Danke dir!
Und schon gehts weiter. Heute mal ein längerer Teil - und ein Blick in die Vergangenheit...
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02 Schatten der Vergangenheit 1
„Entschuldigt?“
Eine Stimme riss Milady aus ihren Gedanken. „Madame? Ist alles in Ordnung?“
„Meint Ihr mich?“
Milady drehte sich um und sah in das Gesicht des Küsters. „Ja. Ihr habt so beunruhigt ausgesehen. Geht es Euch gut?“ Der Küster ließ ihr keine Gelegenheit, etwas zu sagen, sondern fuhr gleich fort: „Versteht mich nicht falsch, aber es ist schon ein paar Mal vorgekommen, dass eine Dame in der Kathedrale war um mit dem Kardinal zu sprechen und dann ist sie nach einer Weile aus dessen Zimmer gestürzt und war total verstört…“ Er sah Milady verschwörerisch an und zwinkerte ihr zu.
„Aber das wisst Ihr nicht von mir.“
- „Natürlich nicht. Ich verstehe, was Ihr meint. Aber so ist das eben nicht gelaufen. Es war nur eine… Meinungsverschiedenheit. Ich hatte eine alte Rechnung mit ihm zu begleichen, aber irgendwie hat das nicht funktioniert.“
Warum erzähle ich ihm das eigentlich?! wunderte sie sich auf einmal über sich selbst.
Vorhin hatte er doch noch ganz offensichtlich was gegen mich… Außerdem, wie klingt das denn? Ich als Frau soll eine Rechnung mit ihm zu begleichen haben???
„Eigentlich geht es mich auch gar nichts an, was da passiert ist. Ich dachte nur, ich folge Euch besser. In eurer Verfassung wird Euch noch was zustoßen, wenn Ihr jetzt einfach weitergeht…“
„Wie nett, dass Ihr Euch auf einmal Sorgen um mich macht“, sagte Milady.
Es schien jedoch nicht ganz so herablassend geklungen zu haben wie es beabsichtigt war, denn der Küster ließ sich nicht beirren.
„Kommt doch jetzt am besten gleich mit, Milady de Winter. Ich zeige euch den schönsten Platz in der Kathedrale – Ihr werdet sehen, Ihr werdet dort alle Eure Sorgen vergessen.“
„Wo soll das denn sein?“
erkundigte sich Milady.
Eine weitere bissige Frage lag ihr auf den Lippen, sie hielt es jedoch für besser, sie nicht zu stellen. Vielleicht waren doch nicht alle Männer gleich und einige hatten es verdient, dass sie freundlich zu ihnen war.
„Ganz weit oben – ich hoffe, es macht Euch nichts aus, viele Treppenstufen steigen zu müssen…“ – „Was soll mir das denn ausmachen?! Meint Ihr, wegen meinem langen Kleid? Das geht schon.“
- „Dann folgt mir doch bitte. Nach Euch.“ Der Küster öffnete die Tür zur Kathedrale und ließ Milady eintreten. Dann ging er voraus und bedeutete ihr, ihm zu folgen.
Gleichzeitig starrte Richelieu wieder in die unzähligen Dokumente auf dem Schreibtisch, aber sie machten auf einmal noch weniger Sinn als vorher. Seine Gedanken waren bei der unerwarteten Besucherin.
Milady de Winter. Oder früher auch Anne de Breuil.
Vorhin hatte er auch schon über sie nachgedacht, die Gedanken aber immer beiseite geschoben – jetzt war es genau umgekehrt und die ganze Politik und der Ärger mit den Hugenotten und England wurden durch Gedanken an sie verdrängt. Sie hatte wirklich Mut gehabt, England zu verlassen und nach Frankreich zurückzukommen, nachdem sie doch für 20 Jahre verbannt worden war. Gerade einmal … wie viele Jahre waren vergangen? Neun? Zehn?
Er wusste noch genau, als er sie das erste Mal gesehen hatte… ein junges Mädchen von gerade einmal 16 Jahren, das zusammen mit ihrem zukünftigen Ehemann zu einer Vorbesprechung der Hochzeitszeremonie in die Kathedrale gekommen war. Sie war mitten in der Unterhaltung plötzlich aufgestanden und nach draußen gerannt und der Verlobte hatte sich daran gemacht, sie zurückzuholen. Nach einer Weile waren sie wieder zurückgekommen, aber gleich darauf war sie schon wieder aus dem Zimmer gestürmt…
10 Jahre vorher - - -
„Ich muss mich doch vielmals für meine Verlobte entschuldigen, Eminenz.“
bemerkte der Vicomte Julien de Chagny mit einem resignierten Kopfschütteln. „Ich weiß nicht, was mit ihr los ist… Ich werde sie aufhalten. Hoffentlich können wir dann die Unterredung endlich in Ruhe fortführen.“
„Lasst mich doch einmal unter vier Augen mit ihr sprechen, wenn Ihr sie eingeholt habt.“
- „Wozu?“
wollte der Vicomte wissen, aber der Kardinal wich der Frage aus. „Geht und holt sie zurück.“ Das klang wie ein Befehl.
Julien verstand im Moment gar nichts mehr, aber er nickte nur und machte sich daran, Anne einzuholen. Lange musste er sie nichteinmal suchen, sie war ein paar Schritte den Gang hinuntergelaufen und dann einfach stehen geblieben.
Er packte sie am Arm. „Ich hoffe, du wirst dich jetzt endlich benehmen, Anne. „Du kannst doch nicht einfach in so einer wichtigen Besprechung noch einmal wegrennen. Vorhin hast du mir doch etwas versprochen.“
– „Es hat mich immer noch gelangweilt“, erwiderte die fünfzehnjährige Anne de Breuil und gähnte erstmal lange, wie um ihre Worte zu unterstreichen. „Warum muss ich mich an so einem schönen Tag in so einem düsteren Raum aufhalten und über so langweilige Sachen sprechen? Ich versteh davon eh nur die Hälfte.
Sie ließ den Kopf hängen.
„Dann wird es aber Zeit, dass du es verstehst.“
Julien konnte nur den Kopf schütteln.
Was für eine Verlobte hatte sein Vater doch nur für sie ausgesucht?! Sie war zwar hübsch, aber doch noch ein halbes Kind.
„Bist du jetzt böse?“ fragte Anne. „Tut mir leid. Ich will dich nicht ärgern. Ich versuch, mich etwas zusammenzunehmen.“ – „Das hoffe ich für uns beide, aber im Moment in erster Linie für dich“, erwiderte Julien ungehalten.
Anne sah ihn fragend an.
„Warum das?“
- „Weil Seine Eminenz der Kardinal eben gemeint hat, dass er einmal unter vier Augen mit dir sprechen möchte.“ erklärte Julien, legte einen Arm um Anne und schob sie langsam wieder in die Richtung, aus der sie beide gekommen waren.
„Warum denn das jetzt!?“ rief Anne aus und klang dabei, als wäre sie in größter Panik. Ihre dunklen Augen waren auf einmal weit aufgerissen. „Warum will er denn mit mir alleine reden?! Ich möchte mich nicht mit ihm unterhalten! Ich will nicht mit ihm allein in einem Raum sein! Ich will nicht, ich will nicht, ich – will – es – einfach – nicht!““
Die letzten Worte hatte sie so laut geschrieen, dass Julien sie warnend ansah und ohne ein Wort zu sagen auf die nur angelehnte Tür zu Richelieus Arbeitszimmer zeigte.
„Ich will nicht mit dem Kardinal alleine sein.“ wiederholte Anne erneut und wieder etwas ruhiger. „Irgendwas stimmt doch mit ihm nicht.“
Auch mit diesem Argument stieß sie nicht auf Juliens Verständnis, genauso wie mit dem Argument von vorhin, dass es ihr langweilig geworden war. „Jetzt sei doch endlich einmal vernünftig. Du solltest dich einmal reden hören. Also wirklich. Was soll denn mit ihm nicht stimmen? Vielleicht bist
du es ja, mit der was nicht stimmt. Du bist manchmal auch nicht gerade einfach…“
„Ich weiß auch nicht. Irgendwie werde ich unsicher, wenn ich ihn nur anschaue. Irgendwas stört mich daran, wie er mich ansieht…“ Julien wollte nichts mehr hören. „Geh jetzt. Er wartet auf dich. Ich bleibe draußen... am besten, ich schaue mir etwas die Kathedrale an. Dann könnt ihr euch in aller Ruhe unterhalten.“
„Aber…“
- „Jetzt hör endlich mit den Widerworten auf!“ befahl Julien.
Anne seufzte und gab sich geschlagen. Hatte sie denn eine andere Wahl? Nein, natürlich nicht. Sie strich ihr Kleid glatt, holte tief Luft und lief dann wieder auf die Tür zu. Sie sah sich nochmal kurz zu ihrem Verlobten um, der bedeutete ihr nur, sich zu beeilen. Obwohl die Tür ja nur angelehnt war, klopfte sie vorsichtig an.
„Ich weiß, dass Ihr es seid, Mademoiselle de Breuil. Tretet ein.“
Anne folgte der Aufforderung.
Sie schloß die Tür wieder hinter sich, dann ging sie langsam auf den Schreibtisch zu und versuchte sogar einen respektvollen Knicks, der hoffentlich etwas besser aussah als ihr erster.
„Was wolltet Ihr mit mir bereden, Eminenz?“