich an die Holländerin. „Gabrielle Vandereen? Ich muss dringend mit Ihnen sprechen.“ Mit einer flüssigen Bewegung zeigte sie ihren Polizei-Ausweis.
Die dunkelhaarige Frau nickte. „In Ordnung. Dann bis morgen, Jungs. Gute Nacht wünsch ich.“
Etwas verwundert verabschiedeten sich die beiden Herren ebenfalls und warfen sich ins Getümmel vorm Bühnentürl, während ihre Kollegin noch im Theater verweilte. Oliver fragte sich, was die Polizistin wohl von Gabi wollen könnte.

Viel später saß der junge Sänger zuhause auf seinem gemütlichen Sofa mit dem Laptop vor sich, einem Apfelsaft gespritzt in der einen Hand, und die Maus in der anderen. Mäßig interessiert ging er seine Mails durch, von denen das meiste sowieso unbrauchbar war. Sein Kumpel Tommy hatte ihm wieder einmal eine ziemlich unanständige Bildschirmpräsentation geschickt, durch die er sich mit einem Kopfschütteln rasch klickte.
Ein Klingeln an der Tür ließ ihn abrupt aufsehen. Es war schon nach Mitternacht, wer zum Teufel wollte zu so einer unmöglichen Zeit etwas von ihm? Seufzend stand er auf, um das zu überprüfen. Durch das Guckloch erkannte er Gabi und öffnete daraufhin nicht wenig überrascht.

Als sie voreinander standen, merkte er sofort, dass etwas vorgefallen sein musste. Sie schien unter Schock zu stehen, war aschfahl im Gesicht und ihre Augen waren gerötet, offensichtlich hatte sie geweint. Nach einem Moment der Irritation erinnerte ihn ein kühler Lufthauch daran, wie ungemütlich es auf dem Gang war, und er machte einen Schritt zur Seite, damit sie den kleinen Vorraum betreten konnte.
„Komm rein“, forderte er sie freundlich auf. „Was ist denn bloß passiert?“
Sie hob den Kopf, sah Oliver traurig an. „Viktor... er hatte einen Autounfall.“ Ihre Stimme war kaum mehr als ein zittriges Flüstern.
„Nein...“ murmelte der junge Mann erschrocken. „Ist er schwer verletzt?“ Er ahnte Schlimmes, so aufgelöst und verstört wie sie war.
„Er... tot...“ stammelte Gabi, der Rest des Satzes ging in einem Schluchzen unter.
Oliver war so betroffen, dass ihm die Sprache fehlte. Vorsichtig schloss er seine Kollegin in die Arme, hielt sie tröstend fest. Sie schmiegte sich an seinen warmen Körper und weinte leise in seine Brust. Lange standen sie nur so da.

Nachdem sie sich endlich wieder ein wenig gefasst hatte, nahm er sie bei der Hand und ging mit ihr ins Wohnzimmer. Sie ließ sich aufs Sofa fallen, zog die Beine an und schlang die Arme um die Knie. Rasch machte er für sie eine Tasse Tee, die sie kurz darauf mit zitternden Händen fest hielt. Er setzte sich neben sie.
„Danke…“ sagte sie vollkommen kraftlos.
Oliver machte eine wegwerfende Handbewegung. „Willst du darüber sprechen?“ Seine Frage war vorsichtig gestellt, wenn sie verneinte, würde er auch nicht weiter bohren. Doch sie nickte schließlich kaum merklich.
„Er hatte Sophie zu Marianne, zu seiner Mutter gebracht, sie schläft fast jeden Sonntag auf Montag bei ihr… Auf dem Rückweg, da ist ihm… ihm einer rein gefahren. Auf der Fahrerseite… Sophies Kindersitz ist dahinter, wenn sie mit im Wagen gesessen wäre…“ Sie schluchzte.
„Shhh… denk an so etwas gar nicht. Es geht ihr gut.“ Er strich ihr tröstend über den Rücken.
„Der andere Fahrer…“ fuhr sie stockend fort. „Er war betrunken, und ist nur leicht verletzt. Aber Viktor…“ Ihr versagte die Stimme, Tränen rannen ihre Wangen hinab.
Er legte erneut die Arme um sie, spürte wie sie sich Hilfe suchend an ihn klammerte. Es tat ihm weh zu sehen, wie schlecht es ihr ging. In dem sympathischen Wiener hatte sie die Liebe ihres Lebens gefunden und nun war er einfach weg, für immer. Was jetzt in ihr vorging, konnte er nicht einmal ansatzweise erahnen.

Nach kurzer Zeit sah Gabi ihn wieder an. „Vorhin war ich bei Marianne, ich musste es ihr ja sagen… Sophie hat schon geschlafen, wenigstens hat sie noch eine ruhige Nacht, bevor sie es erfährt… Ich weiß gar nicht, wie ich ihr das bloß beibringen soll, sie ist doch noch so klein…“
Darauf konnte ihr Oliver allerdings keinen Rat geben, er hatte nicht besonders viel Ahnung von Kindern.
„Morgen muss ich ihn identifizieren“, sagte sie leise. „Ich schaffe das nicht… nicht allein… Würdest du… würdest du mich begleiten?“
„Selbstverständlich, wenn dir das hilft.“
Diese Antwort erleichterte sie sichtlich. „Danke. Du bist ein Goldstück.“ Sie stellte die leere Teetasse zur Seite. „Ich sollte wohl langsam gehen und dich nicht länger stören. Du bist sicher müde…“
Oliver zog die Stirn kraus. „Jetzt willst du noch in Wien herum fahren? Die Öffis sind längst nicht mehr unterwegs…“ Gabi stand immer noch komplett neben sich, ihm war nicht wohl bei dem Gedanken, sie allein gehen zu lassen. „Du kannst hier schlafen, wenn du willst. Ich muss dir nur schnell das Bett herrichten, keine Sache.“
Seine Stimme war sanft, aber nachdrücklich genug, um ihr zu signalisieren, dass er keinen Widerspruch duldete. Dafür hätte sie aber ohnehin nicht mehr die Kraft gehabt. In ihren Augen lag ein Ausdruck der emotionalen Leere.
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Beitragvon Gaefa » 18.05.2007, 14:41:15

Schlimm.... ein echt schlimmer Schicksalsschlag!!! Sehr dramatisch geschrieben und der Teil ist super traurig! Ich bin gespannt, wie du alles weiter gehen lässt...
~*Niemand nimmt mir meine Träume und schließt meine Sehnsucht ein, wo es Liebe gab und Freiheit wird mein Herz für immer sein*~

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Beitragvon ChristineDaae » 18.05.2007, 14:57:42

Super geschrieben! Ich musste fast selbst weinen... *schnief*
Arme Gabi!
Bitte mach schnell weiter! :)
Freue dich, wenn es regnet – wenn du dich nicht freust, regnet es auch.
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Beitragvon Kitti » 18.05.2007, 15:52:34

*schnief* *schnief* Aber toll geschrieben, wirklich super!
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Beitragvon Sisi Silberträne » 19.05.2007, 20:23:51

Danke euch :) Tjoa, bin halt eine Drama-Queen. Hier kommt die Fortsetzung, schneller als man denkt *gg*


Die Nacht auf dem für ihn eigentlich zu kleinen Sofa bescherte Oliver beim Aufwachen am nächsten Morgen ordentlich Nackenschmerzen. Schwerfällig und sich das Genick reibend stand er auf. Durch die einen Spalt breit offen stehende Schlafzimmertür konnte er unter der Bettdecke Gabis schlafende Gestalt sehen. Wenigstens ein bisschen Ruhe hatte sie wohl gefunden.
Leise wandte er sich ab und ging in die Küche, oder viel mehr in die Kochecke, die eigentlich ein Teil des großen Wohnzimmers war, um Kaffee aufzusetzen, sowie Frühstück herzurichten. Der herbe Duft des Getränks verbreitete sich in Windeseile in der gesamten Wohnung.

Als er fertig war und das Essen auf den Tisch gestellt hatte, weckte er Gabi. Ein gar nicht so einfaches Unterfangen, doch er war hartnäckig genug, sodass sie schließlich unwillig blinzelte.
„Mhm… fünf Minuten noch, Viktor…“ brummte sie. Keine zwei Sekunden später war sie hellwach, sah Oliver mit großen Augen an. „Bitte sag mir, dass ich nur geträumt habe…“
Darauf konnte er jedoch nur den Kopf schütteln, das war ein Gefallen, den er ihr nicht zu tun vermochte, egal wie sehr er es sich wünschte. „Ich hoffe du hast trotz allem ein bisschen schlafen können. Frühstück ist fertig.“

Sie brauchte nicht lange um sich fertig zu machen. Währenddessen wartete Oliver im Wohnzimmer beim Tisch, er hing seinen Gedanken nach und sah erst auf, als sie ins Zimmer tappte. So einladend die Auswahl war, Gabi knabberte nur lustlos an einer Scheibe Schwarzbrot mit etwas Kräuteraufstrich. Und selbst die legte sie nach ein paar kleinen Bissen weg.
„Komm schon, ein bisschen etwas musst du doch essen“, versuchte er sie zu ermuntern. „Gestern Abend hattest du bestimmt nichts.“
„Ich hab keinen Hunger.“ Mit trübem Blick fixierte sie die Wand hinter ihrem Kollegen. Dieser gab zwar noch nicht auf, doch dieses Mal hatte er keinen Erfolg, so sehr er sich auch bemühte.

Die Fahrt zur Gerichtsmedizin verlief schweigend. Gabi starrte auf einen nicht vorhandenen Punkt an der Windschutzscheibe, sagte die ganze Zeit über nicht ein Wort. Das Wetter passte zur Stimmung, der Himmel war grau und wolkenverhangen, wahrscheinlich würden die ersten Regentropfen nicht sehr lange auf sich warten lassen. Ihr Ziel lag in der Stadt, es war eines der großen, alten und sehr schön anzusehenden Gebäude, die sich schon in der Kaiserzeit hier befunden hatten.
Das Innere war jedoch umso moderner, krankenhausähnlich, alles war in hellen Farben gehalten, metallisch, befliest und steril. Die beiden erkundigten sich im Eingangsbereich nach dem Weg. Mit jedem Schritt wurde Gabi steifer, am liebsten hätte sie sich umgedreht und wäre davon gelaufen.
Bald standen sie im Gang vor dem großen Raum, in dem sich die Toten befanden, ehe sie zur Bestattung freigegeben und weggebracht wurden. Der zuständige Gerichtsmediziner, ein älterer gemütlich aussehender Herr mit silbergrauem Haar und Schnauzer, nahm die zwei sofort in Empfang.
Gabi zitterte am ganzen Körper und Oliver konnte nicht mehr tun als ihre Hand drücken. Mit hinein durfte er nicht. „Du schaffst das, in Gedanken bin ich bei dir“, sagte er leise. Sie nickte ihm dankbar zu, folgte dann dem Gerichtsmediziner.

Bis sie wieder hinaus kam, vergingen allerhöchstens zehn Minuten, doch Oliver schien es wie Stunden. Sie blieb vor ihm stehen ohne ein Wort zu verlieren. Stumme Tränen rannen ihre farblosen Wangen hinab. Erneut nahm er sie bei der Hand und sie verließen das bedrückende Gebäude so schnell wie möglich.
Erst draußen im Freien löste sie sich ein wenig aus ihrer mechanischen Starre. Mittlerweile hatte es zu regnen begonnen, doch sie schien die unangenehm kalten Tropfen gar nicht zu bemerken.
„Ich war so dumm noch zu hoffen, dass er es nicht ist…“ murmelte sie kaum hörbar. „Sein Gesicht… es war friedlich und ruhig… so als schliefe er nur. Aber er wird nicht mehr aufwachen... nie mehr...“ Sie stand so neben sich, dass sie kaum einen zusammenhängenden Satz heraus brachte.
Oliver mochte sich gar nicht ausmalen, wie es sein musste, den Menschen, den man von ganzem Herzen liebte, leblos und totenbleich vor sich zu sehen. Das war eine Erfahrung, die er nie in seinem Leben machen wollte. Niemals.
Beim nächsten Starbucks besorgten sie sich jeder einer großen Becher Kaffee, das heiße Getränk belebte ihre Sinne wieder etwas. Gabi war immer noch nicht in der Lage eine Unterhaltung zu führen, sie schwieg, hing ihren Gedanken nach.

Rechtzeitig am frühen Nachmittag setzte Oliver seine Kollegin vor Sophies Kindergarten ab. Ehe sie aus dem Auto stieg, nahm sie seine Hand in ihre, bedachte ihn mit einem kaum merklichen Lächeln.
„Danke, dass du mich begleitet hast… danke. Ohne dich wäre ich dort wahrscheinlich zusammen geklappt…“
„Das war doch selbstverständlich. Vergiss bitte nicht, du kannst immer zu mir kommen, wenn du ein Ohr zum Zuhören brauchst, oder eine Schulter zum Ausweinen.“ Ehe sie ausstieg, umarmte er sie freundschaftlich, um ihr zu signalisieren, dass seine Worte ernst gemeint waren. Er wartete noch, bis sie im Gebäude verschwunden war, dann fuhr er los.

Erst als er fast zu Hause war, kam er auf die Idee sein Handy einzuschalten. Eine Kurzmitteilung meldete ihm sechs verpasste Anrufe. Er sah gerade noch, dass alle von Corinna stammten, bevor das Telefon losklingelte. Hätte er es nicht besser gewusst, konnte er schwören, dass es verärgert klang.
„Hallo Süße“, begann er vorsichtig nach dem Abheben, etwas Besseres fiel ihm derzeit nicht ein.
„Na endlich!“ Sie war in der Tat sauer. „Wo steckst du, wenn ich fragen darf? Wir hatten ausgemacht, dass ich zu dir komme und Frühstück mitbringe, hast du das vergessen? Und warum ist dein Handy abgeschaltet gewesen??“
Er seufzte unhörbar, die Sache war ihm unangenehm. „Ja, ich hab’s vergessen, tut mir wahnsinnig leid. Ich komme heute Abend vorbei, und dann erkläre ich es dir, ja? Bitte sei nicht böse.“
„Nicht böse?? Ich habe sechs Mal versucht dich anzurufen. Hoffentlich hast du eine wirklich gute Entschuldigung. Wir sehen uns.“
Ehe er noch etwas sagen konnte, hatte sie aufgelegt. Ein weiteres Seufzen entkam ihm. Das war wirklich ein ziemlich bescheidenes Wochenende gewesen. Hoffentlich war ihre Wut halbwegs verraucht, bis sie sich später gegenüber standen.

Das Telefongespräch mit Corinna stimmte den jungen Mann noch nachdenklicher, als er es ohnehin schon gewesen wäre. Im Supermarkt rannte er, weil er nicht aufpasste, eine Verkäuferin über den Haufen. Die griesgrämig dreinschauende ältere Dame ließ sobald er ums nächste Eck war, eine Schimpftirade auf ihn los, die sich gewaschen hatte. Offenbar nahm sie an, er hörte sie nicht mehr. Er kam nicht umhin amüsiert zu grinsen, so hatte die Begegnung mit der Zwiderwurzn doch noch etwas Gutes.
Nachdem er seine Einkäufe daheim verstaut hatte, zog er sich rasch um und fuhr zum Reitstall, wo sein Pferd stand. Auf dem Hof winkte ihm eine Vierzehnjährige zu, die gerade damit beschäftigt war ein geschecktes Pony zu striegeln. Manchmal, aber nur manchmal fühlte sich Oliver etwas fehl am Platz. Die meisten Erwachsenen, die hier ihre Pferde stehen hatten, kamen erst am späten Nachmittag oder Abend, da war er schon längst wieder weg.
In der Stallgasse wurde er von einem freudigen Schnauben begrüßt. Sein Wallach Marokko streckte neugierig den Kopf aus der Box.
„Hallo mein Dicker“, er strich dem Pferd über die weichen Nüstern, ehe er die Box betrat. Marokko war ein mittelgroßer kräftig gebauter Brauner, der in seiner Ahnenlinie unter anderem ein Kaltblut haben musste. Er war an drei Beinen weiß gestiefelt und hatte ein unregelmäßiges sichelförmiges Abzeichen auf der Stirn.

Kurze Zeit später ritt Oliver mit Marokko vom Hof. Der Reitstall hatte den Vorteil am Rand des Wienerwalds zu liegen, so gab es jede Menge herrliches Gelände zum Ausreiten. Im flotten Trab ging es einen breiten Reitweg entlang. Der Wallach freute sich sichtlich Bewegung zu bekommen, aber er spürte ganz genau, dass sein Reiter nicht ganz bei der Sache war, und wusste das auch als es endlich an den Galopp ging mit jeder Menge Bocksprünge auszukosten.
Nach etwa eineinhalb Stunden waren die beiden wieder zurück beim Stall und Oliver hatte tatsächlich aufgehört zu grübeln. Er versorgte den Wallach, mistete die Box und fütterte ihn. Dann wurde es allerhöchste Zeit zu fahren, schließlich konnte er nicht zu Corinna ohne vorher zu duschen und sich etwas anderes anzuziehen. Seine Freundin fand den Pferdegeruch sicher nicht so großartig.
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Beitragvon Gaefa » 19.05.2007, 20:48:26

Wieder sehr gelungen!!!
Tolle Fortsetzung! Macht ihn sehr symphatisch, dass er reitet *g* Kann verstehen, dass man dann alle Grübeleien vergisst!!!
Gabi tut mir richtig leid!!!
Bin schon gesapannt wies weiter geht!!!
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Beitragvon Kitti » 20.05.2007, 12:12:04

Kann Gaefa nur zustimmen, TOLL! :D Ich finde es super, dass du Oliver ausreiten lässt... Ich muss mir das immer verkneifen, es in jeder meiner Stories einzubauen. ;)
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Beitragvon ChristineDaae » 20.05.2007, 18:22:14

Den beiden schließ ich mich nur an... :D
Freue dich, wenn es regnet – wenn du dich nicht freust, regnet es auch.
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Beitragvon Sisi Silberträne » 25.05.2007, 00:40:59

Dankedanke! :)
Kitti> joa, das mit dem Reiten, das wird noch eine Rolle spielen...
Und weiter gehts!



Auf dem Weg machte er bei einer ihm bekannten sehr guten Pizzeria Halt und nahm zwei große Pizzen zum Abendessen mit. Für Corinna Hawaii, weil er ja wusste, dass sie die besonders mochte und für sich Diavolo mit reichlich grünen Pfefferoni. Sie öffnete ihm kurz darauf mit äußerst säuerlicher Miene die Tür. Ihr Magen knurrte in Anbetracht des Essensgeruchs allerdings vernehmlich. Wortlos ging sie ins Wohnzimmer und Oliver folgte ihr. Dass er an ihre Lieblingspizza gedacht hatte, schien sie dann doch ein wenig versöhnlicher zu stimmen.

„Hm... hör mal...“ Die Erklärung selbst lag Oliver zwar auf der Zunge, er hatte nur keine Ahnung wie er jetzt beginnen sollte.
Corinnas einzige Reaktion bestand im Heben der Augenbraue. „Da ich nicht mit Taubheit geschlagen bin, höre ich dich sehr gut“, sagte sie spitz.
Er seufzte. „Es ist mir schon klar, dass ich dir gegenüber einen Fehler gemacht hab, und das tut mir auch leid. Ich habe einfach nicht mehr daran gedacht, dass du kommen wolltest, es kam etwas dazwischen.“ Weil sie beharrlich schwieg, fuhr er fort. „Gestern spät abends stand plötzlich Gabi vor der Tür. Sie war ganz aufgelöst, Viktor ist bei einem Autounfall ums Leben gekommen.“
Bei diesen Worten zeichnete sich eine undeutbare Reaktion in Corinnas Gesicht ab, sie sagte jedoch nichts, sondern ließ Oliver weiter sprechen.
„Ich hab sie bei mir übernachten lassen, so spät und vor allem in dem Zustand konnte ich sie ja schlecht durch halb Wien fahren lassen. Und ich habe ihr versprochen sie heute Vormittag auf die Gerichtsmedizin zu begleiten, sie musste dort die Leiche ihres Mannes identifizieren! Deshalb war ich nicht zu Hause und hatte das Handy abgeschaltet. Ich hoffe du verzeihst mir.“
„Viktor ist tot?“ fragte Corinna ungläubig, sie schien nicht recht zu wissen was sie von dem gerade Gehörten halten sollte. „Und du erzählt mir da jetzt wirklich keinen Mist?“
„Glaubst du ich denk mir so etwas aus?“ Erschüttert zog Oliver sein Mobiltelefon aus der Tasche. „Da, ruf sie an und frag sie.“
Das genügte ihr offenbar, sie sah nicht länger wütend aus, sondern sehr betroffen. „Ist schon gut, ich glaub’s dir ja. Und Entschuldigung angenommen. Gabi kann froh sein einen guten Freund wie dich zu haben.“

Der junge Mann war sehr erleichtert über diese Worte. Corinnas starres Schweigen hatte ihm noch weniger behagt, als wenn sie ihn mit Vorwürfen bombardiert hätte. Eine Zeit lang sagte keiner etwas, nur die leise Musik von der Stereoanlage her und das Kauen zweier Münder an Pizzastücken waren zu hören. Beide waren gleichermaßen in Gedanken vertieft.
Erst als die Kartons leer waren, unterbrach Corinna die Stille. „Hmm… das war gut. Ich sorge für den Nachtisch.“ Sie verschwand mit den Verpackungen in der Küche, und kehrte nach ein paar Minuten mit zwei Bechern Vanille- und Haselnusseis zurück. Die gefrorene Köstlichkeit war, von Edelbitterschokolade abgesehen, so ziemlich das einzige, was sie an Süßspeisen gerne aß.
Im Gegensatz dazu mochte Oliver Süßes und Mehlspeisen sehr. Am liebsten hatte er typisch Österreichisches, wie Kaiserschmarrn, Schlosserbuben und Buchteln mit Vanillesoße. Aber auch dem Eis war er nicht abgeneigt.

Zwar gab es keinen von Corinnas berüchtigten Vampire Special Cocktails, weil nicht alle Zutaten vorhanden waren, doch die junge Frau wusste ihren Freund auch anders abzulenken. Oliver stieg auf das Spiel ein, ließ sich gerne von ihr zärtlich verführen. Er war dankbar dafür endlich auf andere Gedanken zu kommen. Ihm war wieder bewusst geworden, wie zerbrechlich das Glück sein konnte. Ein Grund es in vollen Zügen zu genießen, so lange es währte.
Trotzdem endete der Abend früher als ihnen beiden lieb war. Am nächsten Abend mussten sie ausgeruht im Theater sein und tagsüber gab es auch eine Reihe von Dingen zu erledigen. Kurz nach Mitternacht fiel Oliver schließlich vollkommen erledigt in sein Bett und schlief wie ein Stein.

Der folgende Tag war so trüb wie Olivers Stimmung. Corinna hatte ihn bereits in der Früh eine SMS geschickt, doch von Gabi hatte er nichts gehört. Er hoffte, dass es ihr halbwegs gut ging. Eigentlich sollte sie in der kommenden Vorstellung spielen, aber er rechnete damit, dass sie sich Urlaub genommen hatte, weil die kleine Sophie ihre Mutter jetzt sicher besonders brauchte.
Auch heute stromerte der junge Wiener auf dem Rücken seines Wallachs durch die Wälder. Er mochte es, wenn ihm im vollen Galopp der Wind ins Gesicht und durch die Haare blies. Das war ein Gefühl der Freiheit, vielleicht so wie es manch andere in schnellen Autos hatten, nur viel besser. Bei einem Pferd handelte es sich schließlich um ein Lebewesen und kein seelenloses Ding. Marokko war sein Freund. Natürlich nicht so wie sein Kumpel Tommy, mit dem er Bier trank, Pool spielte, und darum wettete, wer erfolgreicher das nächste hübsche Mädchen anbraten konnte. Das Zusammensein mit dem Wallach gab ihm Ruhe, wenn er aufgewühlt war.

Am Abend erschien Oliver sehr früh im Theater, und als erstes besorgte er sich ein großes Heferl Kaffee. Obwohl er genug geschlafen hatte, fühlte er sich ein wenig müde. Als er sich anschickte sich zu den Garderoben zu begeben, warf sich ihm von hinten ein Gewicht so heftig um den Hals, dass er vor Schreck fast seinen Kaffee fallen ließ.
„Oh, sorry“, grinste Corinna unschuldiger, als man ihr glauben konnte. Wenn sie so drein sah, konnte ihr keiner böse sein. Am allerwenigsten er. So stellte er das Heferl zur Seite, zog sie in seine Arme und küsste sie.
Allerdings wurde gleich darauf ein leises Hüsteln hörbar. Hinter den beiden stand Paula, ebenfalls mit einem heißen Getränk bewaffnet und einem Grinsen im Gesicht. „So süß ihr anzusehen seid, es gibt Leute, die hier durch müssen.“
Beide wurden rot und machten eilig den Durchgang frei. Olivers Aufmerksam wurde jedoch bereits wieder von etwas anderem in Beschlag genommen. Oder von jemandem. Am anderen Ende des kurzen Ganges war Gabi gerade um die Ecke gekommen. Sie sah immer noch sehr blass und krank aus.

Corinna bemerkte sie erst als sie die beiden fast erreicht hatte, und sie bedachte die Sängerin mit einem aufmunternden Lächeln. Sie grüßten einander, doch das sonst immer darauf folgende recht freundschaftliche Gespräch blieb aus. Keiner wusste etwas zu sagen. Gabi erkannte an Corinnas Blick, dass sie von ihrem Freund erfahren hatte, was geschehen war.
„Wie geht es dir denn inzwischen?“ fragte Oliver unvermittelt, um das drückende Schweigen zu beenden. „Und wie hat die Kleine das Ganze aufgenommen?“
Die Holländerin zuckte mit den Schultern. „Ich fühle mich leer…“ Ihre Augen fixierten für einen Moment einen nicht vorhandenen Punkt an der Wand. „Sophie begreift noch nicht, was es mit dem Tod wirklich auf sich hat. Ich mache mir Sorgen darüber, wie sie reagiert, wenn sie erkennt, dass ihr Papa gar nicht mehr wieder kommt. Heute Abend habe ich sie bei Marianne gelassen, das tut beiden gut.“
„Ich habe ja nicht damit gerechnet, dass du die Vorstellung spielst…“
„Zuerst wollte ich auch zu Hause bei Sophie bleiben, aber damit würde ich ihr im Grunde keinen Gefallen tun. Es ist am besten, wenn der Alltag möglichst so wie bisher weiter geht und nicht alles was sie kennt durcheinander gerät.“
Das verstand er. Gerne hätte er sich noch länger mit ihr unterhalten, doch sie mussten sich beide für ihre ersten Auftritte fertig machen. Auf der Bühne merkte man Gabi nicht an, wie dreckig es ihr ging. Sie irrte sich lediglich zwei Mal bei ihrem Text, weil sie nicht richtig bei der Sache war.
Zuletzt geändert von Sisi Silberträne am 30.05.2007, 16:15:40, insgesamt 1-mal geändert.
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