Inhalt: mal wieder ein Oneshot, der ein bisschen zum Nachdenken anregen soll...
Genre: Silent
Rating: P12
Disclaimer: keine Namen und auch keine näheren Beschreibungen - all mine ^^
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Gönnt mir doch mein Glück!
von Sisi
Zum wiederholten Male lese ich die Zeilen auf der vor mir aufgeschlagenen Zeitungsseite. Obwohl die Digitalanzeige des Weckers auf dem Nachtkästchen bereits nach zwei Uhr zeigt, finde ich keine Ruhe. Neben dem kurzen Artikel ist ein Bild gedruckt, das mich mit meiner besten Freundin zeigt. Es war nur ein unachtsamer Moment im Flur, abseits der Veranstaltung, in dem wir unsere Vorsicht vergaßen. Irgendwo in unmittelbarer Nähe hielt sich der Journalist auf, als wir uns zärtlich küssten und nun ist das Foto hier in der Zeitung, wo viele Menschen es sehen. Dem meisten ist es wahrscheinlich gleichgültig, doch einige werden sich den Mund darüber zerreißen.
Musicaldiva im Glück mit einer Frau, heißt es auf dem Papier. Nachdem sie in der letzten Zeit öfter in Begleitung einer Kollegin gesehen wurde, zeigt sich nun deutlich, dass die beiden Frauen weit mehr als nur Freundschaft verbindet. Für ihre Fans kommt es vermutlich vollkommen überraschend, war sie bisher doch immer mit Männern zusammen.
Überraschend… und wenn schon! Was kümmert es diese fremden Menschen? Sie wissen doch nichts von mir. Ich bin so wütend auf den Journalisten, der reglos im Verborgenen lauert, um im richtigen Moment zuzuschlagen, wie ein Greif, der sich auf die nichtsahnende Maus hinab stürzt. Aber vielleicht hat es auch sein Gutes, denn jetzt brauchen wir unsere Liebe nicht mehr zu verbergen. Die Zeit wird es zeigen.
Nur ein paar Tage, länger hat es nicht gedauert, bis sich der dumme Artikel herum gesprochen hat. Ich merke es an den Blicken der Leute, die vor dem Theater auf meine Kollegen und mich warten. Wahrscheinlich brennt ihnen die Frage auf der Zunge, ob es wahr ist. Als ob sie nichts anderes zu tun hätten, als sich den Kopf über das Leben anderer zu zerbrechen. Neben wem die Kassiererin im Supermarkt abends einschläft, interessiert niemanden. In gewisser Weise beneide ich all diese Menschen manchmal, deren Namen man niemals in der Zeitung lesen wird, am allerwenigsten im Klatschteil. Ich liebe meinen Beruf, weil ich den Leuten, die begeistert ins Theater strömen, Freude schenken kann, bis die Vorstellung zu Ende ist. Manchmal wünschte ich nur, es würde enden, wenn ich nach der Show das Gebäude verlasse, so wie die Kassiererin nach Ladenschluss heim geht und sich bis zum nächsten Morgen nicht mehr mit ihrer Arbeit befasst. Wie sehr wir Bühnenmenschen aufpassen müssen, was wir tun und sagen, das merke ich jetzt nur allzu deutlich. Sie hängen an meinen Lippen, in der Hoffnung ich würde etwas sagen, das ihnen Klarheit verschafft. Hüten werde ich mich, es ihnen zu bestätigen. Dementieren kann und will ich die Wahrheit nicht. In ihren Armen fühle ich mich nachts geborgen, bei ihr ist mein Herz daheim.
Müde lasse ich mich auf einen freien Sitz in der U-Bahn sinken. Ich betrachte mein Spiegelbild im schwarzen Fenster, während sich der Zug in Bewegung setzt. Die Augen, die mir entgehen sehen, sind nicht länger leer und ausdruckslos. Als ich meinen Namen höre, blicke ich auf. Erst jetzt bemerke ich unweit entfernt ein paar Mädchen von der Bühnentür, Sie reden über mich, es lässt sich kaum vermeiden ihren Worten zu folgen, weil es um diese Uhrzeit im Waggon ziemlich ruhig ist. Doch wünschte ich niemals etwas davon gehört zu haben. Was gibt im Grunde fremden Leuten das Recht über meine Beziehung zu urteilen? Sie mögen den Menschern nicht, den ich liebe, ohne ihn überhaupt zu kennen. Aus dem einen Grund, dass sie nicht ihren Vorstellungen entspricht, dass sie lieber jemand anderen an meiner Seite sähen. Sollen sie ihre Wunschträume haben, doch erfüllen werden diese sich nicht, denn sie ist es, die ich liebe. Mit ihr bin ich endlich wieder richtig glücklich, wie schon viel zu lange nicht mehr. Es schmerzt böse Dinge über den Menschen zu hören, der mein Leben ist. In gewisser Weise mehr als der Artikel des Journalisten, ihm ist es gleich, über wen er schreibt. Aber diesen Mädchen bin ich nicht egal, sie mögen mich. Zumindest geben sie es vor. Jene, die sich Fans nennen, sollten sich doch freuen für mich! Verlange ich zu viel?
Am selben Abend, an dem mich meine Freundin vor dem Theater erwartet, begegne ich an der Bühnentür den Mädchen aus der U-Bahn wieder. Ich unterhalte mich nur knapp und distanziert mit ihnen, es ist mir gleich, ob sie sich später darüber echauffieren. Zwar liegt es mir fern, ihnen etwas nachzutragen, doch bin ich nach wie vor noch enttäuscht von ihnen. Fast immer nehme ich mir die Zeit ihnen ihre Autogramm- und Fotowünsche zu erfüllen, oder auch nur mit ihnen zu plaudern. Nicht weil es ein Teil meiner Arbeit ist, sondern weil ich es schön finde, ihnen auf so einfache Weise Freude bereiten zu können. Und was ist der Dank dafür? Auf all die kleinen Geschenke vermag ich zu verzichten, Blumen welken rasch und Pralinen sind bald vertilgt. Ein bisschen Verständnis ist alles, was ich mir von ihnen wünsche. Was ich erwarte. Ich bin keine Marionette, an deren Schnüren sie ziehen können wie es ihnen beliebt. Vielleicht werden sie es irgendwann begreifen.
„Guten Abend, meine Süße“, flüstere ich an meine Freundin gewandt, die jetzt endlich vor mir steht. Sie lächelt und dankbar schließe ich die Arme um sie. Dankbar dafür, dass sie bei mir ist. Ich spüre die argwöhnischen Blicke der Mädchen, wie sie uns beobachten, als ich mit der Fingerspitze behutsam über ihre Wange streiche. Dann küsse ich sie liebevoll bis ich mich trunken fühle von ihren weichen Lippen.
~ Ende ~