Mich trägt mein Traum

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Eponine Thénardier
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Re: Mich trägt mein Traum

Beitragvon Eponine Thénardier » 26.05.2014, 18:29:12

Sorry, ich habe schon länger keinen Kommentar geschrieben, aber jetzt kommt wieder was :)

Wow, eine ganze Menge ist ja passiert - ich finde es echt klasse geschrieben. Und ich hoffe, dass das mit Daniel und Anouk gut geht, aber vielleicht tut es ihnen ja gut, wenn Daniel erst mal selbst in der Ausbildung ist und nachvollziehen kann, wie Anouks Tag so aussieht.

Bei letzten Teil ist mir übrigens zuerst der Satz "Ich finde, wir sollten Schluss machen" ins Augen gesprungen - ich kannte ja den Zusammenhang noch nicht und dachte nur:"Oh neeeein...", weil ich glaubte, dass es um Daniel und Anouk geht :mrgreen:
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Ophelia
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Re: Mich trägt mein Traum

Beitragvon Ophelia » 27.05.2014, 18:51:58

Eponine Thénardier hat geschrieben:Bei letzten Teil ist mir übrigens zuerst der Satz "Ich finde, wir sollten Schluss machen" ins Augen gesprungen - ich kannte ja den Zusammenhang noch nicht und dachte nur:"Oh neeeein...", weil ich glaubte, dass es um Daniel und Anouk geht :mrgreen:
Das dachte ich auch, als ich noch mal Korrektur gelesen hab :oops: Ich dachte nur: "Was hab ich denn da geschrieben?" :lol:
Schön, dass ihr weiterlest :)

„Ihre Fortschritte sind bemerkenswert, Anouk. Mrs. Paige und ich haben uns ausgetauscht; wir sind beide der Meinung, dass Sie ein vielversprechendes Nachwuchstalent sind. Sie stechen aus der Gruppe zwar nicht hervor, aber, und das ist im Moment am wichtigsten, Sie hängen nicht zurück.“

„Ihr Spiel ist immer sehr ehrlich und echt. Sie haben gute Ideen und interpretieren die Rollen sehr genau. Ich arbeite hier an einer neuen Produktion eines Theaterstücks; es würde mich freuen, wenn Sie die Gesangsparts übernehmen wollen.“

„Sie müssen konzentrierter sein, Anouk. Ich weiß, dass Ballett ein schwerer Sport ist. Im Jazzdance sind Sie bedeutend besser; arbeiten Sie nur bei Choreographien genauer, darauf wird es später ankommen!“

„Nun, Anouk… Ich hoffe, dass sie zum Sommer keinerlei Schwierigkeiten mehr mit den Noten haben werden. Das ist grundlegend! Ruhen Sie sich nicht nur auf Ihrer Stimme aus; ich achte auch auf ein theoretisches Fachwissen! Lassen Sie sich aber gesagt sein, dass ich es genieße, mit Ihnen zu arbeiten. Ihre Stimme hat einen hohen Wiedererkennungswert; lassen Sie jetzt nur nicht nach.“

Die Entwicklungsgespräche fielen besser für mich aus, als ich gedacht hätte. Dass ich in Ballett nur mittelmäßig war, war keine Neuigkeit für mich.
Was gibt es über das erste Jahr zu berichten? Wir strengten uns alle an, wir wuchsen zusammen. Ich begann, mich regelmäßiger mit meinem Vater zu treffen; gegen meinen Willen wurde er zu einer neuen Vertrauensperson. Er hörte mir zu, war geduldig und bedingungslos für mich da. Ich fühlte mich anfangs unsicher und war schroff und abweisend zu ihm, aber je näher das Schuljahresende rückte, desto vertrauter wurden wir.
Ich gab mir Mühe, oft mit Daniel zu telefonieren; er bestand sein Abitur und besuchte mich in der freien Nachprüfungszeit. Ich schaffte es, dass er einen Tag lang unserem Unterricht zusehen durfte.
Ende des ersten Jahres wurde es noch einmal aufregend. In einer der Theoriestunden, die wir meistens nachmittags hatten, schrieb Frau Kurth ein großes Wort an die Tafel: Abschlussprojekt. Es wurde schlagartig still, alle starrten gebannt auf die Tafel. Irgendwann löste sich eine einzelne Stimme aus dem Raum: „Äh… Sind sie sicher, dass Sie hier richtig sind?“ Einige lachten und drehten sich zu Marvin um. Frau Kurth verzog keine Miene.
„Ja, Marvin. Ein Abschlussprojekt, dieses Jahr auch für das erste Jahr. Er findet einige Wochen vor dem Abschluss des dritten Jahres statt und fließt in Ihre Bewertung ein.“
Erneute Unruhe. Frau Kurth hob ihre Stimme. „Finden Sie sich zu zweit oder dritt zusammen und gestalten Sie eine Show, etwa eine Stunde von Dauer.“ Sie ging rum und verteilte einen Packen Blätter. „Suchen Sie sich Ihre Partner überlegt aus. Es geht um persönliche Songs. Zeichnen Sie ein Porträt von sich, von Ihrer Entwicklung.“
Sarah und ich sahen uns an und grinsten. Der Partner, beziehungsweise die Partnerin, war schnell gefunden.
„Kommen Sie nach vorne, wenn Sie Ihre Gruppe gefunden haben, und suchen Sie sich einen Termin aus!“

Unsere Show würde in genau einem Monat sein. Wir bekamen für die nächsten Wochen unterrichtsfrei, um zu proben; die Lehrer standen uns für Fragen zur Seite. Sarah und ich setzten uns sofort zusammen. Als erstes wurden tausend verschiedene Songs in den Raum geworfen, die beim besten Willen nicht innerhalb einer Stunde gesungen werde konnten. Schließlich schrieben wir alle auf, erzählten uns unsere Geschichten. Sarahs Mutter war Musiklehrerin, aber als einzigstes von vier Mädchen hatte Sarah nie Interesse an Musik gehabt. Bis sie einmal mit ihrer Mutter gesungen hatte, nur so zum Spaß. Sofort hatten alle erkannt, welches Talent sie hatte. Aber erst nach langsamem Herantasten fühlte Sarah sich in der Musik heimisch. Ganz anders als ich – bei mir war die Leidenschaft eingeschlagen wie eine Bombe.
Wir schrieben, verwarfen, erarbeiteten Konzepte, suchten Texte, ersetzten Lieder, stellten Reihenfolgen um, hatten tausend Ideen… Bis an einem späten Donnerstagnachmittag endlich das scheinbar perfekte Programm stand. Der Titel, „Was ich fühl’“, beschrieb in nüchterner Art unseren Werdegang, immer mit unseren jeweiligen Gefühlen im Vordergrund, welche natürlich durch mehr oder wenige berühmte Songs dargestellt wurden. Jeder las eine Art Geschichte des jeweils anderen vor; Sarah saß zu Beginn der Show mit einem großen Buch auf der Bühne und begann, meine Geschichte zu lesen; so wechselten wir uns immer ab.
Nachdem unsere Lehrer das Projekt abgesegnet hatten, ging es an die Organisation. Karten, Werbung, Sitzplätze... Es gab sehr viel zu besprechen und zu regeln.
Und irgendwann, nach etlichen Proben und großer Aufregung, war es dann so weit.
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Re: Mich trägt mein Traum

Beitragvon Gaefa » 27.05.2014, 22:51:12

Schön, dass es weitergeht. Schade, dass du so schnell vorwärtsstürmst. Mich hätte eigentlich genauer interessiert, wie das nächste halbe Jahr so verläuft. Vor allem das Abschlussprojekt kommt mir zu kurz!! Da hätte ich mir eine detailliertere Beschreibung gewünscht mit Unterhaltungen, was sie verwerfen, was sie reinbringen, ob Anouks besseres Verhältnis zu ihrem Vater thematisiert wird, welche Lieder sie in die engere Auswahl nehmen, wie die Proben gelaufen sind, etc. etc. Bei dem Titel "Was ich fühl" hatte ich erstmal einen Tarzan-Ohrwurm, bevor ich verstanden hab, dass es nicht um ein Lied sondern die Show der beiden geht ;) Darf ich mir wünschen, welches Lied die beiden zum Abschluss singen? *gg* Wicked, "Wie ich bin", das passt sicher super zu den beiden (nicht zuletzt, weil Anouk ja die Elphie gespielt hat), da sie sich so gut befreundet haben und passt somit auch gut in ihr Programm! Weitere Lieder würden mich auch interessieren :)
Schreib bald weiter, ich freu mich auf jede Fortsetzung!
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Re: Mich trägt mein Traum

Beitragvon little miss sunshine » 28.05.2014, 11:18:00

Zwar bist du teilweise recht schnell in dem zeitlichen Ablauf, aber trotzdem mag ich es,wie du schreibst.
Ob Anouk (schöner Name übrigens) wohl eifersüchtig auf Liam und Isabelle ist? Und was bedeutet das für sie und Daniel dann? Ich bin gespannt!
Gaefa hat geschrieben: Darf ich mir wünschen, welches Lied die beiden zum Abschluss singen? *gg* Wicked, "Wie ich bin", das passt sicher super zu den beiden (nicht zuletzt, weil Anouk ja die Elphie gespielt hat), da sie sich so gut befreundet haben und passt somit auch gut in ihr Programm!

Das find ich auch,dass das gut passen würde :-).
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Re: Mich trägt mein Traum

Beitragvon Ophelia » 28.05.2014, 14:11:09

Dass es so schnell vorwärts geht hat hauptsächlich damit zu tun, dass ich schon so eine tolle Idee für Jahr 2 habe... Ich kann's selbst kaum abwarten, es zu schreiben ;) Aber das Konzert der beiden wird nochmal sehr detailliert beschrieben, und das Lied bring ich rein, gute Idee :handgestures-thumbupright: Ich geb mir Mühe, dass es schnell weitergeht :)
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Re: Mich trägt mein Traum

Beitragvon Ophelia » 30.05.2014, 15:22:57

Hier kommt der erste der beiden Teile, die das Abschlusskonzert beschreiben. Um die spannung zu erhöhen: es ist recht bedeutsam für ihre Karriere... Viel Spaß :)

Was ich fühl' stand in großen Lettern auf einem gewaltigen Transparent über der Bühne. Im Nachhinein betrachtet, läuft alles wie ein geraffter Film vor meinem inneren Auge ab: der Raum war relativ voll. Irgendwo saß meine Mutter mit Daniel, irgendwo mein Vater.
Ich stand hinter der Bühne und erinnerte mich an das Telefonat mit Mama…
„Also, kommst du?“
„Natürlich komme ich, Schatz! Dein erster Auftritt, Wahnsinn!“
„Es ist nicht mein erster, Mama. Wicked, weißt du noch?“
„Aber dein erster in einer professionellen Ausbildung! Oh, ich bin ganz aufgeregt. Was zieht man denn da an?“
Zeit, mit Neuigkeiten herauszurücken. „Irgendwas nettes, nicht zu schick. – Hör mal, Mama. Da ist eine Sache, die… Na ja, ziemlich schwer zu erklären, vor allem am Telefon.“
„Hast du etwas angestellt?“, kam es wie aus der Pistole erschossen. Ein tolles Bild hatte sie von mir!
„Nein! Natürlich nicht!“ Ich schluckte. „Es geht, äh, um… Papa.“
Schweigen.
„Ich… habe ihn hier getroffen, das heißt, er hat mich gefunden. Er hat mich im Radio gehört, und, also, wir haben uns… na ja, getroffen?“
„Wie bitte?“
„Wirklich, Mama, er ist… Er ist… nett.“ Es kam mir schrecklich vor, ihr das zu sagen. „Er ist ganz anders. Er ist ruhig und er bereut alles, und…“
„Wird er kommen?“
„Ja.“
Sie legte auf.

Draußen ging das Licht aus. Mir war schlecht vor Aufregung. Ich musste das alles vergessen, für eine Stunde. Mama und ich hatten noch einmal telefoniert, aber sie wollte ihn nicht sehen. Ich hatte ihm einen Platz zugewiesen, der weit von dem ihren entfernt war.
Sarah betrat die Bühne. Vor meinem inneren Auge sah ich, wie sie langsam auf dem Stuhl Platz nahm, der etwas seitlich auf der Bühne stand, das große, lederne Buch auf den Schoß nahm und bedächtig aufschlug. Ich hörte, wie sie zu lesen begann. „Viele sagen, wir haben die Liebe zur Musik entdeckt“, begann sie. „Aber das stimmt nicht. Die Musik entdeckt uns. Mit einem Mal ist sie da; manchmal schleicht sie sich an, und manchmal kommt sie plötzlich und unerwartet, wie bei Anouk.
Als Anouk entdeckte, wie gerne sie sang, fühlte sie sich unsicher. Wer würde sie unterstützen? Wer würde sie verstehen?“ Ich betrat langsam die Bühne, Musik setzte an. „Sie wusste es nicht. Sie wusste gar nichts, bis auf eines: dass ihr Traum sie trägt.“
Ich sang Mich trägt mein Traum, und es fühlte sich so gut an wie immer, so voller Wahrheit. Nach dem Applaus begann ich, Sarahs Geschichte zu lesen: „Sarah bekämpfte die Musik. Sie wusste nicht, was sie davon halten sollte, von ihrem neuen Talent. Es machte ihr Angst, plötzlich all die Aufmerksamkeit zu bekommen. Sie versuchte, sich selbst zu bekämpfen. Doch schließlich erkannte sie: gegen die Macht der Musik war sie völlig wehrlos.“
Sarah folgte mit Wehrlos aus Die Päpstin, das wir in ein Solo-Stück umgewandelt hatten und das mit ihrer hellen Sopranstimme einfach wundervoll klang (unsere Stimmen waren von der Tonlage ähnlich, aber klangen doch völlig verschieden: während sie eine Glockenstimme hatte, war mein Sopran markanter.)
So ging es eine Stunde lang weiter: ich folgte mit What I did for love, Sarahs Zeit in einer Flasche beschrieb ihren ersten Auftritt, der so wundervoll war, dass sie ihn am liebsten in eine Flasche sperren und immer wieder erleben würde. Ich wählte für meine Erkenntnis, das die Musik mein Leben war, Das bin ich aus Die Päpstin, und das Gefühl, das mich dabei durchflutete, war unbeschreiblich: tatsächlich waren es vier Minuten der Erkenntnis, des Wissens, das ich meinen Platz gefunden hatte, dass ich hier ich sein konnte... Sarahs Ein neues Leben aus Jekyll and Hyde beschrieb ihren Eintritt in die Academy; erst später sollte ich erfahren, dass dieses Lied eine ganz besondere Bedeutung für sie hatte, und dass es einen Teil in ihrer Vergangenheit gab, den sie mir nicht erzählt hatte. Anschließend stimmten wir gemeinsam das Wie ich bin aus Wicked an. Es beschrieb unsere Freundschaft auf eine wunderschöne, poetische Art, und ich hatte wieder einmal mit den Tränen zu kämpfen.
Zum Schluss sang Sarah noch ein paar Takte aus Thank you for the music. Währenddessen wartete ich auf den Höhepunkt, der gleichzeitig das Ende des Abends bedeutete: ein flotter Solo-Remix von Frei und schwerelos. Ich hörte das Knirschen, mit dem die fahrbare Metalltreppe vor die Bühne geschoben wurde, plötzlich übertönt von der lauten, rockigen Musik. Ich betrat diesmal vom Hintereingang die Aula; nur die Besucher in den hintersten Reihen konnten mich sehen, bis ich zu singen begann. Der Song war schneller als gewohnt, ich hatte lange gebraucht, um ihn zu üben. Und ich hatte bemerkt, dass es mir plötzlich schwer fiel, ihn nicht zu hoch zu singen. Aber dieser Song musste auf Biegen und Brechen in das Programm. Ich lief während des ersten Refrains durch den Mittelgang, blieb vor der Bühne stehen. Ließ meinen Blick durch die Reihen schweifen – und blieb an einem Gesicht, das von den Scheinwerfern erhellt wurde, hängen: ziemlich gutaussehend, hellbraunes Haar. Ich erkannte ihn und dachte Oh mein Gott und Das kann nicht sein, alles innerhalb von Sekunden; mein „Ich will selbst sehen was ich kann“ stolperte unsicher über meine Lippen, dann hatte ich mich wieder gefangen. Ich konzentrierte mich auf den Song, legte alle Kraft in meine Stimme, die ich hatte, stieg die Treppe hinauf, tobte über dem Publikum und sang die Zeile, die ausschlaggebend für unseren Shownamen war, so inbrünstig, wie ich konnte: „Ihr Erdenkriecher solltet wissen was ich fühl’!“ Nach dem Schlusston stieg ich mit wackligen Beinen die Treppe hinunter. Frau Kurth, die den Abend abmoderierte, betrat die Bühne und sagte ein paar Worte. Ich saß stocksteif auf meinem Platz in der ersten Reihe und dachte an dieses Gesicht...
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Re: Mich trägt mein Traum

Beitragvon Gaefa » 30.05.2014, 15:46:51

Schöner Teil! Aber auch dieses Mal: Alles recht schnell beschrieben, wie eine kurze Zusammenfassung, ich hätte mir vllt noch ein Verweilen mehr bei einem Lied oder Programmpunkt gewünscht, dabei weiß ich, dass es verdammt schwer ist, sowas zu beschreiben - deshalb, toller Teil ;)
Jetzt machst du mich aber neugierig, was das für ein Gesicht ist! Wen hat sie da im Publikum erkannt, der sie so außer Fassung gebracht hat? Ich warte ungeduldig auf die Auflösung!
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Re: Mich trägt mein Traum

Beitragvon Ophelia » 31.05.2014, 13:51:07

So, diesmal habe ich mir echt Mühe gegeben, nicht zu schnell zu schreiben, was übrigens meine größte Schwäche ist :tja: Daher ist's ein etwas längerer Teil geworden.
Weiß übrigens wer, wie das mit der Bewertung am Ende eines Schuljahres ist? Bekommen die Schüler auf einer Musicalschule Zeugnisse oder so... :?:

„…Und wie unserer Darstellerin eben schon aufgefallen ist“, sagte Frau Kurth und warf mir einen kurzen amüsierten Blick zu, „haben wir heute einen Ehrengast: bitte begrüßen Sie Marius Hübert!“
Er war es. Oh mein Gott, er war es! Der beste, schönste und… ach, einfach allerbeste Musicaldarsteller der ganzen Welt! Wie oft hatte ich von ihm geschwärmt? Wieso war er hier? Egal, ganz egal, er war hier! Hier! Er hatte mich gesehen! – Oh je, er hatte mich gesehen! Wenn er mich nicht gut fand? Vielleicht war er genervt von der Show, und jetzt musste er auch noch auf die Bühne! Moment, was sagte er? Er redete! Ich spitzte die Ohren.
„…in der Stadt, um Bekannte zu besuchen, und habe die Werbung für diese Veranstaltung gesehen. Und ich wollte mich überzeugen, dass die Mädels so gut sind, wie das Plakat verspricht.“ Ach, seine Stimme… Ich schmolz jedes Mal dahin wie ein Eis in der Sonne, wenn ich ihn hörte.
„Und, sind sie?“, fragte Frau Kurth. Na toll, jetzt hatte er ja gar keine andere Wahl mehr, als ja zu sagen.
„Aber klar! Ich würde glatt mit einer von beiden singen wollen!“
„Warum nicht?“, rief Jamie, der hinter mir saß, und klopfte mir auf die Schulter. „Anouk ist total verrückt nach Ihnen!“
Gelächter. Ich drehte mich zu ihm um, flammend rot. „Bist du wahnsinnig?“, herrschte ich ihn bemüht leise an.
„Hey, entspann dich.“ Er lächelte. „Aber ich würde an deiner Stelle nichts anbrennen lassen!“
Wieder Gelächter, Applaus. Na toll, jetzt hatte ich nichts mitbekommen. Und wurde auch noch von Sarah auf die Füße gezerrt.
„Na los, konzentrier dich!“, flüsterte Sarah mir ins Ohr. „Er will Totale Finsternis geben, mit dir! Wahnsinn, viel Spaß! Du bist die beste!“
Ich wusste gar nicht, wie mir geschah. Plötzlich stand ich ihm gegenüber, das Nachwuchsorchester, das auch uns begleitet hatte, begann zu spielen. Totale Finsternis – kannte ich. Von vorne bis hinten, wie den Rest des Musicals. Ich suchte mit den Augen noch einmal das Publikum ab, aber durch die Scheinwerfer konnte ich gerade mal die erste Reihe sehen. Sarah reckte mir beide Daumen entgegen. Ich atmete tief ein. Das war die Chance, einen Schritt weiter zu gehen, ein Akt auf dem Drahtseil: eine Schülerin, die den ersten mutigen Schritt in die Musicalbranche wagte, die mit einem berühmten, gottgleichen Darsteller auftreten durfte. Die beweisen konnte, dass sie ihm ebenbürtig war.
Ich begann zu singen. Die Angst, die Sarah meiner Interpretation nach in den ersten Zeilen fühlen musste, war nicht mal gespielt – ich hatte Angst. Aber gleichzeitig waren da tausend andere Gefühle wie Verwirrung, Nervosität, aus denen sich eines immer mehr herausfilterte: Entschlossenheit.
Es war… überwältigend. Noch heute fehlen mir die Worte. Die einzige Taktik, um meine Nervosität zu bekämpfen, war, den Song aus vollster Überzeugung und Leidenschaft zu singen. Und das tat ich. Vielleicht traf ich nicht jeden Ton. Vielleicht zitterte meine Stimme am Anfang, vielleicht wirkte ich unsicher.
Vielleicht.
Aber es gibt auch viele Dinge, die ich mit Sicherheit sagen kann: dass Marius und ich ein kraftvolles Duett ablieferten. Dass ich auf ihn zuging und mit ihm agierte, als gingen wir einer einstudierten Choreographie nach, dass wir miteinander spielten, als wären wir alte Bekannte.
Und dass das Publikum tobte, als ich den Schlusston so kraftvoll und lange gesungen hatte, dass ich mich selbst erstaunte. Ich war etwas außer Atem, aber ich konnte sehen, dass meine Mitschüler sich erhoben. Jamie und meine anderen Freunde feierten mich regelrecht, und zu allem Überfluss kam Marius noch einmal zu mir und schüttelte mir die Hand.
„Das war toll, Anouk, ich bin echt beeindruckt!“, sagte er.
„Danke“, sagte ich verlegen. Und plötzlich war Marius kein Darsteller mehr, den man aus der Ferne anhimmeln konnte – er war ein Arbeitskollege, ein Mensch wie wir alle, ein Normalsterblicher. Mit dem ich trotzdem nur zu gerne öfter auf der Bühne gestanden hätte.
„Ich fand es auch toll“, nutzte ich den kurzen Moment der Ungestörtheit – Frau Kurth war schon wieder auf dem Weg zu uns. Ich hielt mir mein Mikro zu, damit nicht jeder mitbekam, was wir hier redeten. „Ich bin ein großer... Bewunderer von Ihnen. Vielen Dank, dass ich mit Ihnen singen durfte.“ Die Worte waren zu gestelzt und kamen viel zu schnell aus meinem Mund, aber er lachte herzlich und drückte mir noch einmal die Hand, ehe Frau Kurth wieder das Wort ergriff. Doch vor lauter Aufregung bekam ich gar nicht richtig mit, wie sie die Zuschauer verabschiedete.
Als die Zuschauer den Raum verließen, suchten Sarah und ich die kleine Garderobe auf, in der unsere Sachen lagen. Doch schon hinter der Bühne blieben wir stehen, sahen uns eine Sekunde lang an – und begannen zu kreischen und zu lachen wie zwei hysterische Hühner.
„Ich fass es nicht!“, schrie sie mich an, „du hast mit ihm gesungen!“
Und ich schrie zurück „Ja, und es war so toll!“
Und dann lachten wir wieder und fielen uns in die Arme.

Als wir die Bühne gemeinsam aufräumten, sah ich die drei Personen, die noch in der leeren Aula standen: meine Mutter und – mein Herz machte einen freudigen Hüpfer – Daniel, ziemlich weit vorne, und mein Vater, der am Ende des Gangs stand. So, wie meine Mutter dreinschaute, hatte sie ihn schon bemerkt. Ich winkte ihr zu und bedeutete ihr, dass ich noch schnell aufräumen müsse, ließ mir dann aber doch Zeit, den Stuhl hinter die Bühne zu bringen. So gern ich Daniel sehen wollte – auf eine Gegenüberstellung meiner Eltern konnte ich verzichten.
„Hey, war das da vorne dein Freund?“, fragte Sarah.
„Ja.“ Ich konnte ein Grinsen nicht unterdrücken, das aber sofort wieder erlosch. „Und meine Eltern sind beide da“, fügte ich mit unheilschwangerer Stimme hinzu. Sarah drückte mir mitfühlend den Arm. „Meine Verwandten warten draußen auf mich“, sagte sie leise, als wir die Bühne hinunter stiegen. „Wir sprechen uns morgen. Falls was schlimmes passiert, ruf mich sofort an!“ Besonders der letzte Satz klang ziemlich besorgt. Ich sah ihr nach, wie sie den Saal verließ, mit hüpfenden Locken, dann ging ich mit weichen Knien auf Daniel zu. Er begrüßte mich überschwänglich mit einer Umarmung und einem nicht enden wollenden Kuss, und dieses Willkommen hob meine Stimmung erheblich. Ich fühlte mich nun mutig genug, meiner Mutter gegenüber zu treten. Sie umarmte mich ebenfalls, und ihr Lob fiel nicht minder groß aus als Daniels. Dann allerdings verfielen wir in ein seltsames, angespanntes Schweigen, während dem ich immer wieder zu meinem Vater sah. Daniel löste das Dilemma mehr oder weniger geschickt, indem er einfach sagte: „Ich glaube, da wartet noch jemand auf dich, Anouk.“
Ich drehte mich langsam um, und aus dem Augenwinkel konnte ich sehen, dass Mama es auch tat. Ich ging auf meinen Vater zu, aber sie hielt mich zurück.
„Ich möchte ihn nicht sehen, Anouk!“, sagte sie. Ihre Stimme klang scharf, aber sie zitterte bedenklich. Ich blieb wieder stehen, hin und hergerissen zwischen den beiden – so hatte ich mir das nicht vorgestellt.
„Wie wäre es, wenn ich uns einfach schon mal ins Hotel fahre?“ fragte Daniel und gab mir einen weiteren, flüchtigen Kuss. „Wir sehen uns morgen“, flüsterte er und ging voraus. Mama blieb noch einen Moment und sah mich zweifelnd an.
„Mach dir bitte keine Sorgen“, wehte ich ihre unausgesprochene Warnung leise ab. „Ich kann’s verstehen, wenn du ihn nicht sehen willst, aber für mich ist er… er ist… Für mich ist er wichtig geworden.“ Ich atmete erleichtert aus. Dies war tatsächlich ein Abend voller Erkenntnisse – erst jetzt, wo ich es ausgesprochen hatte, merkte ich, dass es die Wahrheit war: ich brauchte meinen Vater. Sie sah mich noch eine Sekunde lang nachdenklich an, dann drückte sie mir einen Kuss auf die Stirn und ging. Ohne meinen Vater mit einem Blick zu würdigen. Ich wartete, bis sie weg war, dann ging ich auf ihn zu.
„Hallo“, sagte ich uns ließ es zu, dass er mich an sich drückte.
„Ich bin sehr stolz auf dich“, sagte er.
„Tut mir leid, das wegen Mama“, erwiderte ich. „Sie wollte dich nicht sehen, na ja…“
„Mach dir keinen Kopf“, tröstete er mich. „Liegt ja auch irgendwie auf der Hand…“
„Ja.“
Wir schwiegen uns an, wie wir es oft taten, aber inzwischen war es kein unangenehmes Schweigen mehr.
„Wie sieht’s aus, soll ich dich fahren?“, fragte er. „Ich bin mit dem Auto da.“
„Das wäre nett“, erwiderte ich, und als wir in die laue Frühlingsnacht hinausgingen, legte er den Arm um meine Schulter.
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Re: Mich trägt mein Traum

Beitragvon Gaefa » 01.06.2014, 12:59:47

Welch ein Familien und Gefühlschaos! Aber der Teil hat mir total gut gefallen. Schön geschrieben wie immer und detailliert beschrieben - genial! Ich hab immer das Problem, dass ich mich selbst nie kurz fassen kann, weil ich so neugierig auf alle Einzelheiten bin *g* Deshalb kam mir der Teil sehr gelegen - toll! Ich bin gespannt, was die Begegnung mit Marius verändert und wie sich das Verhältnis zwischen Anouk, ihren Eltern und Daniel weiter entwickelt. Lass mich nicht zu lange warten ;)
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Re: Mich trägt mein Traum

Beitragvon Ophelia » 03.06.2014, 18:48:46

Sooo, hier geht's weiter, mit einem kurzen und schnellen Teil, weil mir ein bisschen die Ideen ausgegangen sind. Dafür geht's bald mit dem 2. Jahr weiter, und da wird viel unerwartetes passieren ;)

„Guck mal, hier seh’ ich einfach unmöglich drauf auf.“
„Ja, aber schau mal da – richtig toll!“
„Ich weiß nicht, guck mal, wie meine Haare da liegen, total komisch…“
Sarah und ich schauten uns die Fotos an, die von den Konzerten gemacht worden waren. Einige hingen in einer Fotostrecke vor den Gesangsräumen, aber jeder Darsteller hatte ein paar Abzüge der Shows bekommen.
Inzwischen neigte sich das Schuljahr dem Ende zu. Es lag eine nervöse Anspannung in der Luft, die jeder Lehrer anders behandelte. Während Parker uns mit wütenden Monologen die Möglichkeit gab, Dampf abzulassen, nutzten die Tanzlehrer unsere Adrenalinschübe schamlos aus, um unsere kleinen Tanzchoreographien zu perfektionieren. Auch Mrs. Paige schraubte ihre Anforderungen noch einmal sehr hoch; sie teilte mir The winner takes it all zu und malträtierte mich und meine Stimme so lange mit Überstunden, bis sie meinte, dass ich mich ihren plötzlich ins Unermessliche gestiegenen Ansprüchen näherte. Ich verstand nicht, warum sie mich plötzlich so rannahm, und klagte Daniel am Telefon mein Leid.
„Ich weiß gar nicht, was sie auf einmal hat. Ich dachte, gegen Schuljahresende können wir alles ein bisschen schleifen lassen, aber besonders Mrs. Paige zieht noch mal richtig an.“
„Vielleicht will sie dir einfach nur deutlich machen, dass du nie aufhören solltest, an dir zu arbeiten“, mutmaßte er. „Oder dich noch mal richtig anspornen.“
„Das einzige, was sie anspornt, ist meine Müdigkeit“, erwiderte ich resigniert. „In letzter Zeit kommt es mir vor, als würden uns alle noch mal ganz genau auf den Zahn fühlen.“
„Kein Wunder, bald stehen Abschlusszeugnisse an. Übrigens habe ich eine Wohnung in Hamburg gefunden.“
„Echt? Wer finanziert sie dir?“
„Niemand“, gab er zu. „Meine Eltern knapsen ab und zu mal was ab, wenn sie können.“
„Wie willst du dann da wohnen?“, fragte ich reichlich verwirrt.
„Ich habe einen Nebenjob angenommen.“
„Bitte?“, fragte ich erschrocken. „Daniel, weißt du, wie hoch die Ansprüche da sind, und wie wenig Zeit du manchmal hast?“
„Weiß ich doch“, kam es mir eine spur verärgert entgegen. „Ich arbeite ja nachts. In einer Bar, von neun bis drei.“
„Das ist totaler Wahnsinn, Daniel“, warnte ich ihn. „Du wirst fix und fertig sein, noch vor den ersten Ferien.“
„Unsinn, ich bin zäh“, widersprach er, und auf dieser Meinung bestand er auch. Ich hielt sein Vorhaben für gefährlich, doch er schmetterte jeden weiteren Einwand beharrlich ab. So endete unser Telefonat nicht ohne einen faden Beigeschmack.

Die Aula war voll bis auf den letzten Platz; zum Glück hatte Sarah uns mehrere Plätze reserviert. Mein Bus hatte ausgerechnet heute eine Verspätung, bei der er gleich hätte ausfallen können. Auf den letzten Drücker schlüpfte ich in die Aula und folgte dem winkenden Arm von Michael, der mich auf meinen Platz dirigierte.
„Mann, ich bin k.o.“, schnaufte ich. „Blöder Bus.“
„Mach doch den Führerschein“, meinte Jamie.
„Klar. Dazu wird’ ich demnächst bestimmt Zeit haben“, entgegnete ich sarkastisch. Doch als das laute Stimmengewirr zu einen Murmeln herabsank und schließlich ganz verebbte, schaute auch ich nach vorn. Mrs. Paige betrat die Bühne und richtete das Mikrofon am Rednerpult.
Es war der letzte Schultag und Zeugnisausgabe. Dank der vorhergehenden Gespräche wusste ich, dass meine Noten sogar in allen Tanzfächern recht passabel waren und das man große Hoffnungen in mich hatte. Ab jetzt hieß es, dem Druck standzuhalten. So etwas sagte auch Mrs. Paige in ihrer nicht enden wollenden Rede: dass wir uns, egal in welchen Schuljahr wir seien, nicht unterkriegen lassen dürfen, dass wir Vertrauen in unsere Fähigkeiten haben müssen – denn nicht umsonst seien wir die wenigen Schülerinnen und Schüler, die an der Music&Art lernen durften. Irgendwann schaltete mich ab und ging in Gedanken meine Checkliste für die Heimreise durch. In den sechswöchigen Sommerferien würde ich zwei Wochen an der Ostsee ausspannen können und mich anschließend bestimmt noch oft mit Daniel oder Bertelin treffen. Und eine Woche vor Unterrichtsbeginn würde ich zurück nach Hannover fahren…
Ich schreckte aus meinen Tagträumen auf, als mein Name genannt wurde. Etwas verspätet stolperte ich den Gang hinunter und nahm mein Zeugnis entgegen und das beiliegende Schreiben, das mir noch einmal Talent attestierte. Und dann war das Schuljahr vorbei.
„Unglaublich“, sagte Jamie aufgedreht, „unglaublich! Wir haben es alle geschafft!“
„Meine Schwestern werden große Augen machen, wenn sie meine Noten sehen“, meinte Sarah. Michael reckte seinen Eltern, die ihn bereits heute abholten, stolz sein Zeugnis entgegen. Und Liam und Isabelle standen in der Ecke und knutschten. Seufzend wandte ich mich ab.
„Na, hast du Lust, noch etwas trinken zu gehen? Als Abschluss sozusagen?“
„Klar.“ Ich hakte mich bei Sarah ein, und gemeinsam liefen wir in den Sonnenschein, eine fröhliche Gruppe Schüler, die den Beginn der Ferien feierte.
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Re: Mich trägt mein Traum

Beitragvon Gaefa » 03.06.2014, 20:04:22

Ein schöner Teil! Mal sehen, was das zweite Jahr so mit sich bringt. Für Anouk und Daniel seh ich irgendwie schwarz. Allein die Tatsache, dass sie ein Jahr Trennung scheinbar problemlos überstanden haben, ist allerdings erstaunlich. Am Ende des Schuljahres hätte ich mir von Mrs. Paige sowas wie "Denken Sie ja daran, dass Sie auch in den Ferien nicht auf der faulen Haut liegen und ihre Stimme im Schuss halten." ;) Aber das wird ja vllt nur untergegangen sein.
Ich freu mich auf Jahr 2!
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Re: Mich trägt mein Traum

Beitragvon Ophelia » 04.06.2014, 12:52:01

Gaefa hat geschrieben:Ein schöner Teil! Mal sehen, was das zweite Jahr so mit sich bringt. Für Anouk und Daniel seh ich irgendwie schwarz. Allein die Tatsache, dass sie ein Jahr Trennung scheinbar problemlos überstanden haben, ist allerdings erstaunlich
Der folgende Teil bringt diesbezüglich ein wenig Licht ins Dunkel... oder auch nicht ;) Jedenfalls viel Spaß beim Lesen. Es würde mich freuen, wenn ein paar mehr Kommentare geschrieben werden... Die 781 Zugriffe stammen doch wohl nicht alle von Gaefa? :shock:

Grüne Felder und blauer Himmel zogen vor dem Fenster vorbei, in dem sich mein Gesicht spiegelte. Die Scheibe war zerkratzt und beschmiert, und tausend Aufkleberreste klebten daran wie Puzzlestücke.
Ich saß im Zug nach Hannover, einem schnarchenden Mann gegenüber, und ließ die vergangenen Sommerferien Revue passieren…
Sie hatten vielversprechend angefangen: der Urlaub an der Ostsee entpuppte sich als wahre Bereicherung für meine Nerven, die trotz aller Freude an der Schule zum Reißen gespannt waren. Nach ein paar Regentagen spielte sogar das Wetter mit, und meine Mutter und ich verbrachten die Tage am Strand oder unternahmen lange Spaziergänge, vorbei an Dünen und Gräsern. Entspannt und glücklich kehrte ich also nach Hause zurück, mit dem sehnlichsten Wunsch, Daniel endlich wiederzusehen. Doch als ich mein Zimmer betrat, das seltsam unpersönlich geworden war, seit ich in Hannover wohnte, beschlich mich ein schlechtes Gewissen: an der Ostsee hatte ich kaum daran gedacht, zu trainieren oder zu üben.
„Es tut mir so leid, Daniel. Ich würde dich gerne sehen, aber… ich habe total wenig getan im Urlaub“, antwortete ich daher reichlich zerknirscht auf seinen enthusiastischen Anruf „Wann sehe ich dich endlich wieder?“
„Oh“, machte er, aber schon im nächsten Augenblick kam ihm eine Idee. „Hey, wie wär’s, wenn wir einfach zusammen üben?“
„Zusammen?“, wiederholte ich zögernd. Sagte man nicht, dass Paare niemals gemeinsam arbeiten sollten? – Andererseits würden wir nicht direkt arbeiten, sondern uns auf das kommende Schuljahr vorbereiten…
„Ja“, bestätigte er begeistert. „Dann können wir zur Hälfte lernen, und zur anderen Hälfte… irgendwas machen. Ich hab zum Beispiel noch einen Kinogutschein.“
„Okay“, willigte ich schließlich ein. Und machte Daniel damit augenblicklich zum glücklichsten Menschen der Welt.
„Ich freu mich jetzt schon“, sagte er. „Du kannst mir bestimmt viel beibringen, was mir einen kleinen Vorteil verschafft.“
Diesen Satz sollte er bald bitter bereuen.
Ich musste ein wenig lächeln, als ich an unsere erste gemeinsame „Probestunde“ dachte: das gute Wetter lud dazu ein, es sich in seinem Garten gemütlich zu machen, und als wir in der alten Hollywood-Schaukel saßen, holte mich fast wieder die Faulheit ein. Aber nur fast.
„Also“, sagte ich und löste mich aus seiner Umarmung, „legen wir los.“ Ich war plötzlich ganz kribbelig, weil ich ihn unterrichten konnte. „Welches Lied hast du bei der Aufnahmeprüfung gesungen?“
Dies ist die Stunde“, antwortete er, „aus Jekyll und Hyde.
„Sing’s mir mal vor!“, bat ich ihn. Er tat es, und bei seiner Stimme schmolz ich einerseits dahin, aber andererseits bemerkte ich auch Fehler, die mir vorher nie aufgefallen waren.
Wir machten uns also daran, an seiner Stimme zu arbeiten. Etwa zwei Wochen lang ging das Ganze gut: wir übten Duette ein und sangen sie zum Spaß, verzerrten unsere Stimmen am PC und träumten im warmen Gras von unserer erfolggekrönter Zukunft.
Doch zum Ende der Ferien wurde Daniel immer gereizter. Ich schob es auf meine baldige Abfahrt und neckte ihn sogar, dass es in der Ausbildung kein Zuckerschlecken werde. Aber es besserte sich nicht.
„Komm schon, Daniel“, rief ich ihm von der Hollywood-Schaukel aus zu. Bis eben hatte er unsere Stunde, die er sich ja selber gewünscht hatte, erfolgreich mit Tischtennis und langen Küssen hinausgezögert. Aber nachdem ich ihn an sein Vorhaben und seine Motivation erinnerte, gab er seufzend nach. „Du hast ja Recht“, meinte er und gab mir eine dankbare Umarmung.
Jetzt war von seiner Dankbarkeit nicht mehr viel übrig.
„Ich schaff’s halt nicht“, nörgelte er reichlich genervt. „Können wir nicht etwas anderes machen?“
„Das sagst du ständig“, erwiderte ich und griff nach der Limonade, die seine Mutter uns gebracht hatte. „Aber wenn’s später im Gesangsunterricht nicht klappt, kannst du auch nicht einfach aufgeben.“
„Später, später, später!“, rief er. „Du hörst dich wirklich an wie eine verschrobene Pädagogin!“
„Und du wie ein halbpubertärer Teenie“, hielt ich böse dagegen, gekränkt durch diesen unschmeichelhaften Vergleich. „Komm schon, das Lied ist toll“, versuchte ich dann, ihn versöhnlich zu stimmen, und hievte mich auf die Füße. „Diesmal mache ich auch mit.“
Wir hatten uns als Abschluss entschieden, Wenn ich tanzen will einzuüben, weil ich das Lied liebte. Aber entweder konnte Daniel den Text nicht, oder er sauste haarscharf an den richtigen Tönen vorbei. Wir begannen noch mal von vorn, aber er war nach diesem Vorfall unkonzentriert und nicht bei der Sache.
„Wenn du keine Lust mehr hast, können wir es auch sein lassen“, unterbrach ich genervt.
„Das sage ich dir doch schon die ganze Zeit“, entgegnete er, halb verwirrt, halb gekränkt.
„Immerhin war es deine Idee, dass wir zusammen proben.“
„Hätte ich gewusst, dass du es so ernst nimmst…“, murmelte er.
„Natürlich nehme ich es ernst!“, rief ich. „Die Ausbildung ist mir wichtig, ich will dir helfen!“
„Ja, klar“, erwiderte er sarkastisch.
„Was soll das heißen?“ Bei meinem scharfen Ton flog ein Vogel im Gebüsch auf und flatterte erschrocken davon.
„Na ja“, meinte er und schob die Hände in die Hosentaschen. „Manchmal kommt’s mir halt so vor, als würdest du nur vor mir angeben wollen.“
Dieses Geständnis machte mich für einen Moment sprachlos. Angeben? Ich? Kannte er mich tatsächlich so wenig? Ich sah ihn an und bekam Mitleid mit ihm. Er schien sich wirklich für zu schlecht zu halten. Ich ging auf ihn zu und legte die Arme um ihn.
„So ein Quatsch!“, sagte ich leise und lehnte mich an ihn. „Du weißt ganz genau, dass ich das nie tun würde. Es macht mir unheimlich Spaß, mit dir zu proben. Lass dich bloß nie unter Druck setzen! Auf der Schule wirst du später ganz viele haben, die – “
Er stieß einen Seufzer aus, der Bände sprach, und schob mich von sich.
„Da tust du’s schon wieder“, beschwerte er sich.
Was denn?“ Allmählich begann ich, wirklich wütend zu werden. Ich wollte ihn unterstützen, und er stellte sich an wie ein Baby!
„Du belehrst mich!“ Er ging auf Abstand. „Immer höre ich nur später, auf der neuen Schule, die anderen, da musst du drüber stehen, blablabla!“ Frustriert trat er gegen einen Gartenstuhl, der ratschend über den Boden rutschte.
„Aha, das sind meine Tipps für dich? Blablabla?“ Ich stemmte die Hände in die Hüften.
„Manchmal schon, ja!“, schleuderte er mir entgegen. „Ich wollte locker proben, und du quälst mich mit irgendwelchen langweiligen Techniken…“
„Weil die auch wichtig sind!“, schnappte ich. „Oder glaubst du, es tut dir gut, wenn du ständig unaufgewärmt singen willst?“
„Ich will doch alles gar nicht so ernst nehmen!“, rief er hilflos.
„Das klang am Telefon aber ganz anders! Du bist selbst Schuld, wenn du unzufrieden willst – du hast mich ja regelrecht zu diesen Stunden gezwungen!“
„Jetzt verdrehst du’s aber zu deinen Gunsten!“
„Pft“, machte ich, weil mir keine Erwiderung mehr einfiel. Um ihn nicht länger ansehen zu müssen, wandte ich mich um und trank meine Limonade auf. Die Kühle tat mir gut, und ich konnte wieder klarer denken.
„Hör mal“, sagte ich betont ruhig und drehte mich um. „Ich versteh’s, wenn du irgendwie… wie soll ich sagen… neidisch bist, aber – “ Ich verstummte, als ich seinen Blick bemerkte, und mir wurde heiß und kalt.
„Neidisch? Auf dich?“, wiederholte er fassungslos und wütend zugleich. „Als ob ich das nötig hätte! Ich bin ganz zufrieden mit mir, glaub mir!“ Er klang so abweisend und kühl, wie ich es noch nie erlebt hatte, und ich erkannte, dass ich ihn mit meiner falschen Wortwahl auf eine gewisse Weise erniedrigt hatte.
„Das hatte ich nicht so gemeint! Bitte, stell dich nicht so an, ich will dir nur erklären – “
„Ich hab genug von deinen Erklärungen!“, schnitt er mir laut das Wort ab. „Auf deinen Unterricht kann ich getrost verzichten, wenn er nur aus irgendwelchen dummen Ansprüchen und Zurechtweisungen besteht. Und wenn du mit meiner Stimme nicht zufrieden bist, dann schrei einfach weniger, dann hörst du, dass ich ganz okay klinge!“
Das saß. Alles, was er davor gesagt hatte, hätte ich verkraften können. Aber das mit meiner Stimme… stimmte einfach nicht. Sofort stellten sich alle Stacheln bei mir auf.
„Ich habe nie etwas an deiner Stimme auszusetzen gehabt!“, fauchte ich. „Jetzt verdrehst du alles! Es stimmt nicht, was du sagst, und das weißt du. Und wenn du meine Stimme beleidigst… dann… dann… dann beleidigst du mich, weil meine Stimme mich ausmacht und mir was bedeutest!“ Ich schnappte nach meiner Tasche und stürmte durch den Garten.
„Jetzt sag ich dir mal was:“, schrie ich und riss die Haustüre auf. Das besorgte Gesicht von Daniels Vater schaute mir entgegen, den Schlüssel schon in der Hand, aber ich beachtete ihn gar nicht. Ich war auf 180. „Wenn das deine Einstellung ist, dass diese Techniken dummes Zeug sind, dann wünsch ich dir jetzt schon viel Erfolg beim Versagen. Und noch was: als Schüler kannst du mir echt gestohlen bleiben!“ Ich schrie ihm die letzten Worte so laut entgegen, dass es in meinen Ohren klingelte, dann schlüpfte ich an seinem Vater vorbei und rannte die Straße hinunter, wo ich gerade noch den nächsten Bus erwischte. Trotz aller Wut und meinen enttäuschten Tränen lugte ich hoffnungsvoll aus dem Rückfenster. Aber Daniel folgte mir nicht.

Die Ferien hätten tatsächlich besser sein können. Unsere Verabschiedung war Wiedergutmachung zugleich, aber sie fiel kühl aus und zeugte von beiderseitiger Verletzung, Kränkung und Wut. Ich zwang mich, nicht daran zu denken, als ich durch die Stadt ging, langsam, und nach meinem Haustürschlüssel kramte. Aber trotz der netten Begrüßunge meiner Mitbewohner samt selbst gebackener Torte, die einem auf der Zunge zerging, fühlte ich mich unwohl und wollte nur noch allein sein. Als ich endlich in meinem Zimmer saß, konnte ich es plötzlich kaum mehr abwarten, endlich wieder Schule zu haben. Die würde mich wenigstens von meinem Liebeskummer ablenken.
Denn Liebeskummer hatte ich, und zusammen mit Scham und Wut konnte ich mich selbst nicht ausstehen.
Was ich rette, geht zu Grund
Was ich segne muss verderben
Nur mein Gift macht dich gesund
um zu leben musst du sterben

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Re: Mich trägt mein Traum

Beitragvon Gaefa » 04.06.2014, 13:34:13

Vorab erstmal: Respekt, dass du so schnell weiterkommst! Es ist ganz und gar nicht einfach so schnell eine Geschochte voranzutreiben und weiter zu schreiben - höchste Bewunderung dafür! Und zu den Zugriffen: Die Hälfte kommt von dir, wenn du Teile reinstellst oder meine Kommentare liest ;) Aber ich kenn das Gefühl und find es schade, dass sonst keiner was zu deiner tollen Geschichte schreibt!

Nun zu dem Teil:
Die arme Anouk, ich hätte ihr bessere Ferien gewünscht... Aber das scheint nicht ganz so gut zu klappen mit den beiden, ich bin gesapannt, wie es weitergeht und vor allem, wie Daniel mit der Hamburger Schule zurechtkommt.

Ich hoffe, du kannst dieses Veröffentlichungstempo beibehalten - ich würde mich sehr freuen!
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Re: Mich trägt mein Traum

Beitragvon little miss sunshine » 04.06.2014, 21:21:04

Auch wenn ich nicht immer kommentiere,so lese ich doch recht regelmäßig deine FF,und sie gefällt mir sehr gut.
Klar ist es schade für Anouk und Daniel,dass es nicht so gut zwischen Ihnen läuft...aber ich halte es für recht realistisch,dass eine Beziehung,in der die Partner sich in so unterschiedlichen Lebensphasen befinden, (und dann noch voneinander entfernt leben) sehr schwierig ist.
Wenn schon die Ferien nicht so gut liefen wie von ihr erhofft,wünsche ich mir für Anouk ein erfolgreiches 2. Schuljahr (vllt mit eeetwas weniger Stress)...schreib bitte schnell weiter! :)
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Re: Mich trägt mein Traum

Beitragvon Ophelia » 05.06.2014, 12:04:57

Gaefa hat geschrieben: Und zu den Zugriffen: Die Hälfte kommt von dir, wenn du Teile reinstellst oder meine Kommentare liest
Ach ja, klar :oops: :oops:
Dass es manchmal so schnell voran geht liegt übrigens daran, dass ich manchmal eine Idee für einen überüberübernächsten Teil oder so habe, mir also selbst voraus bin sozusagen ;) jetzt z.B. hab ich zwei Teile, die ich schon vor einer Woche geschrieben habe. Aber danke für das schöne Lob an euch beide, da schreib ich gerne schnell weiter :)

Ich hätte nicht gedacht, dass es sich so gut anfühlen würde, wieder zurückzukehren. Der von schmalen Kiesstreifen umgebene, graue Steinplattenweg hinter dem schmiedeeisernen Tor kam mir vor wie der Highway to heaven. Gut gelaunt spazierte ich auf die weit geöffneten Türen der Schule zu und genoss das Gefühl, nicht mehr die unerfahrene Erstklässlerin zu sein. Der Stress der Sommerferien fiel von mir ab und machte einer neuen, gelösten Gespanntheit Platz. Ich wusste, dass dieses Jahr anspruchsvoller sein würde, aber ich wusste auch, dass ich es schaffen konnte, wenn ich mich nur anstrengte. Die guten Noten vom letzten Jahr hatten all meine Selbstzweifel aufgelöst. Ich hatte ein neues, erfrischendes Selbstbewusstsein erlangt.
Gut gelaunt schlüpfte ich in den Kreis, den meine Klassenkameraden bildeten. Wie auf jeder anderen Schule auch ging es sehr laut zu, alle redeten durcheinander und erzählten von ihren Erlebnissen in den Sommerferien. Besonders Aubrey wurde, wie mir jetzt auffiel, von einem Schwarm Schüler umringt.
„Was ist da los?“, fragte ich Marvin, der neben mir stand.
„So wie es aussieht, hat sie vor, zu einer Audition zu gehen“, erwiderte der. „Sie will ein paar Lehrer dazu befragen.“
„Darf sie das denn?“, fragte ich erstaunt. Es war nicht so, dass ich mir keine Gedanken gemacht hatte über mögliche Engagements. Ich wusste auch, dass es nicht unüblich war, bereits in der Ausbildung Rollen zu bekommen – es zeugte jedenfalls von großem Talent!
„Klar. Sie ist sich nur unsicher und muss natürlich erst mit den Lehrern drüber sprechen.“ Er zuckte mit den Schultern. „In den Ferien habe ich mich auch schon umgesehen, aber Aubrey ist die einzige von uns, die es tatsächlich jetzt schon durchziehen will.“
Meine Laune sank ein winziges Stück und machte schlechtem Gewissen Platz. Ich hatte mich überhaupt nicht nach irgendetwas umgesehen!
„Und wofür will sie vorsingen?“
„Keine Ahnung. Ich bin noch nicht lange hier. Aber, hey, wie waren deine Ferien?“
„Oh, ganz gut“, sagte ich abwesend und starrte zu Aubrey. Ich wollte nur zu gern wissen, welche Rolle sie sich ausgeguckt hatte. Marvin neben mir seufzte. „Okay, hab’ schon verstanden, dass du lieber mit ihr reden willst.“
Ich sah ihn schuldbewusst an, aber er winkte ab. „Geh schon. Und wenn du mehr weißt, dann lass es mich wissen, ich bin genauso neugierig wie ihr alle!“
Ich lachte erleichtert und schob mich durch die Schülermassen. Zum Glück ließen die meisten gerade von Aubrey ab und wandten sich Isabelle zu, die wieder wegen irgendetwas Theater machte.
„He, Aubrey!“, rief ich. Sie drehte sich um.
„Ich hab gehört, du willst zu einer Audition?“, fragte ich und versuchte, nicht neugierig, sondern tatsächlich interessiert zu klingen – was ich ja auch war. Sie seufzte.
„Ja“, antwortete sie, „vielleicht sollte ich einen Aushang machen, dann weiß es jeder.“
„Oh, tut mir leid“, sagte ich. „Ich wollte nur nachfragen…“
„Schon gut.“ Sie hielt mir ein paar zusammengetackterte und völlig zerfledderte Blätter hin. „Da vorne ist die Rollenbeschreibung. Frau Kurth hat mir in den Ferien eine Mail geschrieben und mir die Audition empfohlen.“
Ich war so vertieft in die Rollenbeschreibung, dass ich ihren letzten Satz erst etwas verspätet verstand. Ich starrte sie an. „Frau Kurth?“, wiederholte ich verdattert. „Sie hat dir eine Mail geschickt? Was…?“
Aubrey lachte. „Ja. Sie hat gesagt, dass sie mir einen Auditionplatz vermitteln würde, wenn ich möchte. Sie meinte, ich wäre, na ja, ziemlich gut.“ Das letzte klang, als sei es ihr peinlich, das zuzugeben.
„So ist es ja auch“, murmelte ich und las weiter. „Soso, Maria Magdalena. Mann, das ist… das ist toll! Herzlichen Glückwunsch!“
„Noch ist ja gar nichts entschieden!“, wehrte sie meine Begeisterung ab und nahm die Zettel wieder an sich. „Ich muss erst eine Menge besprechen, und ehrlich gesagt weiß ich nicht, ob ich da überhaupt hin soll…“
„Was?!“, fiel ich ihr ins Wort.
„Na ja, wenn ich genommen werde, werde ich eine Menge Unterrichtsstoff verpassen“, gab sie zu bedenken.
„Aber du wirst mehr Erfahrung als wir alle haben!“, setzte ich dagegen.
„Das stimmt“, lenkte sie ein. „Allerdings glaube ich nicht, dass ich die einzige sein werde. Ich habe Freunde im dritten Jahr“, fuhr sie fort, als sie meinen fragenden Blick bemerkte, „die haben erzählt, dass ab dem zweiten Jahr viele Auditions besucht werden, zumindest war es bei ihnen so. Und einige haben tatsächlich ein Engagement bekommen.“
Nach dieser Unterhaltung war mir ein wenig mulmig. Mir, und allen anderen, dämmerte, dass die Zeit der unbeschwerten Schulzeit vorbei war.

„Ich habe auch was rausgefunden“, sagte Sarah. „Isabelle und Liam haben sich in den Ferien getrennt!“
Wir saßen in der Schulcafeteria und genossen unsere freie Stunde. Bereits jetzt, nach einem halben Tag, hatten wir einen Haufen Aufgaben aufgebrummt bekommen. Sarah und ich nutzten die Zeit, um uns über diversen Klatsch auszutauschen.
„Überrascht mich nicht“, erwiderte ich und rührte in meinem Tee herum. „Sag mir lieber, wie wir diese ganzen Aufgabenberge schaffen sollen.“
„Oh ja!“, Sarah hievte ihren Ordner auf den Tisch. „Ich musste ja schon bei der Grease-Aufgabe schlucken“, sagte sie, „aber als Parker dann auch noch mit diesen Mini-Inszenierungen kam… Und in Gesang wurde mir bereits angedroht, dass ich ein Duett einstudieren soll.“ Sie vergrub den Kopf in den Händen. „Ich fürchte, wir sind im Musical-Geschäft angekommen, brummte sie.
Es waren tatsächlich viele Aufgaben, die wir bisher bekommen hatten: In Ensemble und Tanz würden wir gemeinsam eine Grease-Choreographie mit Tanz, Gesang und allem drum und dran einstudieren, Parker hatte uns aufgetragen, einen Song alleine oder maximal zu dritt einzustudieren und zu inszenieren, und mir schwante, dass das noch nicht alles war. Außerdem hatten wir dieses Jahr ein neues Fach – Stepptanz. Ursprünglich hatte ich mich darauf gefreut, aber jetzt… Wusch mir alles etwas über den Kopf.
„Was hast du gleich?“, fragte Sarah. „Ich habe noch mal zwei Stunden Gesang Einzel.“ Sie stöhnte.
„Stepptanz, Gruppe eins“, antwortete ich. „Und Mrs. Paige hat mir einen Zettel an meinen Spind geklebt. Nach der letzten Stunde muss ich noch mal zu ihr rauf und irgendwas besprechen. Wer weiß, was das schon wieder soll.“
„Hey, Anouk, ist hier noch frei?“, fragte Liam.
„Klar.“ Ich zog den Stuhl zurück, und er setzte sich neben uns. „Na, hast du die vielen Aufgaben schon verdaut?“, fragte ich.
„Ich denke, es werden noch mehr“, entgegnete er. Sarah sagte schon gar nichts mehr. Sie schüttelte stumm den Kopf.
„Ich hätte gedacht, sie lassen uns erst mal richtig ankommen“, sagte ich.
„Wenn du in einem Ensemble bist, oder gar die Hauptrolle spielst, lassen sie dich auch nicht ankommen“, entgegnete er sachlich. „Dann heißt es lernen, und zwar zuverlässig.“
„Schon klar.“ Ganz der Musterschüler, wie immer. „Warst du in den Ferien in England?“
„Bei meiner Familie in London“, nickte er, „wieso?“
„Weil man das hört.“ Liams Akzent war nie hörbar gewesen, aber jetzt hatte seine Stimme einen etwas anderen Tonfall.
Wir plauderten ein wenig über unsere Ferien und sinnierten über das neue Schuljahr, und als es gongte, trennten wir uns wieder. Auf dem Weg aus der Cafeteria fing Isabelle mich ab.
„Hör mal“, sagte sie nicht sehr freundlich, „Liam und ich haben uns zwar getrennt, aber das heißt nicht, dass du dich wieder an ihn ranschmeißen kannst.“
„Das hab ich doch gar nicht“, erwiderte ich reichlich verdattert. „Wir haben geredet!“ Und was hieß hier wieder?
„Halt dich einfach zurück“, erwiderte sie kühl und rauschte davon. Ich starrte ihr fragend nach.
„Kein Wunder, dass sie immer unbeliebter wird“, sagte Sarah kopfschüttelnd. „Alle haben ein super Verhältnis, nur sie passt irgendwie nicht zu uns. Ich versteh das nicht.“
Nein, ich auch nicht.
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Re: Mich trägt mein Traum

Beitragvon Gaefa » 05.06.2014, 14:41:32

Schöner Teil! Ich bin gespannt, was Mrs. Paige von Anouk will. Und Isabelle... sie ist mir auch total unsympathisch. Mal sehen, was das ganze Beziehungs-Wirr-Warr noch so gibt! Lass uns nicht zu lange zappeln ;) Aber wenn du Teile auf Vorrat hat, dann könnte es ja schnell gehen (zugegeben, ich hab auch viel mehr Teile geschrieben, als im Forum sind, aber da ich nicht weiterkomme, hab ich auch lange nix mehr reingestellt).
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Re: Mich trägt mein Traum

Beitragvon Ophelia » 06.06.2014, 16:37:06

Und es geht weiter...

Isabelles herablassende Ansage nagte an mir, und Stepptanz erwies sich schon beim Einstieg als schwieriger als erwartet. Schlecht gelaunt trat ich den Heimweg an, als mir auf halbem Wege einfiel, dass Mrs. Paige mit mir sprechen wollte, und wie der Blitz jagte ich in die Schule zurück. Etwas atemlos klopfte ich an ihre Bürotür und trat ein.
„Tut mir leid, ich hätte fast den Termin vergessen“, erklärte ich meine Verspätung.
„Kein Problem. Setzen Sie sich, Anouk.“
Ich ließ mich auf den Stuhl vor ihrem Pult fallen. Sie sah mich wohlwollend an.
„Konnten sie in den Ferien ein wenig entspannen?“, fragte sie.
„Eigentlich nicht“, gab ich zu, auch wenn ich mich fragte, warum sie das wissen wollte. „Ich hatte immer ein schlechtes Gewissen, wenn ich mal nicht irgendwas geübt habe.“ Klang das zu sehr nach Streberin? Egal, bei Mrs. Paige war es sinnvoll, mal etwas auf den Putz zu hauen. Sie nickte verständnisvoll. „Besser, man bleibt in der Übung“, sagte sie. „Besonders in Ihrem Fall… Ich habe hier eine Einladung für Sie, Anouk.“
„Eine Einladung?“, wiederholte ich.
„Zu einer Audition", präzisierte sie und schob mir einen schmalen Stapel Papier zu. „Das Rebecca-Ensemble würde es begrüßen, wenn Sie vorsingen.“
Ich war erst zu geschockt, um irgendetwas von dem lesen zu können, was auf dem Blatt stand.
„Sie… Sie meinen… Rebecca? Von Kunze und Levay?“, vergewisserte ich mich. Sie nickte. „Als Ensemblemitglied?“ Ich konnte es kaum glauben.
„Um genau zu sein“, sagte sie und tippte auf die Einladung, „sollen Sie für die Rolle der Ich vorsingen.“
Wie sollte ich darauf reagieren? Es war so unwirklich, das zu hören, dass ich gar nicht anders konnte als sie entsetzt anzuglotzen. In mir drin allerdings arbeitete es. Und zwar gewaltig.
„Wie… wie kommen die denn auf mich?“, fragte ich.
„Ein Darsteller, der bereits als Mitglied bestätigt ist, hat Sie der Jury wärmstens empfohlen“, erklärte sie geduldig. „Man rief mich also an, um Informationen über Sie einzuholen, und ich konnte nur bestätigen, was man über Sie berichtet hat: dass Sie für die Rolle auf jeden Fall infrage kämen, bereits jetzt über einen großen Stimmumfang und ein wenig Bühnenerfahrung verfügen.“
So viel, wenn auch indirektes, Lob auf einmal kannte ich von ihr gar nicht. Das konnte nur heißen, dass sie tatsächlich größte Hoffnungen in mich setzte. Plötzlich verunsicherte mich das.
„Ich weiß gar nicht, was ich jetzt sagen soll“, sagte ich nach einem kurzen Schweigen mit zittriger Stimme. „Damit habe ich irgendwie gar nicht gerechnet…“
„Wichtig ist, dass Sie sich der Konsequenzen bewusst werden, die ein mögliches Engagement mit sich bringt“, erwiderte sie ruhig. „Sie werden einen straffen Zeitplan haben und manchmal ist es unvermeidlich, dass Sie Unterrichtsstoff mitarbeiten müssen, was heißt, dass Sie vielleicht oft unter Zeitmangel leiden. Bedenken Sie aber auch, dass Sie wertvolle Erfahrungen sammeln können, die Ihnen den einstieg in den Berufsalltag erleichtern werden. In einem Ensemble lernt man auch immer voneinander, Anouk. Sie würden vielleicht Fortschritte machen, die anderen verwehrt bleiben.“
Ich las die Rollenbeschreibung auf dem Blatt, aber die Buchstaben tanzten vor meinen Augen. Schließlich sah ich auf. „Wozu raten Sie mir?“, fragte ich unsicher.
„Gehen Sie zu der Audition“, erwiderte sie. „Das wäre mein Rat. Aber überdenken Sie alles ganz genau, ehe Sie sich entscheiden. Ich kann nur sagen, dass es eine große Ehre für Sie ist, gefragt zu werden. Dessen sind Sie sich vielleicht nicht bewusst.“
Nein, das war ich nicht. Ich war erst mal völlig platt von diesem ersten, ereignisreichen Schultag, der mir plötzlich unendlich lang und zäh vorkam. In meinem vertrauten Zimmer der WG hatte ich endlich ein paar Stunden für mich allein, aber mir schwirrte der Kopf vor lauter Informationen. Durch das ganze Gewirr aus Fragen, Forderungen und Ratschlägen filterte sich plötzlich ein entscheidender Satz: „Ein Darsteller, der bereits als Mitglied bestätigt ist, hat Sie der Jury wärmstens empfohlen…“ Ich sprang auf und schaltete meinen PC ein, und in meinem Magen begann es zu kribbeln. Ich stellte fest, dass ich während der Ferien doch etwas isoliert gewesen war, zumindest hatte ich den Überblick über den derzeitigen Markt verloren.
Ich rief die neue Seite des Musicals auf. Mehrere Links sagten dem Besucher, dass noch viele Rollen offen seien; unter Darsteller fand ich schließlich, was ich suchte.
Mrs. Danvers – folgt in Kürze
„Ich“ – offen
Maxim de Winter – Marius Hübert

Mit einem Mal hielt ich es in meinem Zimmer nicht mehr aus. Ich schaltete den PC aus, ohne ihn vorher herunterzufahren, und stürmte aus dem Haus. Es gab eine Menge Menschen, mit denen ich meine Begeisterung teilen wollte, aber an erster Stelle stand nur einer.

Mein Vater sah mir halb ungläubig, halb erfreut entgegen, als ich vor seiner Türe stand. Ich hatte ihn Ende des ersten Schuljahres öfter besucht, aber in den Sommerferien hatten wir nur wenig Kontakt gehabt – hauptsächlich aus Rücksicht auf Mama. Dass ich jetzt so plötzlich auftauchte, schien ihn zu überraschen, aber auch zu freuen.
Erst wurde er aus meinem wirren Gefasel nicht so richtig schlau, aber schließlich brachte ich vernünftige Sätze hervor, und dann saßen wir beide schweigend vor unserem Kaffee und versuchten uns vorzustellen, was da gerade passierte.
„Und das ist die Hauptrolle?“, vergewisserte er sich.
„Eine der Hauptrollen, ja“, sagte ich. „Im Buch ist es tatsächlich die Erzählperson.“
„Und ein Darsteller hat dich empfohlen?“
„Ja, Marius Hübert. Mit dem ich Totale Finsternis gesungen hab, weißt du noch? – Ich hätte nie gedacht, dass so etwas geht, geschweige denn, dass er es macht… Wahnsinn. Ich weiß gar nicht, was ich machen soll.“
„Natürlich gehst du hin!“, sagte er. „Zeig allen, was du drauf hast! Ich verspreche, ich werde jeden Abend in der ersten Reihe sitzen.“
„Das ist lieb von dir, aber…“ Ich fuhr mit dem Finger über den Tassenrand. „Ich weiß nicht, ob ich dem, wie soll ich sagen, gewachsen bin.“
Er legte den Kopf schief. „Was meinst du?“
Rebecca – das ist eine große Sache. Wieso sollten sie einen Nachwuchs-Darsteller nehmen? Und wer sagt mir, dass sie mich nicht nur nehmen, weil Marius es will?“
„Erstens denke ich, dass die Antwort auf der Hand liegt: weil du eine tolle Sängerin bist. Und zu deiner zweiten Frage…“ Er lächelte ein wenig. „Ich glaube nicht, dass er sie dazu zwingen kann. Er hat dich vorgeschlagen, und jetzt bist du eingeladen. Nutze die Chance, Anouk. Das ist alles, was ich dir sagen kann. Nutze jede Chance, die du hast, um deinen Weg zu gehen. Ich hab’s oft nicht gemacht, und jetzt habe ich die Rechnung dafür bekommen.“
Er hatte ja Recht. Trotzdem telefonierte ich zu Hause noch bis tief in die Nacht hinein mit Sarah. Daniel konnte ich nicht erreichen. Er hatte sein Handy ausgestellt.
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Re: Mich trägt mein Traum

Beitragvon Gaefa » 07.06.2014, 09:41:12

Schöner Teil und toll, dass sie bei Rebecca spielen soll! Ich bin gespannt, was aus dem Vorsingen wird und drücke ihr die Daumen. Wobei ich nicht weiß, ob direkt die Hauptrolle einer so großen Rolle wirklich an sie gehen sollte, aber als Alternate wäre schon ne ziemlich coole Sache ;)
Ich freu mich auf die Fortsetzung!
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Re: Mich trägt mein Traum

Beitragvon little miss sunshine » 07.06.2014, 09:57:50

Gaefa hat geschrieben:Wobei ich nicht weiß, ob direkt die Hauptrolle einer so großen Rolle wirklich an sie gehen sollte, aber als Alternate wäre schon ne ziemlich coole Sache ;)

Das seh ich ähnlich;-). Ansonsten wieder ein schöner Teil,und super,dass sich dieser Marius Hübert so für Anouk eingesetzt hat :handgestures-thumbupright: .
Sehr interessant finde ich,dass sie die Situation mit allen bespricht bis auf Daniel - es ist ja schon irgendwie bezeichnend,dass er "nicht erreichbar" ist...
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Ophelia
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Re: Mich trägt mein Traum

Beitragvon Ophelia » 09.06.2014, 13:19:11

little miss sunshine hat geschrieben:
Gaefa hat geschrieben:Wobei ich nicht weiß, ob direkt die Hauptrolle einer so großen Rolle wirklich an sie gehen sollte, aber als Alternate wäre schon ne ziemlich coole Sache ;)

Das seh ich ähnlich;-).

Nun ja, Sabrina Weckerlin hat meines Wissens nach auch recht früh eine Rolle in 3M bekommen, auch wenn diese nicht so groß ist wie Ich. Aber jetzt kommt erst mal die Audition, mal sehen, was die bringt ;)

Ich weiß noch, dass alles sehr förmlich und genau war und dass mir furchtbar schwindlig war, während ich zwischen den verschiedenen Darstellern saß und darauf wartete, dass man mich herein rief. Gleichzeitig schwirrte mir der Kopf von all den Choreographien, die ich in den letzten Tagen beinahe gewaltsam in mich hinein gestopft hatte.
Aber nun war ich hier – bei der Audition. Ganz allein, in einer fremden Stadt, in Berlin. Groß und unübersichtlich. Es war ein glattes Wunder, dass ich hergefunden hatte. Ich starrte verstohlen auf die bekannten Darsteller, die ich schon live erleben durfte. Es war erleichternd zu sehen, dass sie oftmals genauso aufgeregt waren wie ich. Ich wagte es nicht, noch einmal meinen Text hervorzukramen oder die Noten einzusehen. Der Song saß bombenfest, wie zu erwarten war – Mrs. Paige hatte mir endlos lange Extrastunden aufgebrummt. Manchmal war ich erst um zehn Uhr die letzte Schülerin, die die Schule verließ.
„Haben Sie sich schon Gedanken gemacht, welches Lied Sie vorsingen möchten?“, hatte Mrs. Paige gefragt, nachdem ich zugestimmt hatte, zu der Audition zu gehen.
„Nein…“, sagte ich.
„Dann tun Sie das“, erwiderte sie streng. „Bereiten Sie außerdem alles vor, was von Ihnen an Formalien verlangt wird, Lebenslauf, bisherige Erfahrungen, etc.“
Als sie das sagte, sank meine Laune und mein Mut. So viel zu tun, und so wenig Zeit!
„Und nicht zu vergessen“, fügte sie hinzu, als ich schon gehen wollte, „setzen Sie sich mit der Rolle eingehend auseinander.“
Himmel, sie tat ja gerade so, als sei ich schon genommen! Aber ich beherzigte ihren Rat. Ich las das Buch Rebecca in meiner freien Zeit und sah mir den Film an. Mrs. Paige hatte mir davon abgeraten, das Musical zu hören oder gar Ausschnitte anzusehen, um meinen „künstlerischen Prozess nicht durch vorgegebenes Rollenverhalten beeinflussen zu lassen.“
Allerdings hatte ich auch noch mehrere Choreographien und Songs zu lernen, ganz zu schweigen von dem Song für die Audition, den ich immer noch nicht ausgewählt hatte. Wenn ich von der Schule zurückkam, was frühestens vier, spätestens zehn Uhr war, musste ich theoretische Aufgaben erledigen, interpretieren, auswendig lernen, das Buch lesen und mich mit der Rolle der Ich beschäftigen. Vor zwei oder drei Uhr kam ich nicht ins Bett, und am nächsten Morgen musste ich wieder um halb sieben Uhr aufstehen. Ich gewöhnte mir an, mein Frühstück abends an mein Bett zu stellen. So konnte ich mich zeitgleich anziehen, die Tasche packen und wenigstens eine Kleinigkeit essen. Für großartiges Zurechtmachen blieb im Bad keine Zeit, und so verbannte ich Wimperntusche und derlei Kram in den hintersten Winkel meines Spiegelschränkchens. Und dann hieß es Singen, auf Knopfdruck weinen, umziehen, Steppen, umziehen, durch den Ballettsaal wirbeln, wieder umziehen, Pause, Singen, Theorie, Aufgaben machen, alles geben… Wann ich mich an diesen anstrengenden Rhythmus gewöhnte, weiß ich nicht mehr. Es passierte irgendwann automatisch, und Hunger oder Müdigkeit wurden zu lästigen Bedürfnissen, die bekämpft werden wollten.
„Nun, welchen Song haben Sie ausgewählt?“, fragte Mrs. Paige nur wenige Tage später.
Ich hätte nur zu gerne wieder Nur für mich gesungen, denn dieser Song schien mein Erfolgsrezept zu sein, aber ich wusste, dass das ein Fehler sein würde – ich musste mich immer wieder neu erfinden statt Altes zu entstauben.
„Ich bin mir nicht ganz sicher, welchen ich nehmen soll“, gestand ich, „aber ich habe mir viel Gedanken gemacht: Ein neues Leben aus Jekyll und Hyde“, begann ich aufzuzählen, „oder Live out loud aus A little Princess.“
Mrs. Paige ließ sich nicht anmerken, was sie von meiner Auswahl hielt. Sie fragte lediglich: „Können Sie Ihre Wahl begründen?“
„Ja“, nickte ich. „Ich wird in der Rollenausschreibung als schüchternes, unerfahrenes Mädchen der unteren Klasse bezeichnet, die mit ihrer plötzlichen Berühmtheit und der Verantwortung nicht umgehen kann. Aber während des Stückes wandelt sie sich aus Liebe zu Maxim zu einer selbstbewussten Frau. Ein neues Leben beschreibt ebenfalls einen solchen Wandel: der Wusnch nach einem neuen Leben ist erst verzweifelt und hoffnungslos, dann wagt die Sängerin aber doch einen neuen Anlauf und findet sich selbst und fasst neues Vertrauen, wie Ich aus Rebecca. Live out loud setzt bereits an dem Punkt an, an dem der Sinneswandel gerade abgeschlossen ist – es ist ein sehr… rebellischer Song, der aber auch am Anfang Unsicherheit erkennen lässt.“ Ich hielt nach diesem Vortrag gespannt den Atem an. Mrs. Paige nickte wohlwollend.
„Und nun sagen Sie mir, welchen Song Sie vortragen werden.“
Ich schürzte die Lippen und dachte nach. „Auch wenn Ein neues Leben besser zu dem Charakter passt“, sagte ich langsam, „soll bei der Audition ja meine Stimme und meine Aussagekraft gezeigt werden. Live out loud klingt, glaube ich, besser, wenn ich es singe. Außerdem ist er nicht so bekannt wie Ein neues Leben… ich würde ein Risiko eingehen, aber auch… Mut beweisen?“
Mrs Paige nickte. „Das ist auch meine Sicht“, sagte sie. „Vertrauen Sie nicht auf Stücke, die jeder schon hundert Mal gehört hat. Zeigen Sie der Jury, dass Sie sich in der Branche auskennen und selbstbewusst genug sind, um sich auch bei einer Audition selbst auszuprobieren.“
Und zu begannen wir zu proben.
„Steger!“, rief eine Frauenstimme ziemlich fordernd, und ich landete wieder im Jetzt. Steger, das war ich. Mit wackligen Beinen stand ich auf und ging durch die geöffnete Flügeltüre. Der Raum dahinter war sehr groß und alt, mit Stuckdecke und knarrendem Parkett. An einem langen Tisch rechts von mir saß die Jury, und ich wurde noch eine Nummer aufgeregter, als ich die ganzen berühmten Songwriter, Choreographen und Regisseure sah.
„Guten Tag“, sagte ich artig und übergab dem Pianisten meine Noten.
„Guten Tag, Frau Steger.“ Einer der Anwesenden blätterte meine Mappe durch, scheinbar ohne etwas zu lesen. „Welchen Song werden Sie vorsingen?“
Ich schluckte gegen meine trockene Kehle an. „Live out loud“, antwortete ich und bemühte mich um eine normale Stimme. Mäusepiepen konnte ich jetzt absolut nicht gebrauchen. „Aus A little Princess von Andrew Lippa.”
Der Mann nickte. „Fangen Sie an.“
Ich nickte und gab dem Pianisten ein Zeichen, dass ich so weit war. Der Rausch, der mich jedes Mal beim Singen befiel, blieb diesmal aus. Ich wusste genau, wo ich war und was ich machte, aber der Druck machte meine Stimme nicht schlechter, im Gegenteil. Dieses konzentrierte, adrenalindurchflutete Singen verlieh mir neue Ausdruckskraft, für die ich sehr dankbar war.
„Vielen Dank, Frau Steger.“ Der Mann sah in die Runde. „Gibt es noch Fragen?“
„Ja, ich“, meldete sich die Choreographin und lehnte sich etwas vor. „Sind Sie noch in der Ausbildung?“
„Ja, im zweiten Jahr“, antwortete ich.
„Und über welche Bühnenerfahrung verfügen Sie?“
Hatten diese Menschen denn mein Schreiben nicht gelesen?! „Ich habe in den Musicalwochen die Elphaba in Wicked gespielt.“
„Vielen Dank, Anouk“, sagte die Choreographin. Da niemand mehr etwas sagte und sie alle begannen, sich leise zu unterhalten, verließ ich den Raum.
Bereits zwei Tage später wurde ich erneut zu einer zweiten Runde eingeladen. Mrs. Paige holte mich dafür extra aus dem Unterricht.
„Sie sind eingeladen, die zweite Runde zu besuchen“, sagte sie erfreut und reichte mir neue Zettel. „Studieren Sie dieses Lied rasch, aber ordentlich ein; in fünf Tagen müssen Sie es vorsingen.“
Fünf Tage! Woher sollte ich die Zeit noch nehmen? Zugegeben, Zeit in einer Flasche war nicht zu schwer, aber trotzdem… ich hatte wirklich viel zu tun. Woher ich die Zeit letztendlich doch noch nahm, weiß ich nicht. Ich wurde von einem Extrem ins andere geschleudert, und schließlich stand ich, nach einem neuerlichen Flug, wieder in Berlin vor der Jury und sang das Lied vor. – Die Armen, dachte ich, als ich geendet hatte, den ganzen Tag lang bekommen sie nur das eine Lied zu hören.
Alles, was sie anschließend sagten, war „Danke, Frau Steger, wir melden uns bei Ihnen.“
Und das war’s schon wieder. Erneut im Flugzeug. Ich fühlte mich plötzlich ausgelaugt und müde und hatte kaum mehr Kraft, nach dem kurzen Flug den Flughafen zu verlassen. Eine positive Überraschung machte mir mein Vater, der mich mit dem Auto abholte. Ich weiß noch, wie ich in mein Zimmer stolperte, mich auf das Bett warf und einschlief, völlig erschöpft von all den Proben.
Was ich rette, geht zu Grund
Was ich segne muss verderben
Nur mein Gift macht dich gesund
um zu leben musst du sterben


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