Liebe & Tod - Ein Kampf in Verona

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LadyVienna

Liebe & Tod - Ein Kampf in Verona

Beitragvon LadyVienna » 17.01.2010, 16:01:51

Hier mal meine FF - erstmal ein Teil des Prologes, in mir schlummert eine Schreibwut die Zeitspannen extrem dehnen kann :wink:

Zum Inhalt: Der Prolog erzählt wie die Fehde zwischen den Montagues und Capulets überhaupt entstanden ist. Die weiteren Kapitel schildern die Entiwcklungen in Verona, wie Lorenzo zum Pater wurde, der Fürst zu seinem Amt kam und im folgenden (das schreib ich grad) wie sich die "Herrscher der Welt" und die Gruppe um Tyblat bekriegen.

aber hier mal der Beginn. Viel Spaß :D

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Prolog

Es war schon Jahre her, Generationen, Zeitalter. Heute wusste niemand mehr um die Gründe der Fehde, die sich zwischen beiden Familien gesponnen hatte. Doch auch jene vergessenen Gründe wollen erwähnt sein. Auch von jener Zeit will gesprochen sein, die Ursprung jenes Streites war, die Geschichten schrieb und die Welt verändern sollte.

***

1
Am Anfang

Das Leben, das Leben eines Einzelnen, einer Gruppe, das Leben von Generationen, alles Leben – es entwickelt sich auf Grund von Dingen, Ereignissen, die auf vorige aufbauen und auf nachfolgende einwirken. Der Beginn aller Ereignisse ist somit die Geburt des Erdballs. Schon in diesen frühen Zeiten verzeichnete sich der Kampf um etwas – um das Überleben. Der Kampf treibt das Leben wie Geschichten voran, strebt gegen den Antagonismus des Individuums genauso als gegen jenen der Zeitalter. Der Kampf ist Urtrieb allen Überlebens. So war es immer und so wird es immer sein, mögen die Schlachtfelder sich in all den Zeiten auch noch so stark verändert haben und sich in folgenden Zeiten auch weiterhin neue Gewänder suchen. Das Leben war, ist und wird es auch immer sein: ein Kampf gegen Mächte, für Mächte und für sich selbst, für das Leben.

2
Mächte

Die Indikatoren des Kampfes mögen vielseitig sein: Hoffnung, Hass, Träume, Begeisterung. Der antagonistische Gegenspieler des Indikators sind die dunklen Farben der Ergebnisse des Kampfes: verliert man den Kampf, so leidet das Leben, blutet und ist verletzt.
Es gibt im Kampf zwei Mächte, die verwandt sind, sich jedoch gleichsam bekriegen und dennoch zusammen gehören: Es ist die Liebe zu etwas oder jemanden, die den Tod als Kumpanen und gleichzeitigen Erzfeind begrüßt. Durch Liebe töten Menschen, durch den Tod begreifen sie Liebe. Rot ist die Farbe der Liebe, sowie die des rinnenden Blutes, welches der Mensch im Kampfe um Liebe im Tod verliert.

Liebe und Tod sind gleichsam die Indikatoren jener Fehde, die die Pfeiler jener Geschichte bilden, die in unser aller Leben ein Begleiter war und in zukünftigen Zeiten immer sein wird. Denn zeitlos ist ihr Inhalt, wie die Menschheit.

3
Veronas Hauptplatz

Es begann in Verona. Am Hauptplatz befand sich ein Brunnen. Es war ein Brunnen aus Stein. Neptun thronte mit starren Augen über dem Meeresgetier. Aus den Mäulern der Fische, Krabben, Aale und Delfine, wie auch aus den Händen des Meeresgottes floss klares kühles Wasser. Die leblosen Augen Neptuns sahen zu einer Statue: der Kriegsgott Mars thronte auf dem Platz und schien sein Gegenüber heraus zu fordern. Seine Gesten riefen zum Kampf. Das steinerne Schwert schien die Verlängerung seines Armes zu sein. Abends schien die Sonne fast blutrot auf das Denkmal, sowie dem Gott des Wassers die Kühle des Morgens gehörte, mit seinem fahlen Licht. In der Stadt wurden der Brunnen und die Statue unter den Namen Der blaue und der rote Mann bekannt.

Das Kampffeld des blauen und des roten Gottes war der Schauplatz jener vergessenen Geschichte.

4
Das Mädchen am Wasser

Täglich kam ein Mädchen an den Brunnen. Am Morgen ließ sie sich von den ersten Morgenstrahlen streicheln, bevor sie zurück nach Hause ging, einem Palast am Rande Veronas, dem Neptun den Rücken kehrte. Schon als kleines Kind hatte sie das getan. Nur für eine Stunde war sie hier und doch war dies ihr ritual, welches sie pflegte und im Herzen ehrte. Sie wollte die Sonne willkommen heißen.
Das Mädchen war nun sechzehn Jahre alt. Sie hatte langes, dunkles Haar, große Augen und einen hellen Blick. Sie entstammte einem Adelshaus, der Familie der Montagues. Geschätzt war die Familie unter den Bürgern Veronas. Das Oberhaupt der Familie, Lord Vincenzo diMontague war verwitwet. Seine Frau hatte die Pest dahingerafft, als seine Tochter, jenes Mädchen am Brunnen, fünf Jahre gezählt hatte. Selina war fortan der Lebensinhalt ihres trauernden Vaters gewesen.
Um sie zu trösten, als sie eines Nachts weinend in ihrem Bett gelegen hatte, hatte er zu ihr gesagt, als er durch ihr dunkles Haar gestrichen hatte: „Deine Mutter wird immer bei dir sein, immer wenn die Sonne aufgeht sieht deine Mama auf dich und beschützt dich.“
„Aber nachts?“ hatte das Mädchen geschluchzt.
„Nachts“ hatte ihr Vater gesagt „träumt sie von dir und schickt dir gleichsam gute Träume. Du siehst also: deine Mama wird immer bei dir sein. Siehst du, selbst wenn Wolken den Himmel verfinstern, scheint die Sonne trotzdem, nur sieht man sie nicht, doch sie ist da. Bei deiner Mutter ist es genauso. Sie war schon immer wie die strahlendste Sonne am blauesten Himmel.“Den letzten Satz sagte Lord Montague viel mehr zu sich selbst, doch jener Satz veranlasste seine Tochter dazu, jeden Morgen am Brunnen ihre Mutter zu begrüßen.

Das ist die Geschichte von des Lords Tochter Selina diMontague, die unter Veronas Bewohnern als das Mädchen am Wasser bekannt war.

5
Nachricht vom Katzenfürst


Am anderen Ende der Stadt, betrachtet vom Hause der Montagues, lag ein weiterer Palast, und zwar jener der Lordschaft Capulet. Lord Silvio diCapulet war ein strenger Mann; seine Frau war als die bestgekleidetste Dame der Stadt bekannt. Sie hatten drei Söhne von sieben, fünfzehn und dreiundzwanzig Jahren. Als der Erstgeborene sechzehn Jahre alt gewesen war, hatte er seinen Onkel auf eine Reise gen Süden begleitet. Seitdem war er in Verona nicht mehr gesehen worden. Nur Briefe hatten von seinem Aufstieg in der Kriegskarriere berichtet. Seine Schnelligkeit, sein Geschick und seine Intelligenz ließen ihn zum Hauptmann werden. Verona war stolz auf den Sohn der Capulets, der Schlachten gewann und Ruhm erntete. Marcello diCapulet war nicht nur in Verona, sondern im ganzen Lande als der Katzenfürst der Stadt bekannt und lange sollte niemand mehr diesen Namen, der von Geschick und Schnelligkeit zeugte, tragen.
Nun ging die Nachricht in Verona umher, dass der Sohn der Capulets nach sieben Jahren nun endlich wieder heim kehrte.

6
Eine friedliche Partie Schach

Wie jeden Samstag, wenn die Uhr fünf schlug, saßen sich Lord Capulet und Lord Montague gegenüber, zwischen ihnen ein Schachbrett.
„So, lass uns um unsere Ehre spielen, mein Freund!“ eröffnete Vincenzo Montague die heutige Partie in seinem Hause.
„Warum denn nur um die Ehre?“ Lord Capulet zog mit einem breiten Lächeln einen Sack Gold aus seiner Tasche und legte diesen auf den Tisch. „Gehst du mit, mein treuer Freund?“
Dies ließ sich Vincenzo nicht ein zweites Mal sagen. „Warte einen Augenblick, Silvio.“ Er ging zu seinem Schrank, schloss ihn auf und holte dieselbe Summe Geld heraus, die Lord Capulet als Einsatz mitgebracht hatte. Er legte diese ebenfalls auf den Tisch. „Also auf unsere Ehre und unser Geld“ sagte Lord Montague und eröffnete so die Runde offiziell.
„Wie geht es deiner Tochter?“ fragte Silvio seinen Freund während des Spiels.
„Gut. Allerdings mache ich mir langsam Sorgen. Sie ist nun sechzehn Jahre alt und ich bemerke die Blicke, die ihr von den Männern zugeworfen werden.“
„Hast du denn schon einen Gemahlen für Selina gefunden?“ Das war vermutlich nicht der klügste Satz.
„Hast du mir nicht zugehört?“ sagte Lord Montague ernst. „Ich will sie nicht verheiraten!“
„Ganz ruhig“ versuchte Silvio ihn zu beruhigen. „Aber…“ er zögerte.
„Was, mein Freund?“ fragte Vincenzo nun in einem ruhigeren Ton. „Nun sprich doch.“
„Nun ja“ fing Silvio an. „Du hast sicher schon davon gehört, dass mein ältester Sohn Marcello heim kehrt.“
„Natürlich, ganz Verona spricht davon. Du musst froh sein?“ sagte er, nicht wissend, worauf sein Freund eigentlich hinaus wollte. „Immerhin hast du ihn sieben Jahre lang nicht gesehen.“
„Ja, ich bin wirklich mehr als froh“, stimmte Silvio ihm zu und beschloss, seinem Freund nicht Marcello als Selinas zukünftigen Ehemann vorzuschlagen.

So spielten die beiden Freunde, wie sie es jeden Samstag taten, tranken Wein und besprachen die verschiedensten Dinge, so wie es beste Freunde nun mal taten.

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LadyVienna

Re: Liebe & Tod - Ein Kampf in Verona

Beitragvon LadyVienna » 17.01.2010, 16:03:05

7
Marcellos Ankunft

Marcello erreichte die Stadt früher als erwartet. Zwei Tage hatte er gewonnen, dank einer Abkürzung, die er genommen hatte. So kam es, dass der Katzenfürst kurz vor Beginn des Tages am Tore der Stadtmauer stand und um Einlass bat.
„Aber sagt niemanden Bescheid“ sagte er zum Pförtner. Ich möchte meine Familie überraschen und zuvor vielleicht ein wenig durch die Stadt reiten. Sie ist so wunderbar verlassen zu dieser frühen Stunde.“
„Ihr meint wohl verlassen, bis auf das Mädchen am Wasser“, entgegnete der Pförtner.
„Das Mädchen am Wasser?“ fragte Marcello.
„Sie saß schon jeden Morgen am Rande des Brunnens, als Ihr noch hier gelebt habt. Nur ist die Tochter des Lords Montague nun eine junge Frau.“
Langsam kam die Erinnerung an das Mädchen wieder zurück. Als er vor sieben Jahren abgereist war, war dies ebenfalls zur frühen Morgenstunde und das Mädchen saß am Brunnen. Nicht einen Moment hatte sie damals auf die Kutsche geachtet, die zum Stadttor gefahren war und den damals kaum zum Mann gewordenen Marcello zu seinen Onkel, dem damaligen obersten Heerführer, gebracht hatte.
Was aus ihr wohl geworden sein mag, wie sie nun wohl aussieht, dachte sich der Sohn der Capulets und fand seine Fragen schon bald beantwortet.

8
Begegnung zweier Herzen

Marcello ritt zum Hauptplatz. Er stellte sein Pferd neben einen der, um diese Uhrzeit noch verlassenen, Marktstände ab und band es dort an. „Keinen Mucks, mein Junge, hörst du?“ sagte er, hoffend, dass sein treues Ross seine Worte wie durch ein Wunder verstand. Er sah das Mädchen schon von weitem, wie es am Brunnenrand saß und seine Hand durch das kühle Wasser gleiten ließ. Sie sang eine leise Melodie, die der Wind zu Marcello trug und den jungen Mann hinter das Denkmal des Kriegsgottes schleichen ließ, um die Tochter Lord Montagues besser sehen und ihre liebliche Stimme besser hören zu können.

Selina sah, wie der Himmel im Osten immer heller wurde. Sie sang ein Wiegenlied vor sich hin, welches ihre Mutter ihr zu ihren Lebzeiten immer vorgesungen hatte, als sie sie ins Bett gebracht hatte und welches auch ihr Vater so machte, als ihre Mutter verstorben war.
Sie bemerkte nicht, dass jemand hinter der Statue, die ihr gegenüber stand, war und sie beobachtete. Sie sah nur auf den Himmel, der sich zusehends mehr aufhellte. Als die ersten Sonnenstrahlen Selinas Gesicht streichelten, betete sie ein stilles Gebet zu Gott und zu ihrer Mutter. Er schien ihr, als könnte sie ihre Mutter riechen, als der Wind ihr dunkles Haar streichelte.

Die Sonne ging schließlich auf und tauchte Verona in ihr goldenes Licht. Die Straßen wurden allmählich belebt: Frauen gingen auf den Marktplatz, um ihre Waren für den Verkauf anzubieten, Kinder liefen auf die Straße um dort zu spielen, Männer machten sich auf den Weg zu ihrer Arbeit.
Marcello band sein Pferd los, stieg auf und galoppierte zu Selina, die gerade im Begriff war, den Hauptplatz zu verlassen.
„Halt!“ rief er ihr zu und ärgerte sich in derselben Sekunde über den Befehlston, den er sich im Krieg angeeignet hatte.
Selina schrak zusammen, drehte sich dennoch zu dem Sohn der Capulets um.
„Hallo“, sagte dieser nun verlegen, als er in ihre großen Rehgleichen Augen sah.
„Hallo“, antwortete das Mädchen, sichtlich verwirrt, von dem fremden angesprochen zu werden. Sie sah ihn dennoch erwartungsvoll an und spürte, wie sich etwas tief in ihrem Körper regte. Sie wollte dieses Gefühl, genauso wie ihre zitternden Knie, abschütteln, dem Gefühl befehlen, zu verschwinden, sich in Luft aufzulösen, doch das Gefühl wollte ihrem Kopf nicht gehorchen.
Marcello stieg vom Pferd. „Ihr seid die Tochter des Lords Montague, habe ich recht?“ er gab ihr einen Handkuss.
„Ähm-ja“, stotterte sie. „Selina“, fügte sie noch hinzu, sich wundernd, doch noch ihre Sprache wieder gefunden zu haben. Doch einmal da, ließ sie sie so schnell nicht mehr los: „Und Ihr seid?“
„Marcellus diCapulet“. Er verbeugte sich theatralisch, was Selina ein leises Lächeln abgewann.
„Also seid Ihr der heimgekehrte Held, von dem ganz Verona spricht?“
Er nickte etwas schüchtern.
„Ich dachte, die Sonne geht noch zwei Mal auf, bevor die Stadt eure Wiederkehr feiern kann?“
„Ich habe eine Abkürzung genommen“ erklärte er. „Ihr scheint Sonnenaufgänge zu mögen?“
„Ja…“ Sie wurde still.
„Habe ich etwas Falsches gesagt?“ Marcello nahm ihre Hände in die seinen. „Wenn ja, dann tut es mir schrecklich leid.“
„Ich…ich muss gehen!“ sagte Selina und lief von Marcello weg. Dieser sah ihr noch eine Weile nach, bis er sich schließlich wieder fasste und nach sieben Jahren endlich wieder nachhause ritt.

9
Das Willkommensfest

Auch Selina und ihr Vater machten sich auf den weg zu den Capulets, um mit ihnen und der halben Stadt Marcellos Rückkehr zu feiern. Selina wollte erst nicht mitkommen, aus Angst, sich vor allen Gästen lächerlich zu machen, wenn sie dem jungen Capulet gegenüberstand und kein Wort aus ihrem Munde kam. Doch ihr Vater glaubte ihr die Lüge, sie habe schwere Migräneanfälle, ohnehin nicht. So kam es, dass sie zusammen mit ihrem Vater das Anwesen der Capulets betrat. Marcello begrüßte die Gäste persönlich an der Tür. Nachdem er Lord Capulet begrüßt hatte, sagte jener: „Und dies ist meine Tochter Selina.“
„Ich hatte bereits die große Ehre, ihre Bekanntschaft machen zu dürfen“ sagte er zu Selinas Vater, bevor er sich zu dem Mädchen wandte. „Es ist mir eine Freude, Euch erneut in Eure wunderschönen Augen blicken zu dürfen.“ Er lächelte sie an und bekam gleichsam ein Strahlen auf Selinas Gesicht zurück. Beide sahen sie nicht, wie sich das Gesicht Vincenzo Montagues verfinsterte. Der Mann kochte innerlich, denn ihm wurde klar, dass er im Begriff war, seine geliebte Tochter an den Sohn seines besten Freundes zu verlieren.
Silvio Capulet lenkte ihn schließlich von seinen Gedanken ab. „Sei gegrüßt, mein treuer Freund!“ sagte er erfreut und umarmte Vincenzo herzlich.
„Gegrüßt seist auch du“, entgegnete dieser, der Lord Capulet selten in so guter Laune vorfand.
„Komm mit, wir suchen den Wein auf“, schlug Silvio vor, was ganz und gar dem Willen des Oberhauptes der Montagues entsprach. Dennoch beobachtete er seine Tochter den ganzen Abend hindurch und seine Laune wurde nicht besser.

Selina merkte davon nichts. Sie verbrachte die Feierlichkeiten durchgehend an Marcellos Seite. Erst hatte sie ihm versucht aus dem Weg zu gehen, doch der junge Capulet ließ sie nicht die Flucht ergreifen und verwickelte sie immer geschickt in Gespräche, erzählte ihr Geschichten von seinen Reisen und Witze.
Selina hatte sich an das neue Gefühl in ihrem Herzen gewöhnt, fand es sogar von Minute zu Minute schöner und aufregender. Sie fühlte sich wohl an Marcellos Seite.
Ihm erging es an der Seite des Mädchens nicht anders. Er sah nur sie und ließ sich nur ungern von anderen Gästen ablenken und vermied es, sich in Gespräche verwickeln zu lassen. Als er jedoch vom Fürsten Veronas geehrt wurde und ihm ein Orden für seine Dienste verliehen wurde, musste er sich schließlich doch geschlagen geben und eine Rede halten. Doch sah er zu jeder einzelnen Sekunde seiner Rede zu Selina, in die er sich so unsterblich verliebt hatte, als er sie vor zwei Tagen am Brunnen kennengelernt hatte.

Als das Fest sich schließlich dem Ende neigte, zog ihr Vater Selina so plötzlich mit sich, dass sie keine Gelegenheit bekam, sich im Privaten und ungestört von ihrem Verehrer verabschieden zu können.
In der Droschke, die die Montagues zurück zu ihrem Anwesen führte, redeten Vater und Tochter nicht ein einziges kleines Wort miteinander. Zu verärgert war Lord Montague über die neue Situation und Selinas Gedanken kreisten nur um Marcellos Augen, sein warmes Lächeln und seine sanfte Stimme.

10
Von der Liebe

Es kam, dass sich der Sohn der Capulets nun öfter mit der Tochter des Hauses Montague traf. Sie sahen sich jeden Morgen, bevor die Sonne aufging am Hauptplatz bei dem blauen und roten Steinmann.
Lord und auch Lady Capulet waren glücklich und erfreut über die Entwicklung. Sie kannten das Mädchen seit es klein war, und wussten, wie glücklich es ihren Sohn machte. Außerdem gehörten die Capulets ohnehin schon beinahe zur Familie. Lord Montague sah die Geschichte jedoch anders. Immer öfters erfand er Ausreden, die wöchentliche Schachpartie abzusagen, die erneute Gelegenheit bot, dass sich seine Tochter mit Marcello traf. Traf er sich doch mit Silvio, so war er deutlich verschwiegener als in früheren Tagen. Lord Capulet spürte selbstverständlich, was seinen Freund quälte, schwieg aber, um ihn nicht weiter aufzuregen.
Die Liebe zu seiner Tochter ließ in Vincenzo eine nie geahnte Eifersucht gedeihen. Er hatte Angst, seinen einzigen Lebensinhalt zu verlieren.
Auch Selina quälte ein schlechtes Gewissen. Zunehmend hatte sie das Gefühl, sich zwischen Marcello und ihrem Vater entscheiden zu müssen. Sie liebte beide mehr als ihr Leben, doch war sie überfragt, wenn sie überlegte, wen der beiden sie mehr liebte als den anderen. Dies wiederum brach auch ihrem Vater das Herz. Er wollte seine Tochter ebenso wenig unglücklich sehen, wie sie ihn. Doch trotzdem wünschte er sich insgeheim, Marcello würde Verona wieder verlassen und seine Tochter allein zurück lassen.
Marcello wusste in der Zwischenzeit nicht, wie er Selinas Vater weis machen konnte, dass seine Tochter dann erst glücklich sein könne, wenn er die Beziehung beider gutheißen würde. Doch Vincenzo Montague ließ nicht mit sich reden. Der Katzenfürst von Verona wusste allerdings, dass er sein Leben mit Selina verbringen wollte und kampflos würde er sich nicht geschlagen geben.

Es ereignete sich, dass Lord Montagues jüngerer Bruder, gemeinsam mit seiner Familie, in den Palast Vincenzos einzog. Das Wetter im Süden war ihm zu heiß und so beschloss er, bei seiner Verwandtschaft zu wohnen und kehrte zurück in sein Elternhaus. Er war erschrocken, als er seinen geliebten Bruder in diesem Zustand der Eifersucht und Sturheit sah. Es war die Hoffnung des gesamten Hauses Capulet, sowie der tiefste Wunsch Selinas, dass Vincenzos Bruder den Lord von seinen Ängsten und Sorgen abwandte und er seine Tochter nicht so vermissen ließ. Doch selbst Leonardo Montague vermochte es nicht, seinem Bruder von dem Elend, das er sich selbst geschaffen hatte, abzuwenden.
Vincenzo lehnte nun jeden Besuch Lord Capulets ab, vergrub sich in seinem Arbeitszimmer und war dem Alkohol zunehmend mehr angetan.
Selina tat es weh, das Elend ihres Vaters ansehen zu müssen. Sie gab sich die Schuld für seinen Zustand und so traf sie aus Liebe zu ihrem Vater eine schmerzliche Entscheidung.

Sie traf Marcello eines Nachts im Garten der Capulets. „Marcello, mein Liebster…“ sagte sie mit Tränen in ihren großen braunen Augen.
„Was Liebste – was hast du?“fragte Marcello besorgt und nahm ihre kalten Hände.
„Mein Vater“ schluchzte das Mädchen, „Es geht ihm zusehends schlechter.“ Sie schluckte, musste diesen verhassten Satz aber über ihre Lippen bringen: „Wir dürfen uns nicht wieder sehen.“
„Sag so etwas nicht!“ erschrak der junge Mann. Er hatte befürchtet, dass Selina sich schon bald für ihren Vater entscheiden würde, der ihr sein ganzes Leben gewidmet hatte, doch hatte er nie gewagt, seine Befürchtung weiter zu denken und hatte sie somit verdrängt. Bis zu jenem Abend.
„Es bricht mir das Herz, das weißt du“, weinte sie. „Doch mein Vater braucht mich.“
„Was, wenn wir heiraten?“ Sie wollte widersprechen, doch er ließ sie nicht zu Wort kommen. „Was wenn wir im Hause deines Vaters wohnen würden? Dann wärst du bei ihm.“
„Das geht nicht“, seufzte sie, so sehr sie sich auch wünschte, Marcellos Plan würde funktionieren. „So würde er uns beide jeden Tag zusammen sehen. Das würde seinen Zustand nur verschlimmern. Das würde ihn töten!“
„Ich liebe dich“ sagte Marcello. „Ich liebe dich von ganzem Herzen. Wie kann es sein, dass es uns vom Schicksal so schwer gemacht wird?“
Selina nahm auch in seinen Augen Tränen wahr. Er gab sich keine Mühe, seine Trauer zu verstecken. „Es geht nicht anders. Versteh das doch.“ Sie strich ihm eine stille Träne vom Gesicht. Er nahm ihre Hand und küsste sie.
„Wann werde ich dich wieder sehen?“ fragte er. Ihr Vater hatte den Kampf gewonnen.
„Immer wenn du die Augen schließt“ sagte sie und versuchte, tapfer zu scheinen. „Ich werde immer in deinem Herzen sein.“
„Ich werde morgen aufbrechen“, beschloss Marcello. „Ich will es uns nicht noch schwerer machen, indem ich in der Stadt bleibe. Ich werde einige Monate lang fort sein. Mein Herz wird sich nach deinem sehnen und wird erst schweigen, wenn es seine Sehnsucht gestillt hat.“ Er küsste sie. „Ich hoffe bis dahin ist dein Vater zur Vernunft gekommen.“
Die beiden nahmen lange Abschied voneinander und trennten sich erst im Morgengrauen. Marcello verließ die Stadt, hinterließ seinen Eltern nur eine flüchtige Nachricht. Selina sah ihn wegreiten, als sie am Brunnen auf die Sonne wartete und weinte ihm stille Tränen nach.

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LadyVienna

Re: Liebe & Tod - Ein Kampf in Verona

Beitragvon LadyVienna » 17.01.2010, 16:05:07

11
Ungeborene Rache

Die Monate vergingen in Verona. Vincenzo Montagues Zustand hatte sich normalisiert. Er traf sich wieder mit seinem Freund zu den wöchentlichen Schachpartien, führte ausgelassene Gespräche und unternahm mit seinem Bruder Ausritte. Doch das Unbehagen in Selina wuchs. Sie spürte eine Veränderung in ihrem Körper. Der Arzt hatte ihren Verdacht längst bestätigt, doch solange es noch zu verschweigen ging, war Selina nicht bereit, ihrem Vater zu beichten, dass aus der Nacht vor Marcellos Aufbruch ein Kind hervorgehen würde. Doch das ungeborene Wesen wuchs stetig und lange würde Selina es ihrem Vater nicht mehr verheimlichen können.
Nach wie vor stand sie mit Marcello in Briefkontakt. Sie hatten zwar beide versucht, sich gegenseitig zu vergessen, doch hatte es der Sohn der Capulets nicht ausgehalten und schrieb ihr laufend Briefe, die von seiner Sehnsucht nach ihr erzählten, sie gleichsam aber aufheiterten und ihr in dunklen Stunden Trost waren.
So schrieb auch Selina ihrem Geliebten, an einem verregneten Herbstnachmittag:

„Mein geliebter Marcello,

ich habe dir etwas Großes und Wichtiges zu berichten, was mir gleichsam jedoch Sorgen bereitet: Mit Freude teile ich dir, meinem Liebling, hiermit mit, dass wir beide ein Kind erwarten. Der Arzt sagte, der Geburtstermin würde Mitte April sein.
Freue ich mich auch noch so sehr auf die Geburt, so fürchte ich doch auch die Reaktion meines Vaters, der noch nichts von unserem ungeborenen Kind weiß.
Wie wünschte ich dich nun an meiner Seite und mich in deinen trösteten Armen! Wie sehr wünschte ich, deine Stimme zu hören, die mir sagt, dass alles gut wird.

In ewiger Liebe zu dir
Selina“

Als Marcello diese Nachricht las, beschloss er, sofort zu seiner Liebsten nach Verona auf zu brechen. Egal, wie die Reaktion Lord Montagues ausfallen würde – er musste nun bei Selina sein und bei seinem ungeborenem Kind.

„Was!?“ Das war die Reaktion Lord Montagues, als Selina ihrem Vater die Schwangerschaft nicht länger verheimlichen konnte.
„Vater, ich bitte Euch…“
„Schweig!“ schrie er. „Geh! Lass mich in Frieden!“
Selina gab auf und gehorchte dem Willen ihres Vaters. Sie lief weinend auf ihr Zimmer. Ihr Vater zerknüllte ein Stück Pergament und warf es wütend gegen das geschlossene Fenster. Nie würde diesem Capulet verzeihen, dass er die Ehre seiner geliebten Tochter geraubt hatte, indem er sie geschwängert hatte. Er schwor Marcello still Rache. Er würde bluten müssen für sein Verbrechen.

12
Es wurde kälter

So wie auch die Luft eisiger wurde, so kühlte auch die Stimmung in Verona ab. Lord Montague schloss sich erneut in seinem Arbeitszimmer ein und brach den Kontakt zu den Capulets, die nicht wenig erfreut über Selinas Schwangerschaft waren, zur Gänze ab. Egal, wie sehr sich sein Bruder oder seine Tochter um ihn bemühten, Vincenzo Montague blieb stur.
Eines Tages war Selina in sein Arbeitszimmer gekommen. Anstatt dem Dienstmädchen brachte sie ihm sein karges Abendbrot um in den Raum eingelassen zu werden.
„Was willst du?“ fragte ihr Vater kalt, sah sie aber nicht an. Der Anblick ihres wachsenden Bauches schmerzte ihn zu sehr.
„Es ist kalt hier“, stellte sie fest.
„Es brennt doch Feuer“ entgegnete Vincenzo Montague, sein Gesicht immer noch auf den Sekretär gerichtet.
„Ich meine auch nicht die Temperaturen in diesem Raum, Vater. Ich meine Euer Herz.“ Noch nie hatte sie sich gehört, wie sie ihren Vater maßregeln wollte, noch nie hatte sie sich so erwachsen reden hören. „Seht mich an, Vater. Ihr habt mich schon seit Wochen nicht mehr angesehen.“
Lord Montague sah seiner Tochter in die Augen. Sie waren traurig.
„Ich vermisse Euch“, sagte sie und kam näher an den Sekretär. Sie stellte das Tablett ab und nahm seine Hand.
„Du vermisst nicht mich, du vermisst Marcello“ entgegnete ihr Vater kalt.
„Ich habe mich damals gegen ihn und für Euch entschieden. Marcello ist weit weg“ sie spürte Tränen in ihre Augen steigen, versuchte diese aber mit aller Kraft zu bekämpfen. „Wollt Ihr mich in meiner Schwangerschaft ganz alleine lassen? Wollt Ihr, dass das Kind seinen Großvater nie kennen lernt, dass Ihr für ihn oder sie nur der Mann in dem Zimmer ist?“
„Selina, ich werde diesen Bastard nie als meinen Enkel ansehen!“ schrie er.
Das Mädchen erschrak. „Wenn Mama Euch hören könnte, sie würde sich im Grabe umdrehen vor Scham!“ weinte sie und lief aus dem Zimmer.

In der Kälte des Winters ging ein Virus in der Stadt um. Die Straßen waren nun leerer, da viele der Bewohner das Bett hüten mussten. Auch Selina ging es zunehmend schlechter. Der Arzt hatte auch ihr Bettruhe verordnet und so musste sie die morgendlichen Besuche am Brunnen einstellen. Oft verschlief sie in ihrer Krankheit auch den Sonnenaufgang und ärgerte sich anschließend.
Die Krankheit seiner Tochter hatte Vincenzo schließlich doch aus dem Arbeitszimmer an das Krankenbett Selinas gelockt. Er saß Tag und Nacht neben ihr. Sie war glücklich darüber, dass ihr Vater an ihrer Seite war, und sah, dass ihr nichts passierte. Lord Montague hörte sie nachts im Schlafe Marcellos Namen rufen. Jener junge Montague ritt zur selben Zeit im schnellen Galopp Richtung Verona, getrieben von der Sehnsucht nach seiner Liebsten.

13
Liebesschmerz

Der Arzt stand zusammen mit Lord Montague vor dem Krankenzimmer seiner Tochter. Er hatte einen ernsten Gesichtsausdruck.
„Wie ist es um Selina bestellt?“ fragte Vincenzo mit zittriger Stimme.
Die Krankheit schwächt nicht nur eure Tochter, Lord Montague“, antwortete der Arzt und getraute sich nicht, Vincenzo in die Augen zu sehen. „Sie schwächt auch das ungeborene Kind.“
„Worauf wollt Ihr hinaus?“
„Euer Enkel ist schwach. Ich schätze in den nächsten Stunden wird das Kind sterben. Doch dann müsste ich es trotzdem auf die Welt bringen.“ Er sah schweigend zu Boden und der Lord tat es ihm gleich.
„Was bedeutet das für meine Tochter?“ fragte Lord Montague schließlich mit heiserer Stimme. Er konnte die Antwort schon erahnen und wusste, dass sie ihm nicht gefallen würde.
„Eure Tochter muss bei der Totgeburt ihre ganze Kraft aufbringen. Doch durch die Krankheit ist die Gefahr groß, dass der Kraftaufwand sie das Leben kosten wird.“
Vincenzo wusste nichts darauf zu sagen. Tränen flossen sein Gesicht herab. Er würde seine geliebte Tochter höchstwahrscheinlich in den nächsten Stunden verlieren. Und daran war nur Marcello diCapulet schuld.
„Es tut mir leid“, sagte der Arzt aufrichtig.
Der Lord nickte und begab sich wieder an die Seite seiner Tochter. Sie war wach.
„Was habt Ihr draußen besprochen?“ fragte Selina mit heiserer und leiser Stimme.
„Dass du kämpfen musst, mein Liebling, um wieder gesund zu werden. Für dich und dein Kind“, log ihr Vater.
„Ich wünschte, Marcello wäre hier“ sagte sie. Und zum ersten Mal wünschte sich dies auch Vincenzo. Vielleicht wäre sie an seiner Seite stärker.
„Du musst dich ausruhen“, sagte er und strich seiner Tochter durch das Haar. Sie sah blass aus. Vincenzo musste an den Tag denken, an dem ihre Mutter so vor ihm gelegen hatte, als er sie zum letzten Mal gesehen hatte und dafür auch sein Leben riskiert hatte. Doch er hatte sich nicht angesteckt. Nun lag seine Tochter vor ihm und ihm fiel auf, wie ähnlich sie doch ihrer Mutter sah. Sie hatte dasselbe Gesicht. Er wollte einfach nicht noch jemanden verlieren, das durfte einfach nicht passieren.

Ein paar Stunden später hatte der Arzt Selina erklärt, dass sie nun ihr totes Kind gebären müsse. Weinend hatte sie die Nachricht aufgenommen und sich in den Armen ihres Vaters vergraben. „Ihr geht nun besser, Lord Montague“ sagte der Arzt, bevor die Geburt des toten Kindes beginnen konnte. Der Lord gehorchte widerwillig und verließ den Raum.

Marcello trieb sein müdes Pferd an. Er war auf der Heimreise aufgehalten worden, eine Straße war nicht mehr passierbar gewesen und so hatte er zurückreiten und einen längeren Weg nehmen müssen. Sein Pferd wurde immer langsamer, doch eine unbekannte Macht sagte ihm, dass er sich beeilen müsse. Sein Herz sagte ihm, dass die Zeit davon lief, dass sie durch seine Finger davon floss, wie der Sand, auf dem er zu seiner Selina ritt.

Vincenzo hörte auf dem Gang das Geschrei seiner Tochter. Er dachte in diesem Augenblick an gar nichts. Er war wie gelähmt. Er hörte den Arzt sagen: „Noch ein allerletztes Mal! Ihr schafft das, ich weiß es!“
Ein letztes Geschrei.
„Ihr habt es geschafft!“ rief der Arzt und die Tür öffnete sich. „Ihr könnt nun zu Eurer Tochter“. Sein Blick war allerdings voller Trauer.
Vincenzo stürmte an Selinas Seite. Er nahm ihre kalten Hände in die seinen. Ihr Gesicht war leichenblass. Sie sah ihren Vater an. Er strich durch ihr Haar. Sie schloss ihre Augen. „Marcello…“sagte sie mit dünner, schwacher Stimme. Sie lächelte, als der Klang des Namens mit ihrem letzen Atemzug verhallte. Die Sonne ging in diesem Moment auf und tauchte Selinas Gesicht in goldenes Licht..

Vincenzo küsste Selinas kalte Stirn. Er sah seine Tochter an: Ihr Gesicht hatte die Sorge und Trauer der letzten Monate verloren. Er summte leise das Schlaflied, das ihre Mutter, und danach er, stets für sie gesungen hatten. „Schlaf mein Schatz, grüße deine Mama von mir“, weinte er.

Liebe tat weh. Sie zerriss einem manchmal das Herz. Manchmal brachte sie den Tod. Und Vincenzo wusste nicht, mit diesem Schmerz umzugehen.

14
Das blaurote Schlachtfeld

Die Nachricht, dass Marcello einen Tagesritt von Verona entfernt gesichtet worden war, erreichte Vincenzo nach der Beerdigung seiner Tochter am Tage nach ihrem Tode. Sein erster Gedanke auf diese Nachricht war, dass er sich nun endlich rächen konnte, dass Marcello seine Tochter umgebracht hatte. Das Kind, entstanden aus deren gemeinsamer Nacht, hatte sie das Leben gekostet. Dafür sollte er büßen.

Die Sonne war bereits untergegangen, als Marcello in Verona ankam. Der schnellste Weg zum Hause der Montagues führte über den Hauptplatz, wo er sich in Selina verliebt hatte. Er trieb sein Pferd an.
„Halt!“ rief eine Stimme, als Marcello an der Statue des Kriegsgottes angekommen war. Er erkannte die Stimme Lord Montagues, der am Brunnenrand saß. Der junge Montague stieg vom Pferd.
„Lord Montague…?“
„Du kommst zu spät“ sagte Vincenzo.
„Wie meint Ihr das?“ Der Tonfall des Lords war ihm nicht geheuer.
„Selina ist tot.“
„Was…“ Marcello dachte, er habe sich verhört. Sollte seine Liebste wirklich nicht mehr am Leben sein? War er zu spät gekommen?
„Euer verdammter Bastard hat sie umgebracht!“ schrie der Lord. Das fahle Mondlicht leuchtete auf sein verzerrtes Gesicht. „Die Totgeburt hat sie ihre letzten Kräfte gekostet! Du hast sie umgebracht!!!“
„Nein…“ Marcello konnte es nicht fassen.
„Mörder!“ Lord Vincenzo diMontague lief ihm Wahn auf den Sohn der Capulets zu und stach ihm in dessen Trauer ein Messer ins Herz. Selbst wenn er gewollt hätte, er hatte nicht ausweichen können. Die Nachricht vom Tode seiner Geliebten hatte ihn paralysiert. Der älteste Sohn des Hauses Capulet ging sofort zu Boden. Lautlos hauchte er sein Leben am Fuße des roten Steinmannes aus.
Vincenzo stolperte zurück zum Brunnen und sah Marcellos blutumströmten Körper in der nächtlichen Dunkelheit. „Ich werde nun nicht mehr gebraucht“, sagte er mit leiser Stimme, jedoch selbstzufrieden und selbstbewusst. Er sah das Messer an, dass zuvor noch Marcello getötet hatte und stach es sich ebenfalls in sein Herz.

15
Die Spaltung Veronas in Rot und Blau

So waren die beiden am nächsten Tag aufgefunden worden: Lord Vincenzo diMontague am Fuße des blauen Brunnens; der Katzenfürst Marcello diCapulet im morgendlichen Schatten der roten Statue.

Niemand wusste, was sich in dieser Nacht ereignet hatte. Sie sahen nur das traurige Ergebnis am nächsten Morgen. Selbstverständlich suchten beide hinterbliebenen Familien die Schuld für diese Tragödie bei dem jeweils anderen Haus. Einige Bewohner der Stadt schlossen sich den Familien an und so spaltete sich die Stadt in zwei Parteien, die Montagues und die Capulets, die von diesem Zeitpunkt an Kleinkriege und Kämpfe austrugen. Nach dem Bilde jenes Morgens, den Leichen aufgebahrt vor den Steinmännern, waren die beiden Parteien an den Farben blau und rot zu erkennen. So wusste der blau gekleidete Montague sofort, wenn er einem rot gekleideten Feind gegenüberstand.

***

So spann sich der Kampf zwischen den Montagues und Capulets immer weiter und schien kein Ende zu finden, auch wenn sich der Indikator dieses Kampfes in all den Jahren und Generationen verlor.


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