So, pünktlich zu Pfingsten der neue Teil... Als Geburtstagsgeschenk für eine sehr gute Freundin, mit ein paar Ideen von ihr...
@Anja: Happy Birthday!
Und an alle anderen viel Spaß...
10. Kapitel
Er stand einfach da und sah mich ruhig an. Sein Gesicht zeigte keinerlei Regung, als wäre er zu Stein erstarrt, aber durchaus nicht unfreundlich. Er stand einfach nur da und wartete. Auf mich. Ich stand langsam auf, strich mir eine Haarsträhne aus der Stirn und ging langsam auf ihn zu. Er beobachtete mich. Es schien fast, als wolle er etwas sagen, er schwieg dann aber doch.
Ich ging weiter, bis ich direkt vor ihm stand. Ich weiß nicht, wie lange wir so standen, der Moment schien zeitlos.
Ich blickte tief in seine Augen; versuchte einmal mehr, ihren Ausdruck zu deuten, aber erfolglos.
Irgendwann schluchzte ich auf und fiel ihm einfach weinend in die Arme. Er sagte immer noch nichts, hielt mich einfach fest und strich mit der Hand tröstend über meinen Rücken. Ich klammerte mich an ihn, als wäre er meine einzige Rettung, und weinte hemmungslos. Es war genau das eingetreten, das ich im Unterbewusstsein gefürchtet hatte, aber nicht sehen wollte: Ich hätte dort in der Augustinerkirche niemals Ja sagen dürfen. Dieses simple Wort hatte mich für mein ganzes Leben zur Gefangenen gemacht, daran zweifelte ich jetzt nicht mehr.
Ich war dankbar, dass er nicht sprach, ich wollte jetzt nichts sagen. Ich fühlte einfach nur seine beruhigende Nähe, seine starken Arme, die mich hielten und langsam wurde ich ruhiger. Lang standen wir so, bis er plötzlich den Kopf wandte und lauschte. Auch ich hörte jetzt Zweige knacken, jemand kam auf uns zu.
Ich fühlte einen kalten Luftzug und als ich mich wieder zu ihm umdrehte, war er verschwunden.
»Sisi, da bist du ja!« Franz umarmte mich von hinten. »Ich habe mir solche Sorgen gemacht...«
Ich machte mich ungeduldig von ihm los und marschierte zurück zur Hofburg, ohne zu antworten.
Ich sprach den ganzen Tag nicht mehr mit ihm, auch mit Sophie nicht. Ich konnte es nicht ertragen, wie sie mich zu erziehen suchten. Sophies Worte hallten in mir nach.
»Ich werde dich schon zähmen!«
Nun, wenn sie das versuchen wollte, bitte. Ich würde nicht mitspielen.
Am Abend, als ich ins Schlafzimmer trat, lag Franz schon im Bett. Ich hatte damit gerechnet. Demonstrativ hatte ich mir von den Zimmermädchen ein langes weißes Nachthemd mit Halskrause geben lassen, das nur abweisend wirken konnte. Als ich ins Bett stieg, setzte Franz zu sprechen an, aber ich bedachte ihn mit einem so eisig kalten Blick, dass er schwieg.
Ich drehte mich mit dem Rücken zu ihm, rutsche so weit wie möglich von ihm weg und schloss die Augen. Das war ja wohl eindeutig!
»Sisi, bitte sprich doch wieder mit mir.«
Ich hätte ihm jetzt gerne etwas an den Kopf geworfen, doch ich schwieg. In mir schrie es,
Du hast mich verraten, deine Mutter ist dir wichtiger als ich. Du hast mich im Stich gelassen, du liebst mich nicht. Nicht genug. Lass mich in Ruhe und tritt mir nie wieder unter die Augen!
Aber ich wusste, dass ihn mein Schweigen viel härter traf, also biss ich mir auf die Lippen und schwieg hartnäckig.
»Bitte, Sisi... Du weißt, ich kann ohne dich nicht leben. Ich brauche dich. Sei doch nicht mehr böse...«
Auf eine Antwort konnte er lange warten, sagte ich mir. Wenn er mich so dringend brauchte, hätte er sich das eher überlegen sollen, bevor er mich an seine Mutter verraten hat.
»Sisi, es tut mir so Leid.«
Aus seiner Stimme klang ehrliche Reue. Womöglich tat es ihm wirklich Leid. Auf einmal verspürte ich so etwas wie Mitleid. Sein Leben lang war er es gewöhnt gewesen, af seine Mutter zu hören. Er musste sich vielleicht erst umstellen... Nein! Ich würde meinem Entschluss treu bleiben und nicht antworten.
»Sisi, bitte... Es tut mir wirklich Leid... Sei doch nicht mehr böse!«
Ich sagte nichts.
Ein paar Mal versuchte er noch, mich anzusprechen, aber irgendwann seufzte er und schien aufzugeben.
»Gratuliere, du hast dich ja schon wieder um deine
Pflichten gedrückt«, ertönte eine leise Stimme hinter mir. Ich schwieg weiter. Er konnte es lange versuchen!
Auf einmal fiel mir ein, dass Franz das niemals so sagen würde, dazu war er viel zu – was? Zu verklemmt vielleicht? Vermutlich war das das richtige Wort.
Ich drehte mich um.
Natürlich.
Irgendwie hatte ich es erwartet,
ihn dort am Bett stehen zu sehen. Sein Anblick nahm mir den Atem. So unwirklich schön sah er aus. In dem schwarzen, langen Mantel mit dem silbernen Licht des Vollmondes im Rücken wirkte er geheimnisvoll und irgendwie... verführerisch? Nein. Nein, ich war verheiratet, daran durfte ich nicht einmal denken. Außerdem – er war der Tod. Er würde es niemals tun. Das war unmöglich. Aber trotzdem, eine Zeile aus einem alten englischen Gedicht fiel mir ein:
I know it´s wrong, but I´m too much in love to care.
War ich denn verliebt – in ihn? Ich wusste es nicht. Plötzlich erinnerte ich mich, dass er, wenn er wollte, sicher erraten konnte, worüber ich gerade nachdachte, und ich verwarf die Gedanken rasch.
Er sah mich leicht amüsiert an. Mir war klar, er wusste, was ich gedacht hatte.
Nicht rot werden, ermahnte ich mich selbst, aber im gleichen Moment fühlte ich schon, wie eine Hitzewelle über mein Gesicht flutete. Sicher war ich jetzt knallrot, ich sah es an seinem sich vertiefenden Lächeln. Ich senkte den Blick und biss mir verlegen auf die Lippen.
Ein paar Minuten verbrachten wir schweigend; ich wusste nicht, was ich sagen sollte und er schien sich darüber köstlich zu amüsieren. Endlich entschloss er sich, mich zu erlösen.
»Nur nicht so verlegen Elisabeth... Angriffslustig gefällst du mir viel besser.«
Was hieß das denn jetzt bitte?
Zornig warf ich den Kopf in den Nacken und sah ihn an.
»Ob ich dir gefalle oder nicht, ist doch auch egal. Erst mal lebe ich noch eine Weile, und daran wirst du nichts ändern. Ich komme nicht mit dir... Und was gibt es da zu lachen?«, schloss ich an, als er lächelte.
»Das war mein voller Ernst, du kannst mich schließlich nicht zwingen – oder?«, fügte ich etwas unsicher hinzu. Jetzt musste er wirklich lachen. »Kaum sage ich, angriffslustig gefällt sie mir besser, wird sie schon wütend....«, grinste er.
Dann wurde er mühsam wieder ernst.
»Nein, Elisabeth. Ich kann dich nicht zwingen. Und selbst wenn ich könnte – wozu? Ich finde dich zwar mit zornig blitzenden Augen sehr schön« – wieder dieser Blick – was bedeutete das? Ich musste es wissen... »...aber ich möchte diesen Zorn wirklich nicht die ganze Ewigkeit hindurch sehen. Und –«, sein Blick ruhte kurz auf Franz, bevor er wieder mich ansah, »im Schweigen bist du ja auch recht hartnäckig, wenn du nur willst.«