Wenn ich tanzen will

Eure musicalischen Stories oder Fanfictions könnt ihr hier posten.

Moderatoren: Sisi Silberträne, Elphaba

Benutzeravatar
Christine
Musical-Besucher
Musical-Besucher
Beiträge: 290
Registriert: 15.01.2012, 12:12:17

Wenn ich tanzen will

Beitragvon Christine » 03.05.2012, 18:25:01

So, hier noch eine FF von mir :) in der anderen bin ich gerade leider etwas einfallslos, aber hierfür hatte ich ein paar gute Ideen. Über Kommentare würde ich mich wie immer freuen^^ Enjoy =)


Inhalt: Die neunzehnjährige Sabrina hat gerade ihr Abitur hinter sich gebracht und strebt wie ihre große Schwester Dominique eine Karriere als Musicaldarstellerin an. Dieser Traum ist nicht so weit entfernt, wie sie noch glaubt...

Genre: diverse (unterschiedlich)

Disclaimer: Elisabeth gehört den VBW und Kunze/Levay, Geschichte und Charaktere mir


-------------------------------

Kapitel 1 – Jetzt bin ich frei und schwerelos

Endlich, dachte ich, endlich. Ich wunderte mich schon selbst, aber vor lauter Erleichterung, endlich nach dreizehn langen Jahren mein Abiturzeugnis in den Händen zu halten, fiel mir kein anderes Wort mehr ein.
„Sabrina!“ Meine große, hübsche Schwester Dominique kämpfte sich, meine Eltern im Schlepptau, durch die Menge der Schüler und gratulierenden Eltern und drückte mich fest an sich. „Gut gemacht, meine Süße. Ich wusste, du kriegst das hin. Und ein Wahnsinnsdurchschnitt! Du kannst echt stolz auf dich sein.“ Ich grinste. So nett war meine Schwester selten zu mir, aber am Tag meines Schulabschlusses wurde sie doch tatsächlich sentimental. Nicht, dass mich das gestört hätte.
Nun erreichten uns auch meine Eltern. „Dein Zeugnis ist unglaublich, Brina“, gratulierte mein Vater und meine Mutter umarmte mich, sobald Dominique von mir abließ.
„Danke“, murmelte ich. Ich freute mich ja wirklich sehr, endlich fertig zu sein. Aber einen solchen Menschenrummel hatte ich noch nie besonders gemocht.
Langsam realisierte ich, dass ich wirklich nie wieder zur Schule gehen musste, und vor lauter Freude und Erleichterung musste ich mich kurz setzen, weil meine Knie nachgaben. Gott sei Dank standen einige Stühle in der Nähe.

„Was machst du nun?“, wollte meine Mutter wissen, die immer noch mein Zeugnis in Händen hielt und es immer wieder betrachtete, als könnte sie es noch gar nicht glauben. „Hast du dich endlich auf ein Studienfach festgelegt? Ich will dich ja nicht drängen, aber du weißt, nächste Woche ist die Anmeldefrist zu Ende.“
Ich nickte. „Ich weiß. Aber…“ Vorsichtig warf ich einen Seitenblick auf meinen Vater – er würde das, was ich jetzt sagen wollte, wahrscheinlich nicht gut aufnehmen. Aber meine große Schwester, die natürlich schon bescheid wusste, nickte mir aufmunternd zu.
Ich schluckte und holte tief Luft. „Also… Ich habe mich auch noch für was anderes beworben.“ Meine Eltern blickten mich fragend an.
„Für was denn?“, ertönte hinter mir die Stimme meiner besten Freundin Annette. Sie grinste mich an und strich sich die rotbraunen Haare aus dem Gesicht, das vom Laufen noch ganz gerötet war. „Hab ich euch endlich gefunden. Gratuliere zum Abi“, grinste sie. „Also, wo hast du dich beworben?“
Ich lächelte; durch die Anwesenheit meiner Schwester und meiner langjährigen Freundin beruhigt. Sie würden mir schon Rückendeckung geben, sollten meine Eltern es allzu schlecht aufnehmen.
„Also, ihr wisst ja, dass Dominique jetzt dieses neue Engagement bekommen hat, im Ensemble von Elisabeth und als Cover der Hauptrolle. Und da dachte ich mir, sie fangen ja bald mit den Proben an…“ „Übermorgen“, warf Dominique mit einem strahlenden Lächeln ein, „das wird bestimmt fantastisch.“ „Ja“, pflichtete ich ihr bei. „Und deshalb habe ich beschlossen, ein bisschen Theatererfahrung zu sammeln, und… äh…“ Ich nahm allen Mut zusammen und blickte meine Eltern direkt an. „Ich habe mich als Praktikantin für Regieassistenz beworben. Auf die Bühne kann ich natürlich nicht, dafür bin ich nicht gut genug, aber einfach dabei zu sein und so eine Produktion entstehen zu sehen, ist unglaublich für mich. Und Dominique wäre ja auch da und kann auf mich aufpassen.“
Nicht, dass ich einen Aufpasser nötig hätte. Aber zum Glück wusste meine Schwester das so gut wie ich und wir hatten abgesprochen, dass sie die Pro-Forma-Aufpasserin spielen würde, um meine Eltern im Fall der Fälle zu beruhigen.

Eine Weile sagten meine Eltern nichts. Nervös beobachtete ich ihre besorgten Mienen. Obwohl meine Eltern sehr musikalisch waren und Dominique und mich schon als Kinder oft ins Theater oder in die Oper mitgenommen hatten, hatten sie nie gewollt, dass wir einen solchen Beruf ergreifen. Sie hatten Angst, wir könnten nicht davon leben – zugegebenermaßen keine ganz unberechtigte Sorge. Sie hätten es wohl viel lieber gesehen, wenn ich Medizin oder, wie Annette, Lehramt studiert hätte. Schließlich hatten sie sich schon Dominiques Wunsch nach dem Bühnenleben beugen müssen.
Natürlich war ich nicht auf ihre Zustimmung angewiesen – ich war neunzehn Jahre alt; wenn ich einen Job fand, konnte ich mich ohne weiteres auf eigene Füße stellen oder vorübergehend bei Dominique und ihrem Verlobten einziehen.
Aber trotzdem war mir wohler bei dem Gedanken, dass meine Eltern billigten, was ich tat.
Nach einer langen Pause seufzte mein Vater missbilligend. „Hast du dir das auch gut überlegt?“, fragte er streng. Ich hielt seinem Blick stand. „Ja.“
Er hob resigniert die Schultern. „Dann werden wir wohl nichts machen können.“
Ich lächelte triumphierend. Meine Schulzeit war vorbei – und ich begann meine Freiheit mit der schönsten Tätigkeit, die ich mir auf der Welt überhaupt vorstellen konnte! Glücklich umarmte ich meine Eltern und grinste über deren Schultern meine beste Freundin und meine Schwester an, die mein breites Lächeln erwiderten.

Am nächsten Morgen war ich früh wach. Das war keine Überraschung; auch die letzten Tage hatte ich nicht länger als bis sieben Uhr schlafen können. Schließlich wartete ich schon seit einer Woche auf die Antwort des Theaters auf meine Bewerbung, und heute musste sie kommen. Selbst wenn es eine Absage war; sie mussten mir ja vor Probenbeginn Bescheid geben. Außerdem hatten sie mir nach Eingang meiner Bewerbung vor drei Monaten geschrieben, sie würden sich rechtzeitig melden.
Der Tag vor Beginn der ersten Proben war für meine Begriffe die großzügigste Auslegung von rechtzeitig, die es überhaupt geben konnte.
Hellwach und mit schnellem Herzklopfen lauschte ich auf die Geräusche von draußen, um den Briefträger nicht zu überhören. Kaum hatte es gegen halb acht am Briefkasten geklappert, sauste ich im Nachthemd die Treppe hinunter und holte die Post nach oben.
Werbung und Post für meine Eltern warf ich achtlos auf den Küchentisch.
Ich holte tief Luft. Es war tatsächlich ein an mich adressierter Brief dabei; als Absender war das Theater angegeben. Mit zittrigen Fingern riss ich den Briefumschlag so schnell auf, dass ich auch den Brief darin leicht einriss. Hastig entfaltete ich das Blatt und begann zu lesen.

Kaum eine Minute später wurden meine Eltern von einem lauten Triumphschrei geweckt. Ich flog förmlich zum Telefon und klingelte Annette aus dem Schlaf, die sich mehr tot als lebendig meldete – sie war noch nie eine Frühaufsteherin gewesen.
„Ich hab es!!“, verkündete ich. „Ich darf zum Theater, als Regieassistentin bei Elisabeth! Ich hab’s wirklich gekriegt!“ Sofort war meine beste Freundin hellwach.
„Nicht dein Ernst! Das ist ja klasse, alles Gute, Süße! Du, das müssen wir feiern. Ich hol dich heute Abend um sieben ab und dann ziehen wir durch die Clubs, okay?“
Davon war ich nicht sonderlich begeistert. Solche großen Partys waren bisher selten nach meinem Geschmack gewesen. Aber ich kannte Annette – meine beste Freundin war der netteste und nachgiebigste Mensch der Welt, aber es gab Tage, da kam man ihren Plänen besser nicht in die Quere. An ihrem Tonfall erkannte ich, dass heute so ein Tag war.
„Na schön, wir müssen ja nicht zu lange bleiben, und vielleicht können wir danach ja noch was zu zweit machen?“, schlug ich vor. „Vielleicht“, lächelte Annette und dann legten wir beide auf, damit ich auch meiner großen Schwester, der Musicaldarstellerin, noch von meinem Glück erzählen konnte.

Benutzeravatar
Gaefa
Musical-Fan
Musical-Fan
Beiträge: 2203
Registriert: 20.03.2007, 18:32:59
Wohnort: Göttingen

Re: Wenn ich tanzen will

Beitragvon Gaefa » 03.05.2012, 20:50:47

Ui eine neue Geschichte von dir! Ich bin gespannt wie diese sich entwickelt.
Zu allererst: Schöner Teil! Gut geschrieben und man möchte gern wissen wie es deiner Protagonistin weiter ergeht.
Scheinbar hast du eine besondere Vorliebe für Elisabeth ;) Ich bin gespannt wie sich die Probenzeit entwickelt.
Ein geringes Problem hab ich persönlich mit den Namen der Schwestern. Sowohl Sabrina als auch Dominique assoziiere ich als Darstellerinnen mit zwei echten Darstellerinnen mit diesem Namen. Das ist so als Leseeindruck etwas hinderlich, da man probieren muss bei den Namen erstmal kein Bild vor Augen zu haben und sich darauf einlassen muss, wie du die Charaktere zeichnest. Aber das ist einfach ein persönlicher Eindruck, der sich ja vielleicht auch nur bei mir einstellt.
Ich bin trotzdem sehr gespannt, wie es weiter gehen wird!
~*Niemand nimmt mir meine Träume und schließt meine Sehnsucht ein, wo es Liebe gab und Freiheit wird mein Herz für immer sein*~

Benutzeravatar
Tessa
Musical-Fan
Musical-Fan
Beiträge: 1879
Registriert: 28.05.2010, 21:45:53
Wohnort: OWL / Ruhrgebiet

Re: Wenn ich tanzen will

Beitragvon Tessa » 04.05.2012, 15:03:48

Schöner Anfang. Witzigerweise habe ich selber vor kurzem eine Geschichte mit diesem Titel angefangen. Habe sie aber nicht gepostet. Ich habe sie auch nur so benannt, weil das Lied bei mir gerade lief und ich recht einfallslos war, was den Titel betraf.
Ich assoziiere die Namen der Geschwister in übrigen nicht primär mit zwei Darstellerinnen. Auch wenn mir zu mindestens eine der Darstellerinnen, auf die Gaefa hinweist, ein Begriff ist.
Ich habe mittlerweile so viele Fanfics mit realen Personen gelesen, dass ich unterscheiden kann, wann jemand mit seinem eigenen Charakter schreiben will und wann nicht. Und deine gehört definitiv zu der Kategorie "OC". Und von daher, lasse ich mich auch auf deinen Charakter so wie er von dir beschrieben wird ein und habe auch keine bekannte Person vor meinem Augen.
Deine Hauptfigur erinnert mich irgendwie etwas an mich. :shock: Ich weiß nur nicht, ob ich das positiv oder negativ werten soll.
Bin auf jeden Fall gespannt, wie es sich weiterentwickelt.
Morgen is vandaag.

Benutzeravatar
Christine
Musical-Besucher
Musical-Besucher
Beiträge: 290
Registriert: 15.01.2012, 12:12:17

Re: Wenn ich tanzen will

Beitragvon Christine » 04.05.2012, 16:11:57

Schon gleich am nächsten Tag zwei Kommis, das freut mich :) Schön, wenn es euch gefällt.
@Gaefa: Ich weiß, was du meinst, es ist nur wirklich schwierig hübsche Namen zu finden die nicht auch irgendeine Darstellerin oder eine Rolle trägt ;) Ich lasse es jetzt einfach mal dabei; ich denke, mit der Zeit gewöhnt man sich auch daran.
Da ich kreativ war, heute gleich mal das zweite Kapitel, bin gespannt was ihr sagt.
Viel Spaß :)



Kapitel 2 – Tanz durch die Welt

Am Abend holte mich Annette wie versprochen – und ausnahmsweise sogar pünktlich – um kurz nach sieben Uhr von zu Hause ab. Wie ich ihr am Nachmittag per SMS versprochen hatte, hatte ich mich sogar hübsch gemacht – für meine Verhältnisse. Ich fand, mit meinen langweiligen, glatten dunklen Haaren und meiner flachen Oberweite (von der „super Figur“, die Annette bei mir zu sehen glaubte, bemerkte ich wirklich nichts) konnte ich nicht viel machen, um gut auszusehen.
Trotzdem hatte ich ein T-Shirt angezogen, das ich letzten Sommer beim Last-Minute-Shopping erstanden hatte, und sogar gehorsam etwas Lipgloss und Mascara aufgetragen.
„Siehst du, wenn du dich nur ein bisschen anstrengst, siehst du klasse aus“, waren Annettes erste Worte, als wir uns zur Begrüßung umarmten. Ich verzog das Gesicht und schüttelte ungläubig den Kopf, verzichtete aber auf eine Antwort. Über meine Schönheit (oder nicht-Schönheit) konnten meine beste Freundin und ich sehr lange diskutieren.
„Na los, steig ein!“ Ungeduldig hielt Annette mir die Beifahrertür ihres kleinen Opel Corsa auf. „Auf geht’s zum heißesten Schuppen dieser Gegend. Auf dem Weg musst du mir unbedingt alles über deine neue Stelle erzählen! Ich bin schon total gespannt.“
Also berichtete ich ihr von der Stelle als Regieassistentin. „Es ist nur ein Praktikum, also bekomme ich fast kein Geld. Aber das macht nichts, meine Eltern sind so lieb und lassen mich weiter bei ihnen wohnen, das heißt, ich brauche nur Fahrkarten zum Theater, und das geht auch mir meinem Taschengeld. Und vor allem darf ich dabei sein, von Anfang an, wie die ganze Produktion entsteht! Ich bin schon wahnsinnig aufgeregt. Ich liebe ja das Stück, und eine völlig neue Produktion von Anfang an begleiten zu können…“, schwärmte ich.
Annette freute sich mit mir. „Das klingt wirklich beneidenswert. Sieh unbedingt zu, dass du mir ‘ne Karte für die Premiere reservierst!“
Ich versprach ihr gerade, auf jeden Fall eine Karte für sie zu besorgen, als sie vor dem Club einparkte.
„Auf geht’s, Sabrina! Partytime.“ Ich seufzte leise, bemühte mich, mir meine Unlust nicht anmerken zu lassen, und folgte meiner aufgedrehten besten Freundin in den Club, aus dem uns schon weit vor dem Eingang laute Musik entgegendröhnte.

Zur gleichen Zeit, als meine beste Freundin mich in den Club zog, diskutierte auf einem Parkplatz einige hundert Meter entfernt ein junger Mann mit seinem besten Freund, der ebenfalls keine Lust auf einen lauten Abend in irgendeinem Partyschuppen hatte.
„Muss das sein?“ Der blonde junge Mann seufzte. „Morgen gehen die Proben los, Manuel. Das ist gerade heute wirklich ungünstig.“ „Quatsch!“ Der andere ging schon einige Schritte voraus, drehte sich aber wieder um, als sein Begleiter ihm nicht folgte. „Alte Spaßbremse, komm schon. Das wird echt witzig, wir tanzen bisschen, suchen uns paar Mädels… Außerdem ist der Regisseur echt menschlich, die Proben am ersten Tag erst mittags anfangen zu lassen. Perfekt, um vorher noch den Kater auszukurieren.“
Der Blonde verzog das Gesicht. „Trotzdem laufen die Proben besser, wenn man gar keinen Kater hat.“
Sein Freund, ein junger Mann mit südländischem Aussehen, verlor langsam sichtlich die Geduld. „Mensch, Dániel! Sei doch mal ausnahmsweise nicht so langweilig. Das macht bestimmt Spaß! Außerdem - wie willst du bitte nen erotisch-verführerischen Kerl spielen, wenn du schon ewig nicht mehr mit ner Frau im Bett warst?“
Das war ein nicht ganz unberechtigter Einwand, musste Dániel zugeben. Aber trotzdem...
Manuel sah, dass sein Kollege immer noch zögerte, und wagte einen Kompromiss. „Pass auf, wenn du innerhalb einer Stunde da drin nicht mit irgendeinem interessanten, hübschen Mädel flirtest, gehen wir wieder, okay?“
Dániel überlegte einen Moment, ob er seinem Kollegen erklären sollte, dass er nicht wegen eines Flirts hier war, entschied sich dann aber dagegen. Manuel würde das vermutlich nicht verstehen. Außerdem war die Aussicht, nach einer Stunde wieder gehen zu können, ziemlich verlockend – und ein besseres Angebot würde sein Freund ihm heute nicht mehr machen.
Dániel seufzte und folgte Manuel endlich. „Na gut. Eine Stunde.“

Im Club war es sehr warm und sehr laut. Ich saß an der Bar, rührte mit dem Strohhalm in meinem Drink herum und warf immer wieder einen Seitenblick auf Annette, die schon mit dem dritten Typen in Folge flirtete.
Einen oder zwei hatte sie auch schon zu mir geschickt – dass meine beste Freundin mich verkuppeln wollte, war kein Geheimnis –, aber ich hatte sie immer schon nach kurzem Gespräch verschreckt.
Ich seufzte und nahm noch einen Schluck Caipirinha. Nicht, dass ich es darauf angelegt hätte – aber ich konnte eben nicht lang über irgendwelche Actionfilme oder Sportarten sprechen. Und kaum lenkte ich das Gespräch auf ein Thema, das mich interessierte; Theater etwa, Musik oder Philosophie, ergriffen die Herren der Schöpfung wundersamer Weise die Flucht.
„Du darfst so was doch nicht beim ersten Smalltalk ansprechen“, hatte Annette mich einmal belehrt, aber ich hörte nicht auf sie. Seit meinem ersten – und bisher einzigen – Exfreund, der zwar nett, aber eben auch eine völlige Kunstbanause gewesen war, prüfte ich Kulturinteresse bei jedem Mann als erstes.
Wieder blickte ich zu meiner besten Freundin, die sich nun mit dem vierten Mann recht gut zu unterhalten schien. Ich sah auf die Uhr – schon fast eine Stunde saßen wir hier. Ich konnte ein Gähnen nicht unterdrücken. Hoffentlich würde der Abend nicht allzu lang werden.

Dániel warf einen sehnsüchtigen Blick auf die Uhr. Noch eine Viertelstunde, dann hatte er es geschafft und Manuel und er würden endlich wieder gehen. Daran zweifelte Dániel nicht. Auf Manuels Vorschlag hin hatte er schon mit zwei oder drei hübschen jungen Frauen gesprochen, die ihm auch nicht abgeneigt erschienen, aber Dániel hatte sich jeweils schon nach fünf Minuten höflich verabschiedet. Er mochte ja altmodisch sein, aber ihm fehlte bei solchen Flirttreffs einfach der geistige Tiefgang…
Manuel riss ihn aus seinen Gedanken, indem er schon auf die Nächste deutete. „Schau mal, die da drüben an der Bar, mit den dunklen Haaren! Die würde echt gut zu dir passen.“
Dániel seufzte tief, was bei der lauten Musik zum Glück unterging, verzichtete auf einen Kommentar und fügte sich seinem Schicksal. So konnte sein Kollege später wenigstens nicht sagen, er hätte es nicht einmal versucht.
Kopfschüttelnd ging er zu der jungen Frau hinüber, die an der Bar mit einem Drink spielte und immer wieder auf die Uhr sah.

„Hi“, hörte ich eine Stimme hinter mir. Überrascht drehte ich mich um und sah mich einem jungen Mann gegenüber, der (im Gegensatz zu den meisten anderen hier im Club) sogar recht gut aussah. Er war wohl drei oder vier Jahre älter als ich, hatte modisch geschnittene dunkelblonde Haare und feine Gesichtszüge, die seiner Mimik etwas sehr Ausdrucksstarkes verliehen.
„Hallo“, erwiderte ich und wartete ab. Ich war noch nie besonders gut in Smalltalk gewesen, und nachdem er mich angesprochen hatte, sollte er auch etwas zu sagen haben. Gutes Aussehen hin oder her – ich würde mich bestimmt nicht um Kopf und Kragen reden, nur um ein Gespräch aufzubauen.
„Also…“ Er lächelte verlegen und senkte etwas die Stimme, sodass ich mich konzentrieren musste, ihn bei der lauten Musik noch zu verstehen. „Tut mir leid, wenn ich dich störe. Um ehrlich zu sein – ein Freund von mir will unbedingt, dass ich hier jemanden zum Flirten finde, und schickt mich von einer zur nächsten…“ Ich grinste. Gut, vielleicht war das nur ein Spruch, um Frauen anzusprechen, aber wenn, dann war es ausnahmsweise ein guter. Außerdem fand ich es ziemlich mutig, etwas zu gestehen, was die meisten Frauen vermutlich mit einer kalten Absage bewertet hätten.

Dániel war völlig überrascht. Der Trick, mit dem er zwei Frauen vorher losgeworden war, schien bei dieser – zugegebenermaßen hübschen – jungen Frau nicht zu funktionieren. Die letzte hatte sich zickig und etwas herablassend verabschiedet – diese hingegen lachte nur. „Kommt mir bekannt vor“, lächelte sie und deutete mit dem Kopf auf eine andere Frau neben ihr, die tief in ein Gespräch vertieft war. „Ich muss auch hier sitzen und mich ansprechen lassen.“
„Ja, die gutmeinenden Freunde“, erwiderte Dániel und war überrascht, wie leicht ihm auf einmal das Lächeln fiel.

„Nur noch zehn Minuten?“ Ich seufzte neidisch. „Du hast es gut. Das nächste Mal muss ich unbedingt auch eine Deadline ausmachen. Ich sitze hier wahrscheinlich noch, bis Annette den zehnten Typen abserviert hat – oder mit einem nach Hause geht.“ Mein Gegenüber verzog mitleidig das Gesicht. „Das tut mir leid. Ich kann das voll nachfühlen… Ach übrigens, ich bin Dániel. Und du?“

„Sabrina.“ Die junge Frau musterte Dániel neugierig; wahrscheinlich ging es ihr wie den meisten anderen und ihr war erst bei der ungewöhnlichen Betonung seines Namens sein leichter Akzent aufgefallen. Er konnte ein stolzes Lächeln nicht unterdrücken. Schon seit Monaten perfektionierte er sein Deutsch, und inzwischen war der Akzent kaum mehr hörbar.
„Also, was hast du noch vor, wenn du hier jemals rauskommst?“, wechselte Dániel das Thema – er wollte wirklich nicht arrogant erscheinen. Sabrina schnitt eine Grimasse und lachte kläglich. „Ehrlich gesagt glaube ich noch nicht, dass ich hier überhaupt jemals rauskomme. Aber wenn, kann ich mich vermutlich direkt auf den Weg in die Arbeit machen – vor morgen früh wird das sicher nichts mehr.“

Ich beschloss, dass man auch bei einem unverschämt gutaussehenden Typen wie Dániel den Kulturinteressenstest nicht ausfallen lassen konnte. „Hmm… Also, was machst du so in deiner Freizeit?“, fragte ich und wappnete mich für die üblichen Antworten: Fußball, Basketball, Computerspiele, Filme gucken… Umso überraschter war ich, als ich diesmal eine ganz andere Antwort erhielt. „Meine Arbeit lässt mir nicht viel Zeit, aber wenn ich Freizeit habe, dann lese ich gern und viel. Oder ich höre Musik, oder gehe ins Theater – das allerdings nicht sehr oft“, lächelte er. „Was machst du gerne?“

Dániel war verwirrt. Sein Gegenüber musterte ihn so überrascht, dass er fürchtete, er habe etwas Komisches gesagt. Aber noch bevor er fragen konnte, antwortete Sabrina auf seine Frage. „Ich gehe so oft ins Theater, wie ich kann – am liebsten in Musicals oder Opern; ich liebe die Verbindung von Schauspiel und Musik. Und ich lese auch gern… Zuletzt die Originalwerke von Freud, sie sind psychologisch sehr interessant.“ Dániel war erfreut. Sein Gebet nach einem geistig tiefsinnigen Gespräch war erhört worden! Glücklich ging er darauf ein. „Ja, das stimmt. Ich habe vor einigen Jahren die „Traumdeutung“ gelesen, die fand ich sehr gut. Für die anderen Bände hatte ich dann leider gerade keine Zeit und bin wieder davon abgekommen… Bei Gelegenheit sollte ich nochmal danach suchen.“ „Ja, unbedingt!“, lächelte Sabrina. „Eine These hat mir sehr gut gefallen, ich weiß nicht mehr, in welchem Buch sie stand – Freud sagte, Glück könnte nur als Moment existieren; nur als Kontrast zum Unglück, und dauerhaftes Glück würde langweilig. Das fand ich interessant…“
Dániel vertiefte sich in das Gespräch mit Sabrina, und als er zum nächsten Mal auf die Uhr sah, waren schon zwei Stunden vergangen und Manuel winkte ihm mit anzüglichem Lächeln aus einigen Metern Entfernung zum Abschied.
Gleichzeitig wurde ihr Gespräch von Sabrinas Freundin unterbrochen – wie hieß sie noch gleich? Annette, glaubte er.

„Ich geh dann mal, ihr Hübschen“, verabschiedete sich Annette, umarmte mich und warf einen prüfenden Seitenblick auf Dániel. „Viel Spaß, der ist ja heiß“, flüsterte sie mir ins Ohr, bevor sie sich mit Typ Nummer sieben – oder acht? – auf den Weg nach draußen machte. Ich blickte ihr nach und notierte geistig, mit der Straßenbahn nach Hause zu fahren. Sehr überraschte mich das nicht; so endeten die meisten unserer Clubabende.
„Nun bist du frei“, lächelte Dániel und ich nickte. Ich sah auf die Uhr und blickte ihn dann überrascht an. „Aber du bist doch schon lange frei, oder? Du hättest meinetwegen nicht extra bleiben müssen…“
„Aber ich fand das Gespräch sehr interessant“, unterbrach er mich beinahe verteidigend. Dann zögerte er einen Moment, als wollte er noch etwas sagen, wüsste aber nicht, ob er sollte.
„Wollen wir das irgendwo fortsetzen, wo es etwas… ruhiger ist?“, fragte er schließlich. Ich schwieg einen Moment. Das konnte natürlich mehrdeutig verstanden werden… Andererseits wummerte der Bass der Musik inzwischen beinahe unerträglich laut in meinen Ohren, und selbst wenn es zu mehr als einem Gespräch kommen sollte – immerhin sah er ja unbestreitbar gut aus.
Also nickte ich und griff nach meiner Tasche. „Einverstanden.“

Benutzeravatar
Gaefa
Musical-Fan
Musical-Fan
Beiträge: 2203
Registriert: 20.03.2007, 18:32:59
Wohnort: Göttingen

Re: Wenn ich tanzen will

Beitragvon Gaefa » 04.05.2012, 16:37:06

Schöner Teil! Ich kann mir ganz gut vorstellen wie es da den beiden so ergeht.
Toll, dass sie sich gefunden haben, auch wenn es ein klein wenig zu einfach schien ;) Ich bin gespannt wie es weiter geht und spekuliere mal darauf, dass sie sich am nächsten Tag bei den Proben wieder treffen!
Bitte bald weiter!
~*Niemand nimmt mir meine Träume und schließt meine Sehnsucht ein, wo es Liebe gab und Freiheit wird mein Herz für immer sein*~


Zurück zu „Fanfiction / Geschichten / Texte“

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 12 Gäste

cron