Danke danke Hier kommt schon die Fortsetzung
Erst nach der Vorstellung hatte Oliver wieder Gelegenheit mit der jungen Maskenbildnerin zu sprechen. Mittlerweile war er wirklich zu der Auffassung gelangt, dass Gabi recht hatte, so wie meistens. Er traf im Gang vor der Garderobe auf Corinna.
„Genau das Mädchen, das ich sehen wollte.“ Er lächelte.
Etwas irritiert legte sie den Kopf schief. „Ja bitte? Was gibt’s denn?“
„Sagte ich nicht vorhin, dass ich mit Tommy Pool spielen wollte?“ Als sie nickte, fuhr er fort. „Ich finde der kann ruhig warten, in letzter Zeit hat er mich eindeutig zu oft besiegt.“ Erneut grinste er. „Hättest du denn zufällig noch Lust irgendwo etwas mit mir trinken zu gehen? Oder ruft dein Bett schon zu laut?“
Jetzt war sie wirklich überrascht, schien gar nicht recht zu wissen was sie davon halten sollte. Doch schließlich nickte sie. „Klar, das fände ich schön.“
Weil sie noch etwas Zeit zum Aufräumen der Schminkutensilien brauchte, und er sich in der Zwischenzeit vorm Bühnentürl von den Fans überfallen ließ, verabredeten sie einen Treffpunkt bei einem der um diese Zeit längst geschlossenen Marktgebäude.
Wie so oft stürzte er sich dann zusammen mit Gabi ins Getümmel. Als sie sich zusammen mit einem jungen Mädchen ablichten ließ, sah er verstohlen zu ihr hinüber. Sie wirkte müde und trotzdem erschien sie ihm hübscher denn je. Er dachte an die ersten Begegnungen mit ihr am Beginn der Probenzeit, damals hatte er nicht gewusst, dass sie verheiratet war. Eines Tages war sie jedoch von Viktor abgeholt worden, und hatte die beiden Männer einander kurz vorgestellt. Für Oliver war das gleich einem Stich ins Herz gewesen. Von diesem Moment an war ihm die Freundschaft mit Gabi umso wertvoller, für nichts auf der Welt wollte er diese gefährden.
Nachdem er sich von ihr verabschiedet hatte, marschierte er nachdenklich über den dunkel und verlassen da liegenden Naschmarkt. Weiter vorne fand er bald das Gebäude, das durch asiatische Symbole als fernöstliches Lebensmittelgeschäft ausgewiesen wurde, und wartete dort wie abgemacht auf Corinna. Es dauerte auch nicht allzu lange, bis sie sichtlich gut gelaunt vor ihm auftauchte.
„Schön, dass du es dir nicht doch noch anders überlegt hast, Oli.“
Daraufhin hob er ein wenig die Augenbraue. „Denkst du denn, ich lass dich hier einfach stehen? Ich bin vielleicht ein Aff, aber kein Arsch.“
Bei dieser Aussage konnte sie sich ein herzliches Lachen nicht verkneifen. „Ja, Affe passt gut.“
„He, du bist aber ganz schön frech“, protestierte Oliver sofort, musste aber ebenfalls grinsen. „Gehen wir, ich habe Durst.“
Die beiden bummelten weiter über den ausgestorbenen Markt, fanden bald eine nett wirkende Bar. Sie tranken Cocktails, redeten und lachten viel. Schließlich verabredeten sie sich auch für das nächste Wochenende. Kommenden Sonntag hatte Oliver spielfrei, er wollte Corinna vom Theater abholen, damit sie anschließend den Schwedenplatz unsicher machen konnten. Dort war viel mehr los.
Beim nächsten Zusammentreffen vor der Vorstellung am Dienstag wurde der junge Mann prompt von seiner Kollegin ausgefragt. ‚Typisch Frau’, dachte er bei sich und beantwortete just um Gabi zu ärgern jede ihrer Fragen so knapp wie es ihm nur möglich war. Das wirkte immer.
Nach kurzer Zeit zog sie tatsächlich die Stirn kraus. „Muss ich dir eigentlich alles aus der Nase ziehen?“ fragte sie vorwurfsvoll.
Er grinste nur wissend. Manches Mal war sie ja so durchschaubar. Ein paar Sachen erzählte er ihr aber dann doch, um sie zufrieden zu stellen, ehe sie beide in die Maske mussten. Und wie es unter guten Freunden üblich war, bekam er jede Menge Tipps zu hören. Von ihr nahm er die zur Abwechslung auch gerne an, denn sie war eine Frau, und wusste daher natürlich besser über das weibliche Geschlecht bescheid als etwa sein bester Kumpel Tommy. Auch wenn der sich bei dem Thema zeitweise für absolut allwissend hielt.
Das Date am Sonntag wurde auch prompt ein voller Erfolg. Oliver und Corinna suchten sich im Bermudadreieck eine nette Bar aus und verbrachten dort dann den Abend hauptsächlich mit reden. Sie sprachen über alles mögliche, es kam jedoch heraus, dass sie doch ein paar Gemeinsamkeiten hatten. Beide mochten sie schwarzen Puschkin, ausgewaschene Jeans und Horrorfilme. Sie unterhielten sich so gut, dass schon die frühen Morgenstunden angebrochen waren, als Oliver Corinna nach Hause brachte. Vor der Haustür nahm er ihre Hand in seine.
„Das war ein schöner Abend“, sagte er mit einem Lächeln.
Sie nickte, wusste wohl zunächst überhaupt nicht, was sie sagen sollte. „Das finde ich auch. Und noch schöner wäre es, wenn es das nicht gewesen wäre...“
Oliver konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass sie etwas anderes hatte sagen wollen, doch da sie nichts hinzu fügte, beließ er es dabei und küsste sie auf die Wange. „Gute Nacht, Corinna. Bis Dienstag im Theater.“
Nachdem sie im Haus verschwunden war, ging er nachdenklich zurück zu seinem Ford Ka zurück. Ja, sie war wirklich ein nettes Mädchen, er mochte sie sogar sehr. Aber ob das auch genug war?
In der kommenden Woche sah er sie jeden Abend im Theater, und sie saßen oft in der Kantine beisammen, redeten, lachten. Ein Umstand, dem Gabi mit Wohlgefallen zusah, ihre Reaktion darauf entging ihm keineswegs. Offenbar hatte sie auf genau so etwas gehofft. Er kam nicht so oft dazu mit ihr länger zu reden, weil er meistens mit Corinna zusammen hing, wenn gerade nichts anders zu tun war. Doch Gabi ließ es, wenn sich Gelegenheit ergab, nicht aus, ihn mit Tipps zu versorgen. Es war sehr offensichtlich, dass sie ihn mit der jungen Maskenbildnerin verkuppeln wollte, und ihm fiel auch nichts ein, das dagegen sprach.
Die zweite Verabredung unterschied sich nicht sehr viel von der ersten, außer dass sie in einer Tanzbar landeten und Corinna es irgendwie schaffte, Oliver zu überreden mit ihr zu der rockigen Musik zu tanzen. Abseits der Bühne gehörte das nämlich weniger zu seinen Lieblingsbeschäftigungen.
Es war wieder sehr spät als Oliver Corinna schließlich vor ihrer Haustür absetzte. Er fragte sich, ob er wohl gerade ein Déjà vu erlebte, vergangene Woche waren sie ebenso schweigend voreinander gestanden.
Dieses Mal ergriff die junge Maskenbildnerin aber die Initiative, sie musterte ihr Gegenüber zögernd. „Hättest du denn noch Lust mit hinauf zu kommen? Wir könnten uns einen Gruselfilm ansehen, oder so…“
Oliver war sich ziemlich sicher, dass sie genau das bereits letztes Mal hatte fragen wollen. Schließlich nickte er. „Hört sich gut an.“
Ein Lächeln erschien auf ihrem Gesicht als sie ins Haus ging und ihm die Tür aufhielt. Er folgte ihr hinauf in den vierten Stock.
Corinnas Wohnung war klein, aber urgemütlich eingerichtet. Man erkannte sehr schnell, dass die junge Frau einen Faible für Vampire hatte, denn an der Wand hing ein großes Poster, das einen solchen Blut saugenden Dämon der Nacht zeigte.
„Setz dich“, sie zeigte auf das bequeme Sofa. „Ich hol uns was zu trinken. Inzwischen kannst du ja schon mal einen Film aussuchen.“
Nachdem sie in der Küche verschwunden war, wandte er sich ihrer Video- und DVD-Sammlung zu. Auf Anhieb fand er ein paar Filme, die er sehr mochte. Schließlich legte er „The Ring“ auf den kleinen Couchtisch.
Nach nicht allzu langer Zeit kam Corinna mit zwei großen Gläsern, die eine auffällig rote Flüssigkeit enthielten, zurück und stellte beide auf den Tisch.
„So, ich präsentiere Corinnas Vampire Special“, grinste sie breit. „Keine Angst, Blut ist da bestimmt nicht drin, nur Grenadine.“
Sie prosteten einander zu und während sie den Film einlegte, trank Oliver den ersten Schluck. Es schmeckte sehr gut, war ein bisschen süß, jedoch nicht zu viel. Erst nach dem halben Glas merkte er, dass es recht stark war. Mittlerweile saß er mit Corinna auf dem Sofa, im Fernsehen lief „The Ring“.
Er merkte, dass sie immer dichter zu ihm rutschte, legte den Arm um sie und zog sie nahe an sich heran. Sie legte daraufhin den Kopf an seine Schulter.
So saßen sie eine ganze Weile da, bis das zweite Glas dieses sogenannten Vampire Specials leer war und Oliver beschloss, dass es Zeit wurde, nach Hause zu fahren. Davon kam er allerdings ganz schnell wieder ab, sobald er aufgestanden war.
„Du meine… woraus besteht dieses Getränk??“ fragte er konfus. „Ins Auto kann ich mich so nicht mehr setzen.“
Sie zuckte mit den Schultern, grinste unschuldig. „Kannst gern hier auf der Couch schlafen, die ist sehr bequem… na ja, denke ich. Eine ganze Nacht darauf geschlafen hab ich noch nie.“
Davon konnte sowieso keine Rede mehr sein, es war ja bereits halb fünf Uhr morgens. Er willigte dankbar ein und sie suchte eine Decke für ihn. Da er gerade nicht hinsah, entging ihm ihr schelmisches Grinsen. Das Stoffbündel, das ihm an den Hinterkopf flog, ließ ihn herum wirbeln. Ehe er sich versah, hatte jeder einen Polster vom Sofa in der Hand. Es war eine interessante Kissenschlacht, in Anbetracht der Nachbarn vor allem eine sehr leise.
Ziemlich schnell hatte er es geschafft Corinna den Polster abzunehmen, warf ihn zurück auf das Sofa.
„Festgenagelt, meine Liebe“, grinste er triumphierend.
Mit ihrer Taktik hatte er jedoch nicht gerechnet. Bevor er begriff, was sie vor hatte, spürte er schon ihre Lippen auf seinen. Seine Überraschung nutzend, stemmte sie sich gegen ihn, sodass er zur Seite kippte.
In dem Moment, in dem sich ihre Blicke trafen, hielten sie inne. Er konnte ihren warmen Atem auf seinem Hals fühlen und er genoss es. Erneut küssten sie einander, doch diesmal anders. Lange und leidenschaftlich.