Je suis une femme

Eure musicalischen Stories oder Fanfictions könnt ihr hier posten.

Moderatoren: Sisi Silberträne, Elphaba

Benutzeravatar
ChristineDaae
Musical-Narr
Musical-Narr
Beiträge: 8911
Registriert: 10.03.2007, 16:11:56
Wohnort: München
Kontaktdaten:

Beitragvon ChristineDaae » 09.01.2008, 18:36:29

So ähnlich entdeckt er glaube ich die Lilie auch im Buch, oder?

Die arme Anne... :cry: Das Kapitel ist jedenfalls wieder fantastisch geschrieben, ich bin schon gespannt wie es weitergeht! :)
Freue dich, wenn es regnet – wenn du dich nicht freust, regnet es auch.
(Karl Valentin)


Bild
http://www.razyboard.com/system/user_christinedaae.html

Benutzeravatar
Sisi Silberträne
Admin
Admin
Beiträge: 12644
Registriert: 01.04.2006, 23:03:41
Wohnort: Wien
Kontaktdaten:

Beitragvon Sisi Silberträne » 10.01.2008, 14:58:21

Ja, so entdeckt er die Lilie im Buch... ich fand das irgendwie schlüssiger als die Musical-Version.
Administratorin und Moderatorin
technik@musical-forum.net
http://www.musical-forum.net

Bild

You will see those better days!
Wirklich frei macht wahrscheinlich nur der Wahnsinn!

Benutzeravatar
Ariliana
Musical-Fan
Musical-Fan
Beiträge: 1627
Registriert: 05.10.2006, 14:07:16

Beitragvon Ariliana » 10.01.2008, 18:40:34

Im großen und ganzen gefällt es mir gut! Ich bin über ein oder zwei sätze im letzten Kapitel gestolpert, aber sonst gefiel es mir.

( Ich weiss, ich bin sehr kritisch.)

Benutzeravatar
Marie Antoinette
Musical-Narr
Musical-Narr
Beiträge: 8886
Registriert: 15.06.2006, 19:48:28
Wohnort: Bodenseegebiet
Kontaktdaten:

Beitragvon Marie Antoinette » 15.01.2008, 06:58:53

So, dann schreib ich hier auch noch was - gesagt hatte ichs dir ja schon... :wink:

Wieder ein schöner Teil... hab ich doch vermutet, dass das passiert... die arme Anne... :cry:

Und diesem Silvain werd ich eins mit dem Holzprügel überziehen... *fies grins*

Bin mal gespannt wie es weitergeht - und auf die Idee, wie Anne bei dir zu dem Namen de Winter kommt.. :wink: Schnell weiter! :)

Benutzeravatar
Sisi Silberträne
Admin
Admin
Beiträge: 12644
Registriert: 01.04.2006, 23:03:41
Wohnort: Wien
Kontaktdaten:

Beitragvon Sisi Silberträne » 08.05.2008, 23:20:18

Hab mal wieder weiter geschrieben. Wenn ich richtig drin bin, sodass es mir ganz leicht von der Hand geht, hab ich manchmal wirklich den Eindruck ich würde ihr zuhören...
Jo, Silvain verdient Prügel, aber jetzt könnt ihr eure Holzprügel erst mal wieder einstecken, haltet sie nur griffbereit ;) Enjoy!



Kapitel 16


Tage vergingen. Wie lange saß ich nun schon hier drin? Ich wusste es nicht, ich hatte bald jegliches Zeitgefühl verloren. Die Zeit spielte ohnehin keine Rolle mehr, ich musste nie wieder darauf achten pünktlich zum Frühstück zu erscheinen. Ob Olivier manchmal an mich dachte? Ich ertappte mich oft dabei, mich zu fragen, wo er sich gerade aufhielt und was er tat. Die meiste Zeit schlief ich, das war auch die einzige Möglichkeit Stunde um Stunde in der engen Zelle zu überstehen ohne verrückt zu werden. Nach dem Aufwachen fühlte ich mich elend. Wahrscheinlich war es das halb verdorbene Essen oder das Wasser, das mich krank machte.
Dann stand auf einmal der Gefängnisaufseher mit einem Schlüssel vor meiner Zelle. Mein Herz hüpfte, als er tatsächlich aufschloss, denn trotz allem hoffte ich immer noch, Olivier würde mir eine zweite Chance geben und mich zurück holen. Doch er war es nicht, der draußen im Freien im Tageslicht auf mich wartete, sondern ein Mann, den ich nicht kannte. Er trug einen rotschwarzen Umhang, ich erinnerte mich, solche Kleidung schon einmal gesehen zu haben, doch nicht wo.
„Hier ist das Mädchen, Monsieur“, sagte der Aufseher. „Ich übergebe sie hiermit Eurer Verantwortung, was weiter mit ihr passiert, soll mich nicht kümmern. Passt nur auf, sie ist lange nicht so unschuldig, wie sie aussehen mag.“
Der andere Mann nickte leicht. „Habt Dank.“ Dann wandte er sich mir zu. „Folgt mir, Madame. Ich habe den Auftrag Euch nach Paris zu bringen.“

Und das war der vorerst der einzige Satz, den ich von ihm zu hören bekam. Mit Ausnahme seines Namens, er hieß Gérôme Beauval. Ich war unsicher was nun auf mich zukam, was mich am Ziel dieser Reise erwartete. Paris selbst sah ich gleichmütig entgegen, vor ein paar Jahren wäre ich aufgeregt gewesen beim Gedanken diese Stadt zu betreten, doch ich ahnte, dass es dort für das Landkind, das ich war, nicht besser sein würde, als in Lille damals.
Während die kleine Kutsche über die unebenen Straßen rumpelte, saß ich im Inneren des Verschlags und bekam so nicht einmal mit, wie wir die Grafschaft de la Fère hinter uns ließen. Gérôme war sehr darauf bedacht, mir keine Möglichkeit zur Flucht zu geben, aber sonst behandelte er mich nicht schlecht. Die ganze Zeit über sprach er nur das Nötigste mit mir.
„Wollt ihr mich weiterhin beharrlich anschweigen? Bis nach Paris werden wir noch eine Weile gemeinsam reisen, ist es nicht so?“ startete ich am Abend, als wir rasteten, den Versuch einer Unterhaltung.
„Da habt Ihr schon recht.“ Er reichte mir ein Stück Brot. „Esst, damit Ihr bei Kräften bleibt.“
Dankbar nahm ich das helle Gebäck entgegen. Es war hart, aber es füllte meinen Magen. Für den jungen Mann war das Gespräch damit beendet, er aß stillschweigend auf, legte sich dann schlafen.

Am Morgen war mir wieder fürchterlich schlecht. Wir waren noch nicht lange unterwegs, als ich Gérôme deshalb bitten musste anzuhalten. Das karge Frühstück wollte nicht verbleiben wo es war. Im Lauf des Vormittags begann es mir besser zu gehen, doch diese Übelkeit wiederholte sich auch am folgenden Tag.
„Oje, geht es Euch heute wieder nicht gut?“ fragte Gérôme, als ich wieder hinter einigen Büschen verschwand, um mich zu übergeben. „Seid Ihr reisekrank?“
Ich schüttelte den Kopf, als ich sehr blass wieder hervor kam. „Mir ist noch nie bei einer Kutschfahrt übel geworden, egal wie holprig die Straße war.“
„Das ist nicht gut… ich hoffe Ihr seid nicht ernsthaft krank. Im nächsten Dorf suchen wir besser einen Heilkundigen auf.“ Er schien tatsächlich ein wenig besorgt zu sein, wenn auch eher um die Erfüllung seines Auftrags.
Selber war ich in Gedanken bereits alle Möglichkeiten durchgegangen, die mir einfielen. Von der Reise selbst war mir sicher nicht so übel, es hatte schon im Gefängnis begonnen und am Essen konnte es jetzt auch nicht mehr liegen, weil Gérôme das Gleiche zu sich nahm.
„Mir fällt da etwas ein“, sagte der junge Mann nach einer Weile. „Meiner Frau war morgens oft schlecht, als sie unser erstes Kind erwartete.“
Bei diesen Worten durchzuckte es mich siedend heiß. Warum hatte ich daran noch nicht gedacht? Eine zweite Erkenntnis holte mich ein, nämlich die, dass mein Blut nicht gekommen war. Als ich eingesperrt war, hatte ich kaum Zeitgefühl gehabt, aber jetzt wusste ich ja wieder, welchen Tag wir hatten. Ich wurde fast nie krank, also war dies die einzige Erklärung, die blieb. Ich war schwanger! Unsicher legte ich die Hand auf meinen Bauch, im Moment konnte ich es noch nicht fassen.
„Ihr seid also Vater?“ fragte ich Gérôme beiläufig, im Augenblick konnte ich einfach nicht still sein.
Er nickte ein wenig verträumt. „Ja, ich habe einen Sohn von zwei Jahren. Das größte Geschenk, das meine Frau mir machen konnte.“
Damit war das eisige Schweigen durchbrochen, wir redeten nun die ganze Zeit über. Er erzählte mir von seinem Jungen und wie viel Freude so ein winziges Geschöpf bedeuten konnte, wenn es erst einmal auf der Welt war. Es kam mir fast vor, als wolle er mir damit Mut machen. Und schließlich tat er etwas, mit dem ich nicht gerechnet hatte. Er ließ mich neben sich auf dem Kutschbock sitzen, an der Luft. Offenbar vertraute er aus welchem Grund auch immer darauf, dass ich nicht weglief. Das zu tun hatte ich ohnehin nicht vor, es gab keinen Ort, an den ich gehen konnte.

Im nächsten Dorf legten wir tatsächlich eine Rast ein, um jemanden zu suchen, der des Heilen kundig war. Die Alte konnte man als Kräuterhexe bezeichnen, aber immerhin schien sie zu wissen wovon sie sprach. Sie tastete in einer unangenehmen Prozedur meinen Leib ab und gelangte dabei zu derselben Erkenntnis wie ich zuvor. Ich trug tatsächlich Oliviers Kind unter dem Herzen. Das hatte er sich so gewünscht, und nun würde er es nie erfahren. Zum Schluss gab sie mir noch ein Beutelchen mit Kräutern mit, die gegen die Übelkeit helfen sollten, doch ich verwendete sie nicht. Auch wenn es unangenehm war, so handelte es sich um Zeichen meines ungeborenen Kindes. Das Wissen um die Schwangerschaft ließ mich den Verlust Oliviers ein wenig leichter ertragen, denn ein Teil von ihm lebte in diesem kleinen Wesen in mir, und das konnte mir keiner nehmen. Nie!

„Morgen Nachmittag werden wir Paris erreichen“, sagte Gérôme ein paar Tage später, als wir nach einem kargen Frühstück das Pferd anspannten, um weiter zu reisen. Diese Nachricht holte mich in die Wirklichkeit zurück, ich hatte aufgehört über das Ziel unserer Fahrt nachzudenken.
Angestrengt starrte ich auf die leere Straße, die sich zwischen einigen Bäumen verlor. „Ihr habt mir noch nicht gesagt, weshalb Ihr mich nach Paris bringen sollt.“
Er lachte bitter. „Man gab mir nur den Auftrag Euch zu holen, mehr wurde mir nicht mitgeteilt. Ihr seht also, ich kann Euch nicht sagen, was Euch erwartet.“
„Und von wem habt Ihr diesen Auftrag erhalten?“ bohrte ich weiter. Ich wollte wissen, was ich in der großen Stadt vorfand, und warum ich dorthin gebracht wurde.
„Der Befehl kam von Seiner Eminenz, dem Kardinal Richelieu, ich gehöre seiner Garde an.“ Er sah für einen Moment an sich herunter, und jetzt fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Diese Uniform hatte ich damals schon gesehen, als ich mit der verfluchten Lilie gezeichnet worden war! Und ich erinnerte mich an die Begegnung mit dem Kardinal. „Wessen hat man Euch verurteilt? Was kann jemand wie Ihr denn so Schlimmes verbrochen haben, dass es für Seine Eminenz von Interesse ist?“
Ich zuckte nur mit den Schultern. „Das spielt keine Rolle… Niemand hat mich je gefragt, was geschehen ist, als man mir damals die bourbonische Lilie einbrannte.“
Darauf erwiderte der junge Mann nichts mehr, er schien tatsächlich über meine Worte nachzudenken. „Euer Geheimnis ist bei mir sicher, versprochen“, fügte er dann mit einem Lächeln hinzu, wobei sein Blick meinen Bauch streifte. Dafür war ich ihm so dankbar.

Als wir dann wegen eines heftigen Regengusses später als erwartet die Hauptstadt Frankreichs erreichten, musste ich wieder nach hinten in den engen Verschlag zurück kehren. Ich blieb eine verurteilte Verbrecherin und er hatte mich danach zu behandeln. So sah ich nicht viel von Paris, bis die Kutsche hielt, und ich mich im Hof einer prachtvollen Residenz wieder fand. Das Haus von Oliviers Familie war für mich schon sehr groß gewesen, doch dieses Gebäude übertraf es bei Weitem, es war unvorstellbar, so etwas hatte ich noch nie zuvor gesehen.
Das imposante Äußere wurde nur noch von dem herrlichen Inneren übertroffen. Die Eindrücke überfluteten mich, während ich Gérôme staunend durch Gänge und über Treppen folgte. Das Ziel war ein weitläufiges Zimmer, in dem ein wuchtiger Tisch aus dunklem Holz den Mittelpunkt bildete. Die Vorhänge bestanden aus edlen schimmernden Stoffen und an den Wänden gab es Gold und Marmor. Über der mächtigen Tür hing ein großes goldenes Kreuz. Zuletzt sah ich den Mann, der hinter dem Tisch in einem bequemen Sessel aus rotem Samt saß. Seine stechenden Augen hatten mich dagegen längst erfasst.
Ich erkannte dieses kühle Gesicht, umgeben von vollkommen glatt gekämmtem Haar, die prächtige rote Kleidung mit ihren reichhaltigen goldenen Verzierungen, das Kreuz um seinen Hals und die protzigen Ringe an seinen langen Fingern. Zunächst stand ich nur unschlüssig da, erst als ich Gérômes Hand auf der Schulter spürte, machte ich einen widerwilligen Knicks.
Zuletzt geändert von Sisi Silberträne am 30.08.2009, 19:25:25, insgesamt 3-mal geändert.
Administratorin und Moderatorin
technik@musical-forum.net
http://www.musical-forum.net

Bild

You will see those better days!
Wirklich frei macht wahrscheinlich nur der Wahnsinn!

Benutzeravatar
Coco

Beitragvon Coco » 09.05.2008, 00:07:42

Na wollen wir mal sehen, was genau der Kardinal nu von ihr will... *schonmal Holzprügel nehm und in Angriffshaltung geh*

Benutzeravatar
Marie Antoinette
Musical-Narr
Musical-Narr
Beiträge: 8886
Registriert: 15.06.2006, 19:48:28
Wohnort: Bodenseegebiet
Kontaktdaten:

Beitragvon Marie Antoinette » 09.05.2008, 06:36:39

Endlich gehts weiter! *freu*

Ein schöner Teil, gefällt mir wirklich gut... :) jetzt ist sie auch noch schwanger, wie das wohl weitergeht?

Aber das Ende ist mal wieder echt gemein... ich stell mir grad die selbe Frage wie Coco: Was will denn jetzt ausgerechnet der Kardinal? Ich glaub ich brauch auch mal nen Holzprügel... *mich hinter coco zum verhauen anstell*

Benutzeravatar
armandine
Musical-Expert
Musical-Expert
Beiträge: 3209
Registriert: 17.10.2007, 01:07:09

Beitragvon armandine » 09.05.2008, 10:58:54

Sicher nichts Gutes... der Holzprügel hat bestimmt seine Berechtigung!

Benutzeravatar
Ariliana
Musical-Fan
Musical-Fan
Beiträge: 1627
Registriert: 05.10.2006, 14:07:16

Beitragvon Ariliana » 09.05.2008, 13:44:37

ZUPA!

Benutzeravatar
Kitti
Musical-Narr
Musical-Narr
Beiträge: 8268
Registriert: 01.04.2006, 14:28:31
Wohnort: Wuppertal

Beitragvon Kitti » 10.05.2008, 14:45:42

Schön, dass es weitergeht!! Du machst es wieder einmal sehr spannend. Warum glaube ich nur, dass sowohl das ungeborene Kind als auch deine Protagonistin weiterhin wenig Glück haben werden?! :wink:
Quiero vivir, quiero gritar, quiero sentir el universo sobre mi... Quiero correr en libertad, quiero encontrar mi sitio...

Administratorin und Moderatorin

Deutsche Musical-Community
www.musical-forum.net

Benutzeravatar
ChristineDaae
Musical-Narr
Musical-Narr
Beiträge: 8911
Registriert: 10.03.2007, 16:11:56
Wohnort: München
Kontaktdaten:

Beitragvon ChristineDaae » 18.05.2008, 16:08:57

Eine wirklich schöne Fortsetzung :) Die arme Anne, ich ahne schlimmes... Aber dieser Gérôme ist echt nett :)
Ich bin gespannt was passiert – im Musical hat sie ja kein Kind...
Freue dich, wenn es regnet – wenn du dich nicht freust, regnet es auch.
(Karl Valentin)


Bild
http://www.razyboard.com/system/user_christinedaae.html

Benutzeravatar
Sisi Silberträne
Admin
Admin
Beiträge: 12644
Registriert: 01.04.2006, 23:03:41
Wohnort: Wien
Kontaktdaten:

Re: La faute d’être une femme

Beitragvon Sisi Silberträne » 08.01.2009, 22:42:56

Danke für eure Kommentare =)
Ich habs tatsächlich geschafft mal wieder weiter zu schreiben *hüpf*
Ein dickes Dankeschön an Coco fürs betalesen *knuff*



Kapitel 17


Der Kardinal nickte Gérôme kurz zu, woraufhin der jüngere Mann eine Verbeugung andeutete und sich rasch entfernte. Ich widerstand der Versuchung ihm nachzusehen, zwang mich stattdessen dazu den Blick nicht von Seiner Eminenz abzuwenden. Seine stechenden Augen taxierten mich vom Scheitel zu den Spitzen meiner Schuhe, hatte ich den Eindruck.
„Willkommen in Paris, Madame de la Fère“, begann er mit einem geheuchelten Lächeln. „Oder sollte ich de Breuil sagen?“
Bei diesen Worten durchzuckte es mich siedend heiß. Woher wusste er wer ich war? Und weshalb verhielt er sich auf einmal so freundlich mir gegenüber? Bei unserer ersten Begegnung hatte er mich vor allen Leuten ins Gesicht geschlagen, ehe mir die verfluchte Lilie in die Schulter gebrannt wurde. Die Lilie, die schuld daran war, dass ich nun hier stand, anstatt bei Olivier zu sein.
„Ich bin nicht länger Teil der Familie de la Fère, Eure Eminenz, aber das ist Euch bestimmt bekannt“, antwortete ich, bemüht um Festigkeit in meiner Stimme. Ich wollte vor ihm nicht wie ein dummes kleines Mädchen wirken. Seit damals hatten sich die Dinge geändert, ich war jetzt eine Frau.
Er nickte amüsiert. „Das ist es allerdings. Ihr fragt Euch sicherlich, woher ich den Namen Eurer Familie kenne. Für einen Mann in meiner Position ist es erforderlich bestens informiert zu sein.“ Geschmeidig erhob er sich und trat vor einen nahen Schrank, aus dem er eine Flasche mit einer goldbraunen Flüssigkeit nahm. „Darf ich Euch auch ein Schlückchen Cognac anbieten, Madame?“ Eine Antwort wartete er jedoch gar nicht erst ab, sondern stellte zwei Gläser auf den Tisch, ehe er sich wieder mir zuwandte. Sein Blick ließ mich erschaudern. „Aus Euch ist eine bemerkenswert hübsche Frau geworden.“
Unsicher strich ich mir eine verirrte Haarsträhne aus dem Gesicht. Trotz seines veränderten Gebarens traute ich ihm nicht weiter, als ich meinen Arm auszustrecken vermochte. „Ihr habt mich bestimmt nicht hierher bringen lassen, um Euch mit mir darüber zu unterhalten, Eminenz.“
Richelieu lachte trocken. „Nein, gewiss nicht, Madame. Ich möchte Euch mein Angebot in Erinnerung rufen, das ich Euch unterbreitete, ehe Ihr… nun es vorzogt Euer Glück anderswo zu versuchen. Beeindruckend wie Ihr damals schon, als Ihr nur ein kleines mageres Ding wart, diesen Jungen geblendet und um den kleinen Finger gewickelt habt, doch wirklich.“
„Was ist mit ihm geschehen?“ entfuhr es mir. Ich erinnerte mich an den Burschen, der mir zur Flucht verholfen hatte. War er für seine Güte bestraft worden?
„Soweit mir bekannt, wurde er gründlich durchgeprügelt, aber was kümmert Euch das? Ihr wisst sicherlich nicht einmal mehr seinen Namen, er war ja nur Mittel zum Zweck für Euch, nicht wahr?“ Seine dunklen Augen blitzten boshaft.
„Er hieß Paul“, sagte ich nur.
Daraufhin wanderte seine Augenbraue überrascht in die Höhe. „Nun ja, um diesen einfältigen Jungen soll es hier nicht gehen. Ihr seid zweifellos zu viel mehr fähig, Madame. Tretet in meine Dienste, Ihr würdet es nicht bereuen. Was Ihr zu tun habt, ist einfach gesagt, Ihr erhaltet Aufträge, von bestimmten Personen Informationen zu beschaffen. Wie Ihr das anstellt, soll Eure Angelegenheit sein, doch es muss überaus diskret geschehen.“
Ich schluckte, es ging tatsächlich um das Gleiche wie damals. Es widerstrebte mir mit diesem Mann etwas zu tun zu haben, aber es war nicht gerade so, dass ich eine Wahl hatte. „Und was bekomme ich für meine Dienste?“
Erneut lachte er amüsiert auf. „Kluges Mädchen! Wenn Ihr Eure Aufgaben gut erfüllt, so werde ich mich großzügig zeigen. Ihr erhaltet eine Wohnung und an Geld, was Ihr zum Leben braucht, seid sicher es wird Euch an nichts fehlen.“
„Und wenn ich mich weigere?“ Ich biss mir auf die Zunge. Sein Angebot klang verlockend, denn ich war völlig mittellos. Mich selbst vermochte ich schon irgendwie zu erhalten, aber in ein paar Monaten würde ich auch für mein Kind sorgen müssen.
„Dann seid Ihr frei zu gehen, ich werde Euch nicht festhalten.“ Der Kardinal wies auf die große Tür. „Die Straßen von Paris erwarten Euch, es gibt genug Lumpenpack, bei dem Ihr Euch einrichten könnt und solange Ihr so hübsch seid, vermögt Ihr gewiss davon leben Euren Körper feilzubieten.“
Bilder aus der Zeit, die ich in den Straßen von Lille verbracht hatte, erschienen in meinem Geist. Nein, ich wollte auf keinen Fall als Bordsteinschwalbe enden, schon um meines Kindes willen nicht. Oliviers Tochter oder Sohn hatte etwas Besseres verdient. Zögernd nickte ich schließlich.
„Gute Entscheidung.“ Mit einem triumphierenden Lächeln reichte er mir eines der beiden Gläser, in die er nun Cognac gegossen hatte. „Trinkt mit mir auf unsere Zusammenarbeit. Ich rate Euch nur enttäuscht mich nicht.“

Das Klirren der Gläser hallte immer noch in meinen Ohren, als ich wieder vor Gérôme stand. Der junge Mann hatte die ganze Zeit auf dem Gang gewartet und nun fuhren wir wieder durch die Pariser Straßen. Diesmal saß ich neben ihm auf dem Kutschbock, sodass ich alles sehen konnte, was mir zuvor entgangen war. Die Stadt war groß und furchtbar laut. Nach dem Glanz des Palais, in dem der Kardinal residierte und den sauberen Wohngegenden der Adligen und Gutbürgerlichen, konnte der Kontrast zu dem herunter gekommenen Viertel, durch das wir nun fuhren, kaum größer sein. Die Straßen waren verdreckt, die Häuser baufällig. An einer Ecke erhaschte ich für Momente den Blick auf ein junges Mädchen mit verfilztem Haar, das in schmutzige zerrissene Sachen gehüllt war, und an dessen Hand ein ganz kleiner, magerer, bloßfüßiger Junge hing. Niemand scherte sich um das Elend der beiden, weil es den anderen Menschen hier keinen Deut besser erging. Bald ließen wir diese ärmliche Gegend hinter uns, doch ich vermochte diesen Anblick kaum aus meinem Kopf zu vertreiben. Nur die Gunst des Kardinals bewahrte mich davor dort zu enden, ohne Hoffung, dass auf die finsteren Nächte einmal bessere Tage folgen würden.

Vor einem kleinen sauberen Wohnhaus hielt Gérôme den Wagen schließlich an. Er unterhielt sich kurz mit dem ein wenig untersetzten grauhaarigen Mann, dem das Gebäude offensichtlich gehörte. Einige Münzen wechselten den Besitzer. Monsieur Thorigny, so war sein Name, brachte mich anschließend in ein Zimmer unter der Dachschräge, in dem gerade ein Bett, eine Frisierkommode mit zerkratztem Spiegel und ein Schrank Platz fanden. Es hatte keine Ähnlichkeit mit meinem Gemach im Heim der de la Fères, was jedoch nicht an der Größe oder der Einrichtung lag, das alles bedeutete mir nichts. Bei Olivier und seiner Familie hatte ich mich zu Hause gefühlt, aber das hier war ein fremder Ort, ein kalter Ort. Doch zumindest hatte ich ein Dach über dem Kopf, das allein zählte.

In den nächsten Tagen versuchte ich mich an das Leben in Paris zu gewöhnen, obwohl es mir alles andere als leicht fiel, denn bereits Lille war mir zu groß und unüberschaubar gewesen, war ich doch in ländlichem Raum aufgewachsen. Wie sehnte ich mich zurück nach den Wäldern, den Wiesen und Feldern der Grafschaft. Selbst der Himmel über Paris schien anders zu sein, er war grau und wolkenverhangen, ich bezweifelte, dass die Sonne hier jemals so klar und kräftig scheinen würde. Wenngleich ich gehen konnte, wohin ich wollte, fühlte ich mich gefangen.
Vom Kardinal hörte ich nichts, worüber sich mein Bedauern in Grenzen hielt, die Begegnung mit ihm hatte mir vergangene Ereignisse, die ich zu vergessen versucht hatte, wieder überdeutlich in Erinnerung gerufen. Ich versuchte mit aller Kraft nicht mehr an die Ereignisse der Vergangenheit zu denken, nichts davon spielte mehr eine Rolle. Nur die Zukunft zählte, das Kind, das ich unter dem Herzen trug. Mein Unterbewusstsein sagte mir, dass es ratsam war, die Schwangerschaft so lange wie nur irgendwie möglich zu verbergen, was im Augenblick noch einfach sein mochte. Wenn ich doch nur Oliviers kluge Mutter hätte, um ihren Rat zu erbitten. Sie wusste bescheid, hatte sie doch selbst zwei starken Söhnen das Leben geschenkt.
Für Monsieur und Madame Thorigny schien ich kaum existent zu sein. Wann immer ich ihnen begegnete, wurde mein höflicher Gruß nur mit einem dezenten Kopfnicken erwidert. Es sollte mich nicht weiter stören, ich legte keinerlei Wert mehr auf neue Bekanntschaften. Anderen Menschen Zuneigung und Vertrauen entgegen zu bringen, hatte mir im Leben nie Glück gebracht. Freundschaft, Liebe, das vernebelte den Geist nur, machte ihn schwach und verletzlich. Ich würde niemals wieder jemanden nahe genug an mich heran lassen, um erneut verlassen oder weggestoßen zu werden. Ich brauchte niemanden, außer mir selbst!
Administratorin und Moderatorin
technik@musical-forum.net
http://www.musical-forum.net

Bild

You will see those better days!
Wirklich frei macht wahrscheinlich nur der Wahnsinn!

Benutzeravatar
Coco

Re: La faute d’être une femme

Beitragvon Coco » 08.01.2009, 22:46:35

Wieder ein tolles Kapitel. Hab ich dir ja schon gesagt.

Ich liebe deinen Schreibstil :D *knuffel*

Benutzeravatar
Kitti
Musical-Narr
Musical-Narr
Beiträge: 8268
Registriert: 01.04.2006, 14:28:31
Wohnort: Wuppertal

Re: La faute d’être une femme

Beitragvon Kitti » 09.01.2009, 18:07:02

Ja, das Kapitel ist wirklich klasse. Toll, wie du die Entwicklung von Miladys Bitterkeit erklärst. Bitte bald weiter!
Quiero vivir, quiero gritar, quiero sentir el universo sobre mi... Quiero correr en libertad, quiero encontrar mi sitio...

Administratorin und Moderatorin

Deutsche Musical-Community
www.musical-forum.net

Benutzeravatar
NYaddicted
Grünschnabel
Beiträge: 99
Registriert: 09.01.2009, 22:00:03

Re: La faute d’être une femme

Beitragvon NYaddicted » 09.01.2009, 22:08:26

Wunderbar geschrieben und richtig spannend. Bin mal auf nächste Kapitel gespannt.

Benutzeravatar
Ariliana
Musical-Fan
Musical-Fan
Beiträge: 1627
Registriert: 05.10.2006, 14:07:16

Re: La faute d’être une femme

Beitragvon Ariliana » 21.01.2009, 17:12:34

Finde toll das es endlich weitergeht, schreib dir später einen ausführlichen Kommentar , versprochen!!

Benutzeravatar
ChristineDaae
Musical-Narr
Musical-Narr
Beiträge: 8911
Registriert: 10.03.2007, 16:11:56
Wohnort: München
Kontaktdaten:

Re: La faute d’être une femme

Beitragvon ChristineDaae » 27.01.2009, 17:20:16

Schön geschrieben.. Bin gespannt wie es jetzt weitergeht, lass dir nicht wieder so lang Zeit! ;)
Freue dich, wenn es regnet – wenn du dich nicht freust, regnet es auch.
(Karl Valentin)


Bild
http://www.razyboard.com/system/user_christinedaae.html

Benutzeravatar
Marie Antoinette
Musical-Narr
Musical-Narr
Beiträge: 8886
Registriert: 15.06.2006, 19:48:28
Wohnort: Bodenseegebiet
Kontaktdaten:

Re: La faute d’être une femme

Beitragvon Marie Antoinette » 28.01.2009, 17:53:36

da kann ich mich nur anschließen... lass uns nicht so lang auf den nächsten Teil warten...

Benutzeravatar
Ariliana
Musical-Fan
Musical-Fan
Beiträge: 1627
Registriert: 05.10.2006, 14:07:16

Re: La faute d’être une femme

Beitragvon Ariliana » 04.02.2009, 14:14:28

Wow! DAs ist wirklich schön geschrieben, sehr spannend und sehr authentisch.
cool!

Benutzeravatar
Sisi Silberträne
Admin
Admin
Beiträge: 12644
Registriert: 01.04.2006, 23:03:41
Wohnort: Wien
Kontaktdaten:

Re: Je suis une femme

Beitragvon Sisi Silberträne » 30.11.2009, 21:53:37

Wow... NUR elf Monate gebraucht oO Wenn das so weiter geht, bin ich hundert bevor die FF fertig ist XD Solang ihr im Moment noch weiter lest, tät ich mich freuen. Danke für die Kommis!

Kleine Anmerkung am Rande: der Graf de Saint Germain ist keine Erfindung von mir. Ob es ihn tatsächlich gegeben hat, weiß niemand.



Kapitel 18


Es dauerte nicht lange, bis ich meinen ersten Auftrag durch einen Mittelsmann des Kardinals erhielt. Ich sollte mich unter dem Decknamen Gräfin de Lechelle auf einer Festlichkeit einschleichen, mein Ziel war ein junger Mann aus einer reichen Kaufmannsfamilie, der erst kürzlich aus England zurück gekehrt war. Meine Aufgabe bestand darin, herauszufinden, ob er durch seine geschäftlichen Kontakte mit dem Königshof irgendetwas über Buckingham, den Regenten der Briten wusste. Das noble Palais, in dem das Fest stattfand, war nicht meine Welt, doch zumindest war ich tatsächlich eine Gräfin gewesen und konnte mich auch wie eine benehmen.
Männer waren so berechenbar! Schon den Blick einer hübschen Frau nahmen sie als Aufforderung. Nur allzu bereitwillig ließ er sich von mir bezirzen und schließlich saß ich neben ihm in seiner Kutsche, die über die nächtlichen Straßen holperte. Er war widerlich, konnte seine Hände kaum bei sich behalten. Sein Atem roch beträchtlich nach Alkohol. Ich musste mitspielen und so tun als gefielen mir all diese Annäherungen, die in mir Übelkeit entstehen ließen. Als wir in seinem Haus angelangt waren, brachte er eine Karaffe mit gutem Wein, wie ich annahm, um mich williger zu machen.
„Ihr seid ausnehmend schön, Gräfin“, murmelte er berauscht, während seine Finger wieder eine gierige Wanderschaft über meinen Körper begannen.
Ich zuckte zusammen, als seine Hand unter mein Kleid glitten und mir zwischen die Beine fasste. Rasch richtete ich mich auf dem Bett auf. „Mein Ring! Er ist weg… ich habe ihn verloren. Vorhin war er noch da!“
„Wir werden ihn nachher suchen…“, raunte mein Verehrer, ohne von seiner Tätigkeit abzulassen.
„Aber er gehörte meiner Mutter… er ist wertvoll!“ Entschieden schob ich ihn beiseite. „Irgendwo hier muss er sein.“
Widerwillig begann er auf dem Boden nach dem Schmuckstück zu suchen, während ich die Gelegenheit nutzte, um eine Brise des Pflanzenpulvers, welches ich in einem kleinen Säckchen bei mir trug, in sein Weinglas zu schütten. Dann beugte auch ich mich hinunter und tat schließlich, als hätte ich den vermissten Ring soeben gefunden, der natürlich meinen Finger genauso wenig verlassen hatte, wie er meiner Mutter gehörte. Der junge Mann schlief den Schlaf der Gerechten, nachdem er seinen Wein ausgetrunken hatte. Ich stahl mich davon, fand sein Arbeitszimmer und suchte dort seine Unterlagen nach Brauchbarem durch. Das ein oder andere würde dem Kardinal schon gefallen. Nach getaner begab ich mich auf den Weg zurück zu meinem Zuhause bei den Thorignys.
In etwa auf diese Weise lief es meistens ab. Die Männer waren für gewöhnlich genauso leicht zu überlisten wie sie sich verführen ließen. Aber leider griff der ein oder andere ganz Ungeduldige nicht zu Wein oder Champagner, um sich geflissentlich ins Reich der Träume schicken zu lassen. Dann musste ich ausharren bis er seine Triebe gestillt hatte und danach von selbst einschlief. Wie mich das anekelte! Doch der Kardinal verlangte Ergebnisse, allzu oft konnte ich mir leere Hände nicht leisten, weil ich nur in seiner Gunst stand, so lange ich erfolgreich war. Je öfter mir keine Möglichkeit blieb, als diesen Männern meinen Körper zu überlassen, desto weniger berührte es mich noch. Schließlich empfand ich gar nichts mehr, wenn sie mich unter sich aufs Bett drückten und mich gierig nahmen.

Eines Morgens wanderte ich durch eine der vielen armseligen Gegenden in Paris. Es hatte geregnet, doch gleich wie viel Wasser vom Himmel kam, es würde nicht reichen, um den Schmutz fortzuwaschen, der hier vorherrschte. Auf einmal trat vor mir ein bemerkenswert gut gekleideter Mann aus einer schmalen Nebengasse, der so gar nicht in das Bild des Elends passen wollte. Im Vorbeigehen sah er mich kurz an, ehe er seines Weges ging. Ich hielt bei dem Durchlass inne, aus dem er gekommen war und kurz darauf erschien in den Schatten ein ganz junges Mädchen, vielleicht sechzehn oder siebzehn Jahre alt. Sein magerer Körper war in ein zerschlissenes Kleid gehüllt, das blonde Haar verfilzt und die braunen Augen völlig leer. Es zitterte nicht nur ob der Kälte des Frühlingsmorgens. Dem armen Ding versagten auf einmal die Beine den Dienst, ich tat einen großen Schritt und fing die Kleine auf, ehe sie auf den nassen schmutzigen Boden sank. Der Mann, der natürlich nichts anderes als ein Freier gewesen war, hatte sie geschlagen, ein frischer Bluterguss zeigte sich unter ihrem rechten Auge.
„Er… er hat mich um mein Geld geprellt…“ wimmerte sie schwach. „Wie soll ich denn nun meinen Jungen ernähren… mein kleiner Junge… er hat doch Hunger…“
„Shhh…“ sagte ich leise, holte ein paar Münzen aus meiner Tasche und legte sie in ihre schmale knochige Hand. „Hier, kauf damit Brot für deinen Sohn.“
Sie riss erstaunt die Augen auf. „Danke… ich danke Euch!“
Mit einem aufmunternden Lächeln half ich ihr auf die Beine. Sie bedankte sich noch mehrmals überschwänglich, ehe sie davon stolperte. Diesen Tag würden ihr Kind und sie überleben, aber vielleicht forderten Hunger und Elend bereits ihr Opfer, bevor am nächsten Abend die Sonne unterging. Das arme Ding musste seinen Körper verkaufen, konnte nie wissen, ob es an Männer geriet wie jenen an diesem Morgen, die es statt mit Geld mit Schlägen bezahlten.
Ich seufzte traurig. Auf einmal wurde mir bewusst, dass ich im Grunde gar nichts anderes tat. Ob es nun eine dunkle Seitengasse war oder ein weiches Bett spielte kaum eine Rolle, ich gab meinen Körper für mein Leben. Und für das meines noch Ungeborenen. Ich war das geworden, was ich niemals werden wollte. Mit einem bitteren Lächeln legte ich die Hand auf meinen Bauch, wo sich bereits eine kleine Rundung erfühlen ließ. Oliviers Kind, dessen Bewegungen ich bereits in meinem Leib spüren konnte, würde nichts als eine Hure zur Mutter haben. Aber es würde auch ein Dach über dem Kopf haben und immer genug zu essen.

Es erstaunte mich, dass mich der Kardinal für meinen nächsten Auftrag zu sich rief. Normaerweise ließ er mich durch Boten über mein Ziel informieren. Seit dem Tag, an dem ich nach Paris gekommen war, hatte ich sein Palais nicht mehr betreten. von einem Gardisten wurde ich ins Arbeitszimmer seiner Eminenz geführt, wo er hinter seinem wuchtigen Schreibtisch thronte.
„Ah“, sagte er, als ich vor ihm knickste. „Wenn das nicht Anne ist. Ihr werdet mit jedem Mal reizender, meine Liebe.“
„Guten Morgen, Eminenz“, grüßte ich ihn, ohne auf seine Worte auch nur im Geringsten einzugehen. „Ihr wünscht mich zu sehen?“
Er nickte leicht. „In der Tat, in der Tat. Ihr habt Euch inzwischen bewehrt, aber nichts anderes habe ich erwartet. Eure nächste Aufgabe ist darum von allergrößter Wichtigkeit.“ Mit einem Handgriff holte er aus seinem Tisch ein kleines Bild hervor und legte es vor mich hin. „Der Graf de Saint Germain.“
Mäßig interessiert betrachtete ich den jungen Mann, der mit ernsten blauen Augen in die Welt hinaus blickte. Was sollte an ihm so Besonderes sein? Er war gewiss nur ein weiterer verwöhnter Adelsspross.
„Glaubt mir, er ist nicht wie andere Männer“, fuhr der Kardinal fort. „Er ist ein Gelehrter, ein Reisender und wahrscheinlich noch viel mehr. Am Pariser Hof ist er genau so ein willkommener Gast wie bei den Engländern und den Österreichern. Er war in Indien und Afrika, kaum vorstellbar welches immense Wissen er sich dort aneignen konnte. Eure Aufgabe ist es, ihm dieses zu entlocken und alles, was Ihr von ihm zu erfahren vermögt, ist von Belang.“
Ich betrachtete das Bild nun näher. Dass all das auf diesen jungen Mann zutreffen sollte, konnte ich nicht recht glauben. Ihm schienen dafür schlicht die Lebensjahre zu fehlen. Mein Blick fiel auf die Unterschrift in der linken Ecke, ich stutzte. „Dieses Gemälde ist fast zwanzig Jahre alt, wie soll ich ihn denn erkennen?“
Mein Gegenüber sah mich ernst an. „Ihr werdet ihn schon erkennen, wenn Ihr ihm am Hofball begegnet. Er hat sich nicht sehr verändert. Und wagt es in diesem Fall nicht mich zu enttäuschen, habt Ihr verstanden, Anne?“
„Ja, Eminenz“, antwortete ich kühl mit einem leichten Nicken. Ich beäugte das Bild noch einmal gründlich. Letztlich war er, gleich wie gebildet, auch nur ein Mann mit einfachen männlichen Trieben. Er würde nicht schwieriger zu überlisten sein als die anderen vor ihm.

Von diesem Standpunkt war ich nicht abgekommen, als ich mich in einem edlen Kleid aus feinen Stoffen unter die Gäste des königlichen Balls mischte. Bisher hatte ich den Louvre nur von außen bewundert, die innere Pracht war schier überwältigend. Der große Saal war festlich geschmückt, die reichhaltig gedeckte Tafel ächzte unter mehr Essen als ich jemals gesehen hatte. Wie viele Hungernde würden davon satt?
Ich wandte meinen Blick von den Speisen ab, ließ ihn auf der Suche nach dem Grafen de Saint Germain durch die Menge der Männer und Frauen schweifen. Auf dem Gemälde mochte er kaum älter sein als fünfundzwanzig, so musste ich nach einem Edlen im reiferen Alter Ausschau halten. Bereits mehrmals war ich durch den Saal gegangen, als ich in einiger Entfernung einen Adligen bemerkte, der fein gekleidet war, doch ohne den Pomp, mit dem man sich sonst heraus putzte. Er stand beinahe reglos da, drehte mir den Rücken. Während ich ihn noch ansah, wandte er sich jäh um und unsere Blicke trafen sich. Es waren dieselben blauen Augen wie auf dem Bild des Kardinals. Ich hatte den Grafen de Saint Germain gefunden! Und jetzt verstand ich auch, was seine Eminenz mit den Worten, er hätte sich nicht sehr verändert, gemeint hatte. Ewas ich sah, war kein Mann in seinen Vierzigern. Er war immer noch jung! Der Graf schien meinen Blick bemerkte zu haben, er kam auf mich zu und ich versteifte mich unwillkürlich. Doch dann war er verschwunden, von der Menge der Festgäste verschluckt.
Administratorin und Moderatorin
technik@musical-forum.net
http://www.musical-forum.net

Bild

You will see those better days!
Wirklich frei macht wahrscheinlich nur der Wahnsinn!


Zurück zu „Fanfiction / Geschichten / Texte“

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 23 Gäste