Je suis une femme

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Ariliana
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Re: Je suis une femme

Beitragvon Ariliana » 01.12.2009, 20:51:35

Gut Geschrieben!!!! :D :D

Wirklich toll. Man kann immernoch gut weiterlesen. Am anfang hast du dich nicht mehr ganz in die geschichte eingefunden aber danach wars wieder Großartig!
Drei Tippfehler waren drin
, aber darüber kann man leicht hinwegsehen. :wink: (hast du keinen Beta-leser mehr?)

Dass die Arme Anne soo tief sinken musste. ICh finde du schilderst alles so Bildhaft dass man Automatisch die Szenen vor sich sieht.
ICh bin gespannt was mit diesem Grafen nciht stimmt... Ist es Dorian Gray? :lol:

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ami
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Re: Je suis une femme

Beitragvon ami » 07.12.2009, 13:42:57

Einfach toll, ich war total gefesselt!

ich freue mich schon auf eine Fortsetzung! =)

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Coco

Re: Je suis une femme

Beitragvon Coco » 13.12.2009, 19:23:38

Sehr schönes Kapitel. Da kann man dir die 11 Monate Wartezeit auch entschuldigen ^^
Arme Anne... Wenn man bedenkt, wie es ihr ging, als sie verheiratet war und jetzt. Da muss ich Ariliana zustimmen. Sie musste wirklich sehr tief sinken.
Bin übrigens sehr gespannt, was es mit dem neuen Grafen auf sich hat und hoffe, dass es bald ein neues Kapitel geben wird :D

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Re: Je suis une femme

Beitragvon ChristineDaae » 23.12.2009, 13:04:37

Wow... Ich war elf Monate nicht da und pünktlich wenn ich wiederkomme gibts eine Fortsetzung :lol:
Sehr schön... An einer Stelle hast du aber geschrieben sie hätte sich bewehrt – ich vermute, du meintest "bewÄhrt"?^^ *Klugscheißmodus aus*
Ansonsten wirklich super, beeil dich diesmal bisschen mit der Fortsetzung, ich will auch wissen, was es mit diesem Grafen auf sich hat.. :wink:
Freue dich, wenn es regnet – wenn du dich nicht freust, regnet es auch.
(Karl Valentin)


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Re: Je suis une femme

Beitragvon Sisi Silberträne » 17.01.2010, 18:26:59

Oh danke für eure lieben Kommis! Und diesmal geht es etwas schneller ;)

Ich muss ja zugeben, dass ich bei der Geschichte noch nie einen Betaleser hatte. Ich lese mir immer selber alles gut durch, aber leider bemerke ich meine Schnitzerlein meistens erst nach dem dritten oder vierten Mal. Vielleicht wär ein Betaleser keine so schlechte Idee...

Vorsichtshalber werde ich das Rating wohl mal auf P18 erhöhen, damit mir hinterher keine Klagen kommen :mrgreen:



Kapitel 19


Weiterhin hielt ich nach dem Grafen Ausschau, doch ich vermochte ihn in der Menge der ausgelassenen Gäste nicht mehr zu entdecken. Dann hallten die Rufe der Wachen durch den Saal, hießen alle Leute zurück zu treten und oben auf der breiten Treppe erschien König Louis in Begleitung seiner Gattin. In den prächtigen Gewändern steckte kaum mehr als ein Jüngling. Ein hübscher zwar, doch immer noch ein Milchbart, der sicher kaum eine Ahnung davon besaß, wie man ein solch großes Land regierte wie Frankreich es war. Der Kardinal vermochte ihn leicht zu lenken, ihm sämtliche Worte in den Mund zu legen, die die Geschicke aller Menschen in seinem Reich entschieden. Mein Blick glitt weiter zu der Frau, die würdevoll an seiner Seite schritt. Königin Anna war bildschön. Ihr volles dunkles Haar, das zu einer kunstvollen Frisur geflochten war, umrahmte die feinen ernsten Gesichtszüge, und klare braune Augen sahen an einen Ort jenseits des Festsaals.
Musik drang in meine Gedanken, es wurde wieder zum Tanz gespielt und die Paare begannen sich zu drehen. Hatte der König eine Ansprache gehalten? Die Worte waren mir entgangen. Meine Muskeln spannten sich unwillkürlich, als jemand vor mich trat. Es war nur einer jener verwöhnten jungen Adligen, doch ich kannte ihn.
„Guten Abend, Gräfin de Lechelle“, sagte er in einem Tonfall, der mich innerlich erschauern ließ. Robert Glénay de Briand war einer jener Männer, die ich auf Befehl Richelieus ausspioniert hatte. „Welch eine Freude, Euch zu sehen. Jammerschade, dass Ihr bei unserer letzten Begegnung so früh gehen musstet.“
„Ich hatte den Eindruck Ihr wart sehr müde, Monsieur. Deswegen ließ ich Euch schlafen“, antwortete ich kühl.
Mein Gegenüber lachte leise. „Vermutlich habt Ihr recht, denn sonst hätte ich die Gegenwart einer solch schönen Frau kaum ungenutzt gelassen. Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben, so sagt man doch, nicht wahr? Ihr langweilt Euch auf diesem Fest, das sehe ich Euch an. Lasst uns den Abend ein wenig aufregender gestalten.“
Unwillkürlich musste ich schlucken. Ich hatte ihn mit meinen Kräutern außer Gefecht gesetzt, ehe er über mich herfallen konnte. Diesmal würde er sich bestimmt nicht so leicht abweisen lassen, er war der Meinung, dass mein Körper ihm zustand. Bevor ich zu reagieren vermochte, packte er mich am Handgelenk.
„Lasst mich sofort los“, zischte ich wütend. „Ihr tut mir weh!“
„Wir wollen doch sicher gehen, dass Ihr Euch diesmal nicht so schnell davon macht, meine Liebe“, raunte er unwirsch und wollte mich in Richtung der Saaltüren dirigieren.

„Habt Ihr die Dame nicht verstanden?“
Diese samtige tiefe Stimme gehörte niemand anderem als jenem Mann, den ich bereits gesucht hatte. Der Graf de Saint Germain war unbemerkt an uns heran getreten und seine blauen Augen durchbohrten Glénay de Briand förmlich. Dieser ließ jedoch nicht los, sondern blickte nur herausfordernd zurück.
„Ich glaube nicht, dass ich mir von Euch irgendetwas befehlen lassen müsste, und was ich mit dieser Dirne anstelle, geht Euch nichts an!“
Der Graf vertat ihm den Weg, als er sich in Bewegung setzen wollte. Sein Tonfall war immer noch ruhig, doch dadurch auch bedrohlich. „Ich wiederhole mich nur noch einmal. Lasst augenblicklich die Dame los, ganz offensichtlich wünscht sie Eure Gesellschaft nicht.“
Für einen Moment befürchtete ich, dass der Jüngere nun auf ihn losgehen würde, doch dieser sah wohl ein, dass hier kein Kräftemessen möglich war. Er löste den Griff um mein Handgelenk, wandte sich wortlos um und stapfte davon.
Ich wandte mich meinem Retter zu. „Habt vielen Dank, Graf.“
Dieser lächelte sanft. „Keine Ursache. Aber sagt, weshalb gibt sich eine edle Frau wie Ihr mit einem solchen Burschen ab?“
„Sicher nicht freiwillig“, murmelte ich. „Er schien wohl zu denken, er hätte ein Recht an mir, weil ich ihm gefalle.“
„Diesem Irrtum erliegen bei einer schönen Frau viele Männer, schätze ich.“ Der Graf reichte mir die Hand. „Hört, sie spielen zum Tanz. Würdet Ihr mir die Ehre erweisen, Madame?“
Unsicher hielt ich inne, rührte mich nicht. „Ich kann nicht besonders gut tanzen, um ehrlich zu sein.“
„Das müsst Ihr nicht, so lange es gut aussieht. Lasst Euch einfach von mir führen. Nehmt die Musik in Euch auf, fühlt sie.“
Ich bemühte mich seinen Bewegungen zu folgen und es erwies sich als erstaunlich leicht. Er war ein ausgezeichneter Tänzer. Als die Musiker schließlich eine Pause machten, merkte ich, dass ich Atem schöpfen musste. So hatte noch nie ein Mann mit mir getanzt, währenddessen hatte ich völlig vergessen wo ich mich befand.

Er führte mich an der Hand ein wenig beiseite. Selbst schien ihn der Tanz kein wenig außer Atem gebracht zu haben. Seine eisblauen Augen musterten mich, es war ein Blick, der mir keine Angst machte, es mir jedoch kalt den Rücken hinab laufen ließ. Etwas Seltsames war an ihm, das ich mit Worten nicht zu erklären vermochte. Er schien direkt einer jener schönen Geschichten zu entstammen, die Mama mir erzählt hatte, als ich noch klein gewesen war. Märchen von starken mutigen Prinzen auf dem weißen Pferd, die Königstöchter aus großer Not retteten und sie dann zur Gemahlin nahmen, um für den Rest ihres Lebens gemeinsam glücklich zu sein. Nichts als dumme Geschichten!
„Ihr tanzt doch gut, ich weiß gar nicht, was Ihr habt“, sagte der Graf auf einmal. „Seid Ihr inzwischen hungrig?“
Mein Magen beantwortete diese Frage mit einem vernehmlichen Knurren, das mich erröten ließ. Ein Grinsen huschte über das Gesicht des Mannes mir gegenüber, er sagte jedoch nichts. Obwohl die Tafel unter edelsten Speisen ächzte, nahm ich mir nur etwas Brot, Käse und ein Buttercroissant. Das süße Gebäck liebte ich über alles. Der Graf hielt keinen Teller in der Hand, sondern nur zwei Gläser mit Weißwein, von denen er mir eines reichte.
„Esst Ihr nichts?“ fragte ich ihn erstaunt.
Er schüttelte den Kopf. „Ich habe vor dem Fest schon etwas zu mir genommen und bin nicht hungrig. Aber über Euch muss ich mich wundern, all diese feinen Köstlichkeiten verschmäht Ihr?“
Ich zuckte mit den Schultern. „Escargots, Crevettes… wie kann ich davon essen, wenn ich daran denken muss, wie viele hungernde Menschen satt würden, wenn man für all das Geld Brot kaufte?“
„Ja, das ist wahr. Als Gräfin lebt Ihr im Wohlstand, aber Ihr denkt an jene, die es nicht so gut getroffen haben, das gefällt mir.“
Ich vermochte nur zu nicken. Dass ich tatsächlich eine Adlige gewesen war, eine Comtesse, lag nicht weit zurück, und doch war es inzwischen so fern wie ein Traum. Mein einziger Reichtum war die Gunst des Kardinals. Mein Blick glitt abwesend zu einem der großen Fenster hinaus.
„Es ist eine schöne Nacht heute“, bemerkte er in dieselbe Richtung sehend. „Würdet Ihr mich auf einen Spaziergang in den Park begleiten, wenn Ihr aufgegessen habt?“
Eigentlich hätte ich genau in diesem Moment argwöhnisch werden und ablehnen sollen, doch tat ich es nicht. Ich war aber wachsam, als ich schließlich mit ihm hinaus ins Freie ging.

Die Nacht war klar, es standen viele Sterne am dunklen Himmel, wie winzige Diamanten auf schwarzem Samt. Ein kühler Herbstwind wehte, der Winter näherte sich merkbar. Der Graf de Saint Germain und ich unterhielten uns über viele verschiedene Dinge, von denen die meisten freilich nicht zum gewöhnlichen Gesprächsstoff für eine Frau gehörte. Ich lauschte gespannt seinen Erzählungen über seine Reisen nach Afrika und Indien, fand immer noch mehr Dinge, die ich wissen wollte, und vergaß dabei fast meinen Auftrag. Auch merkte ich nicht wie weit wir eigentlich gingen, bis er nach einer langen Weile vor einem unscheinbaren Haus stehen blieb.
„Hier wohne ich im Moment, mein Zimmer liegt ganz oben unter dem Dach.“ Er wies auf das kleine dunkle Fenster. „Der Monsieur wird nichts dagegen haben, wenn wir uns seine Kutsche ausleihen, damit ich Euch nach Hause bringen kann.“
„Oh, das müsst Ihr nicht“, widersprach ich sofort. „Ich werde zu Fuß gehen, das macht mir nichts.“
Der Graf hob überrascht die Brauen, nickte jedoch. „Dann solltet Ihr Euch aber zunächst mit einem heißen Tee aufwärmen. Ich habe welchen aus Indien, der mit etwas Milch und Zucker hervorragend schmeckt.“
Ich folgte ihm hinauf in sein kleines Reich, das gar nicht so war, wie man sich das Heim eines reichen Comtes vorstellte, der in den bedeutenden Könighäusern ein und aus ging. Gegenstände gab es, wie ich sie nie zuvor gesehen hatte. Der Tee war tatsächlich köstlich, er schmeckte süß nach Gewürzen. Eine angenehme Wärme breitete sich in mir aus, bis in meine Fingerspitzen.
„Ihr seid der erste Mann auf der Welt, der von gleich auf gleich mit mir spricht“, stellte ich nachdenklich fest. Selbst Olivier hatte sich über manche Themen niemals mit mir unterhalten.
Der Graf lächelte mich an. „Wir mögen den kräftigeren Körper besitzen, aber ihr Frauen habt zweifelsohne den helleren Kopf. Ihr fangt keine Kriege an, ihr betet, dass sie aufhören.“
Ein wenig verlegen blickte ich in meine Tee. „Ich habe es aufgegeben zu einem Gott zu beten, der nur der Schild der Männer ist, die ihm zu dienen vorgeben.“
„Sagt so etwas nicht!“ Er stellte meine Tasse beiseite, um meine Hände zu drücken. „Wenn Ihr glauben wollt, solltet Ihr Gott das sein lassen, was Euer Herz Euch zeigt, nicht das, was Euch andere sagen, gleich ob Priester oder Kardinal.“
Jäh erinnerte er mich damit wieder an meinen Auftrag. Ich hatte mich daran gewöhnt die Männer auszunutzen, um das zu bekommen, was ich wollte. Es war nicht schwer, bei diesen arroganten selbstgefälligen Adelssprossen, an die ich bisher geraten war, jedoch der Graf de Saint Germain war anders. Er behandelte mich völlig gleichwertig und ich verspürte nicht den Wunsch ihn als Dank für den schönen Abend, den er mir bereitet hatte, zu verraten. Aber ich musste es tun, um meines ungeborenen Kindes willen. Doch vielleicht konnte ich ihm vorher auch noch etwas geben.

Behutsam strich ich ihm über die Wange und begann ihn sanft zu küssen. Zunächst war er wohl überrascht, aber dann erwiderte er den Kuss, ich ließ seine Zunge in meinen Mund ein. Meine Finger glitten über seinen Bauch, suchten den Weg unter sein Hemd. Plötzlich hielt er inne, fing meine Hände ein.
„Madame… Anne, Ihr müsst das nicht tun. Ihr seid mir gegenüber zu nichts verpflichtet.“ Er sah mich eindringlich an.
Ich lächelte leicht, ehe ich ihn erneut küsste. Diesmal ließ er meine Finger ihre Wanderschaft fortsetzen, er zog mich jäh auf seinen Schoß und seine Hände begannen nun auch über meinen Körper zu gleiten. Geschickt löste er alle Bänder meines Kleides und bedeckte jede freigelegte Stelle meiner Haut mit federleichten Küssen. Es fühlte sich unglaublich gut an, ich hatte schon fast vergessen, dass ich zu solchen Empfindungen fähig war. Meine Hände befreiten ihn von seinem Hemd, seine Brust war ganz glatt und muskulös. Als er sich erhob, schlang ich die Beine um seine Hüften, ließ mich von ihm auf das Bett legen. Jetzt konnte er mir das Kleid ganz ausziehen und seine Finger glitten über meinen entblößten Bauch. Ich spürte wie er inne hielt. Hatte er es bemerkt? Nach einigen Augenblicken jedoch setzte er seine zuvor unterbrochene Tätigkeit fort und ich seufzte leise auf. Ungeduldig öffnete ich seine Hose, zog ihm das Kleidungsstück hinab, bis er sich schließlich ganz davon entledigte. Seine Hände wanderten an den Innenseiten meiner Schenkel aufwärts und ich keuchte überrascht auf. Erneut küsste er mich begehrend. Ich spürte seine Männlichkeit zwischen meinen Beinen, streckte ihm das Becken entgegen, und dann glitt er vorsichtig in mich. Seine gleichmäßigen Bewegungen wurden bald schneller, ich stöhnte leise, winkelte die Beine an, um ihn tiefer in mich zu lassen. Mein Verstand vernebelte sich, als er mich an den Gipfel meiner Lust brachte und meinen Aufschrei in einem Kuss erstickte.
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Re: Je suis une femme

Beitragvon ChristineDaae » 20.01.2010, 18:49:34

Schön geschrieben.. Vor allem der Schluss :mrgreen:
Nein, im Ernst - alles super geschrieben, Hut ab. Hoffentlich dauert es nächstes Mal wirklich nicht so lang :)
Freue dich, wenn es regnet – wenn du dich nicht freust, regnet es auch.
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Ariliana
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Re: Je suis une femme

Beitragvon Ariliana » 22.01.2010, 10:29:30

:lol: Meinst du den schluss? :lol:

Nee,nee, ist wirklich gut geschrieben! Aber Anne scheint ja wirklich kein stück weit misstrauisch zu sein! (im Gegenteil)
Du hast ein- zwei zu neuhochdeutsch umgangssprachliche Sätze drin, Bsp.
„Ihr tanzt doch gut, ich weiß gar nicht, was Ihr habt“,
, aber sonst ist das wirklich toll geworden!

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Re: Je suis une femme

Beitragvon Coco » 05.02.2010, 21:49:39

Gefällt mir sehr gut das Kapitel :D
Bin gespannt wie es weiter geht!
Hasts an meinem Geburtstag eingestellt und ich habs jetzt erst gelesen, verzeih mir ():-)

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Re: Je suis une femme

Beitragvon Sisi Silberträne » 12.06.2010, 14:07:37

Danke euch!! Leider hat es schon wieder so lang gedauert :/ ein ordentliches KreaTief hat mich verfolgt.

Ariliana> danke für dein gutes Auge, solche Sätze kommen davon, wenn man beim Schreiben zu müde ist ^^

Viel Spaß beim Lesen! Habe die 30.000 Marke geknackt, meine längste Geschichte ever! *stolz*



Kapitel 20


Herrlicher Duft drang in meine Traumwelt und ich blinzelte verschlafen. Das jähe helle Licht der durch das Dachfenster herein fallenden Sonne schmerzte für einen Moment in meinen an das Dunkel der Nacht gewöhnte Augen. Verwundert betrachtete ich den Raum, in dem ich mich aufhielt. Ich benötigte etwas Zeit, um mich zu erinnern, wie ich hierher gelangt war. Der Mann, der mich am vergangenen Abend so leidenschaftlich und doch zärtlich geliebt hatte, platzierte mit einem Lächeln ein Tablett vor mir auf der Bettdecke.
„Guten Morgen“, sagte er sanft. „Ich habe Euch Frühstück mitgebracht, schließlich müsst Ihr gut essen.“
Röte durchzog meine Wangen. Es war ihm also nicht entgangen. Das Baguette mit Käse und den starken schwarzen Kaffee nahm ich gerne an, beides schmeckte köstlich und ließen das Leben in meinen Körper zurück kehren.
„Danke für das herrliche Frühstück“, meinte ich mit einem Lächeln zu ihm, als ich aufgegessen hatte. „Seid Ihr gar nicht hungrig?“
Er vollführte eine ablehnende Geste. „Ich habe schon gegessen, als Ihr noch im Traumreich verweiltet.“ Sein Blick streifte verstohlen meinen Unterleib, er schien für einen Moment zu überlegen, ob er aussprechen sollte, was ihm auf der Zunge lang. „Was ist denn mit dem Vater Eures Kindes geschehen?“
Kummervoll beim Gedanken an das unrühmliche Ende meiner Ehe mit Olivier senkte ich den Kopf. „Er ist tot.“
„Das tut mir leid“, sagte der Graf mitfühlend. „Ich wollte Euch nicht zu nahe treten, bitte verzeiht mir.“
„Schon gut. Es ist ja nicht mehr zu ändern.“ Diese Notlüge erschien mir die einfachste Möglichkeit das Thema schnell zu beenden und mir weitere unangenehme Fragen zu ersparen. Und eigentlich entsprach es auch bisschen der Wahrheit. Olivier lebte zwar noch, nahm ich an, doch meinen Ehemann gab es nicht mehr. Für eine Weile schwiegen wir beide und ich lauschte den dumpfen Schlägen einer nahen Kirchenglocke, die durch die Gassen hallte. In Gedanken zählte ich mit, bis sie bei zehn verstummte und es mich siedend heiß traf. Dass es so spät war, hatte ich nicht gedacht. Bereits in einer Stunde erwartete mich Kardinal Richelieu, damit ich ihm darlegen konnte, was ich dem Grafen de Saint Germain so an Geheimnissen entlockt hatte.
„Ich muss gehen!“ stieß ich hervor, sprang eilig auf die Beine. Nur ungern wollte ich ihn jetzt einfach so stehen lassen, ich sah ihn entschuldigend an. „Danke für den schönen Abend gestern, für das Frühstück, auch für Eure Worte... es gibt so vieles in der kurzen Zeit, wofür ich mich bei Euch bedanken muss.“
Er lächelte mich an und da war wieder dieser Ausdruck in seinem Gesicht, der mir zeigte, dass ich einen viel reiferen lebenserfahreneren Mann vor mir hatte, als sein jugendliches Aussehen verriet. „Genauso habe ich Euch zu danken, ich habe Eure Gesellschaft sehr genossen.“ Er zog die Kette hervor, die er unter dem Gewand verborgen trug und legte sie mir in die Hand. Ich erinnerte mich dunkel daran den weißen Anhänger in Form einer gewundenen Schlange, der an einem Lederband hing, am Vorabend an seinem Hals bemerkt zu haben. „Das möchte ich Euch gerne schenken. Ich habe den Anhänger aus Afrika mitgebracht, er stellt einen Flussgott dar und er bringt Glück. Ihr könnt ihn über die Wiege hängen, wenn Euer Kind geboren ist.“
Behutsam, beinahe ehrfürchtig strich ich über die glatte Oberfläche des außergewöhnlichen Stückes. „Er ist wunderschön, vielen Dank! Werde ich Euch denn jemals wiedersehen?“
Erneut umspielte ein geheimnisvolles Lächeln seine Lippen. „Ich werde bald nach Ägypten reisen. Wenn das Schicksal es so will, kreuzen sich unsere Wege bestimmt eines Tages erneut. Bis dahin, lebt wohl. Ich wünsche Euch das Beste.“
„Ich Euch ebenso...“ antwortete ich leise. Ich stellte mich auf die Zehenspitzen und drückte ihm einen Abschiedskuss auf die Wange. Dann eilte ich davon, ohne auch nur ein einziges Mal zurück zu blicken, auf das Haus, in die Gasse. Wenn ich etwas im Leben gelernt hatte, dann nur nach vorne zu blicken, niemals hinter mich.

Der Kardinal hob die Augen von den Papieren auf seinem Tisch, als sein Gardist mich in den prächtig ausgestatteten Raum wies, den ich bereits kannte. Seine Augenbraue glitt kaum merklich in die Höhe..
„Seid gegrüßt, Eminenz“, begann ich höflich, während ich abwartend ein paar Schritte entfernt von der großen Tür stehen blieb.
„Ah, meine liebe Anne. Tretet näher.“ Er wies auf den Stuhl ihm gegenüber auf der anderen Seite des Tisches.
Schweigend nahm ich Platz, ohne auch nur für einen Moment den Blick von ihm abzuwenden. In einer fließenden Bewegung erhob er sich, trat langsam vor mich. Da war wieder dieses angedeutete Grinsen in seinen Mundwinkeln, das mir nicht behagte. Seine stechenden Augen glitten anzüglich über meinen Körper und ich neigte mich ein wenig vor, damit das Kleid unter keinen Umständen um meinen Bauch spannte. Er würde es erfahren, doch wollte ich das so lange hinaus zögern, wie es möglich war.
„Nun, was habt Ihr mit denn Schönes mitgebracht?“ fragte er schließlich.
Ich versuchte meine Stimme fest und sicher klingen zu lassen, als ich zu einer Antwort ansetzte. „Der Graf de Saint Germain dürfte tatsächlich ein so kluger Mann sein, wie Ihr ihn mir beschrieben habt. Er weiß seine Geheimnisse zu hüten. Leider waren meine Bemühungen diesmal nicht erfolgreich.“
Zorn blitzte in seinen Augen. Jäh packte er mich am Kinn, riss meinen Kopf so heftig in die Höhe, dass ich einen Schmerzenslaut unterdrückte. „Wie könnt Ihr es wagen?! Dieser Auftrag war von allergrößter Wichtigkeit, habe ich Euch das nicht deutlich genug gemacht? Ihr habt mich enttäuscht Anne. Vielleicht habe ich mich geirrt und Ihr seid doch nicht so gut wie ich dachte.“
Ich widerstand der Versuchung mir ans Kinn zu fassen, als er seinen eisernen Griff löste. „Eminenz, ich habe mein Bestes versucht, doch offensichtlich hält er es nicht unähnlich wie Ihr selbst. Er traut niemandem.“
Der Kardinal lachte leise. „Nun ja, er ist zweifelsohne keiner von diesen dummen verwöhnten Adelssprösslingen, wie Ihr sie bisher nur zu leicht um den kleinen Finger gewickelt habt. Ihr sollt noch eine Chance erhalten, heute will ich gnädig sein. Aber wagt es ja nicht mich noch einmal zu enttäuschen, habt Ihr verstanden?“ Er zog mich an den Schultern in die Höhe, sodass ich ihm dicht genug gegenüber stand, um seinen heißen Atem im Gesicht zu spüren.
„Ja, Eminenz“, entgegnete ich nur kühl.
Leicht, beinahe zärtlich strich er mir über die Wange, was mich eiskalt erschauern ließ. Seine Hand glitt langsam meinen Hals hinab. Ich widerstand dem Drang so schnell wie möglich Abstand zwischen ihn und mich zu bringen, um ihn nicht unnötigerweise in Rage zu versetzten.
„Ihr seid eine bemerkenswert reizvolle Frau, Anne“, säuselte er. Als er mich zu küssen versuchte, drehte ich rasch den Kopf zur Seite, was ihm einen irritierten Blick entlockte.
„Euer Gelübde sieht solcherlei bestimmt nicht vor, korrigiert mich“, sagte ich gelassener als mir innerlich zumute war.
Erneut lachte er amüsiert. „Auch Gottes Sohn war den körperlichen Freuden nicht abgeneigt, wenn man zur Bibel noch weitere Schriften studiert.“ Gierig umfasste er meine Brüste.
„Ich rate Euch Eure Finger lieber bei Euch zu behalten, sonst endet unsere Zusammenarbeit hier und jetzt, sobald ich durch diese Tür gehe“, zischte ich.
„Habt Ihr denn keinen Sinn für ein kleines Vergnügen?“ Der Kardinal drückte mich gegen die Kante des großen Tisches. „Kirchenmännern scheint Ihr ja sonst nicht abgeneigt zu sein.“
„Das hängt davon ab, ob mir eine Wahl gelassen wird!“ Rasch entzog ich mich seinen Annäherungen, suchte genügend Abstand, um aus seiner Reichweite zu gelangen. Dieser Mensch widerte mich an! Er wusste genau, dass ich mich diesem Priester keineswegs aus freien Stücken hingegeben hatte, es interessierte ihn nur nicht. In seinem Weltbild konnte ein Mann mit einer Frau anstellen was er wollte, und sie hatte ihm bedingungslos zu gehorchen. Wenn er mich jedoch für ein solches dummes unterwürfiges Weib hielt, irrte er sich gründlich! Für ihn hatte ich meinen Körper verkauft, doch bevor ich mich auch noch zu seiner Hure machen ließ, wollte ich eher mein Ende auf der Straße finden. Dieses letzte bisschen Stolz hatte ich vor mir zu bewahren.
Von meiner Reaktion offenbar überrascht, hob Richelieu die Augenbrauen, verzichtete jedoch darauf sich mir wieder zu nähern. „Entweder seid Ihr sehr mutig, oder aber ausgesprochen töricht, mir Widerspruch zu leisten. Ihr habt Euren eigenen Kopf, das gefällt mir. Nun geht, Ihr werdet von mir hören, wenn ich einen neuen Auftrag für Euch habe.“ Er wies mit dem Kopf auf die Tür. „Aber das letzte Wort ist noch nicht gesprochen. Ich bekomme immer was ich will.“

So schnell ich konnte, ohne in einen Laufschritt zu verfallen, verließ ich die Räumlichkeiten des Kardinals, bevor er es sich vielleicht doch noch anders überlegte. Der Gardist, der mich hergebracht hatte, geleitete mich nun auch wieder ins Freie. Kalter Wind blies durch die Straßen und ich fröstelte, denn mein Kleid war für diese Jahreszeit ein wenig zu leicht. In der Eile hatte ich meinen Umhang im Zimmer des Grafen zurück gelassen. Weil ich nur diesen einen besaß, machte ich mich auf den Weg, ihn zu holen. Es dauerte nicht lange bis ich das Haus erreicht hatte. Auf mein Klopfen hin, öffnete ein kleiner dünner Mann, offenbar der Eigentümer.
„Guten Tag, Monsieur“, begann ich höflich. „Ich wollte zum Comte de Saint Germain. Ist er da?“ Mein Blick fiel für einen Moment auf das Dachfenster.
Mein Gegenüber schüttelte den Kopf. „Bedauerlicherweise ist er bereits fort, er wollte nach Marseille, glaube ich. Er sagte, dass Ihr vielleicht kommen würdet.“
Überrascht blieb ich zurück, als der Mann im Inneren des Hauses verschwand, um kurz darauf mit dem Umhang in den Händen zurück zu kehren, den ich vergessen hatte. „Ich nehme an, Ihr seid deswegen hier.“
„Ja, ich danke Euch sehr“, antwortete ich, während ich das Kleidungsstück entgegen nahm und um meine Schultern legte. Endlich begann es mir wieder schön warm zu werden. „Ich will Euch nun nicht länger aufhalten. Auf Wiedersehen, mein Herr, einen schönen Tag.“
„Euch auch, Madame“, Er lächelte leicht, schloss die schwere knarrende Tür, als ich mich zum Gehen wandte.
Mein Blick glitt ein letztes Mal hinauf zu dem Dachfenster. Insgeheim hatte ich gehofft den Grafen noch einmal wiederzusehen. Es sollte wohl nicht sein. Es gab Menschen, die einfach nicht dafür geschaffen waren, immer am selben Ort zu bleiben und er gehörte wahrscheinlich dazu. Ich glaubte nicht, dass ich ihm jemals wieder begegnen würde, auch wenn er dies angedeutet hatte. Die wenigen Stunden mit ihm gaben mir mehr, als die meisten anderen Menschen, mit denen ich viel mehr Zeit verbracht hatte. Hoffnung. Das Gefühl von jemandem so gesehen zu werden wie ich war.
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Re: Je suis une femme

Beitragvon Ariliana » 12.06.2010, 23:30:35

OHHHHHHhH!!!!! *seufz* .... DAs ist ja.... uuuuiiiiiii *kreisch* EInfach toll!!! :ops: Danke für den wunderschönen neuen teil deiner neusten/längsten geschichte.

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Re: Je suis une femme

Beitragvon Sisi Silberträne » 26.09.2010, 00:15:32

Danke für deinen Kommi! =)
Sorry vielmals, dass ich so langsam bin. Hoffe es liest noch jemand.



Kapitel 21


Das Neujahrsfest im Louvre lag bereits wieder ein paar Wochen zurück. Im Mantel der Gräfin de Lechelle hatte ich vom Kardinal eine Einladung für dieses große Ereignis erhalten, damit ich zwischen dem versammelten Hochadel ein wenig die Augen und Ohren offen hielt. Männer becircen konnte ich nun nicht mehr, da ich in meinem derzeitigen Zustand nicht besonders begehrenswert war. Dieser Meinung schien auch Seine Eminenz höchstpersönlich zu sein, denn er unterließ seine Annäherungsversuche. Auf die Neuigkeit selbst hatte er überraschend gleichgültig reagiert. Trüge ich nicht bereits Oliviers Kind in mir, wäre ich wohl früher oder später von einem dieser verwöhnten Adelssprösslinge schwanger geworden, auf die ich angesetzt wurde. Ich dankte es jedoch dem Himmel, dass es so weit nicht gekommen war.
Für die Zeit, über die ich nun keine Aufträge ausführen konnte, hatte ich eine neue Aufgabe erhalten. Ich musste die englische Sprache erlernen. Das gefiel mir, denn es verschaffte mir neue Möglichkeiten. Irgendwann wollte ich die Britischen Inseln sehen. Ein alter Wachmann der Garde, der einige Jahre in England verbracht hatte, erteilte mir auf Geheiß des Kardinals Unterricht. Monsieuer Grimaud versuchte es zwar hinter seinem mürrischen Gebaren zu verbergen, doch ich merkte, dass er diese Abwechslung in seinem nunmehr ruhigen Leben durchaus zu schätzen wusste. Sein Unterricht glich in gewisser Weise den Fechtstunden, die mir Olivier ab und zu erteilt hatte, um mir beizubringen mich im Notfall zu verteidigen. Er brachte mich jedes Mal mit einer neuen Herausforderung an meine Grenzen - nicht nur an jene der Geduld. Obwohl ich mich bemühte schnell zu lernen und es mir auch bald gelang mich einigermaßen verständlich zu machen, genügte ihm das nicht. Eine Sprache war für den alten Streiter wie ein Instrument. Jedes kleine Kind konnte in eine Flöte blasen, doch ihr eine Melodie zu entlocken musste man erst lernen.

Langsam wanderte ich durch die winterlichen Straßen heimwärts. Von dem glitzernden Weiß frisch gefallenen Schnees war längst nur noch unansehnlicher grauer Schlamm zurückgeblieben. Ich war ganz in meiner Gedankenwelt versunken, hörte deshalb die von zwei Pferden gezogene Kutsche erst, als sie in scharfer Geschwindigkeit so dicht an mir vorbei ratterte, dass ich gerade noch einen Satz rückwärts machen konnte. Schmutzigbraune Schneereste spritzten mein Kleid nass.
„Merde!“ fluchte ich wütend.
Jäher Schmerz in meinem Unterleib ließ den Ärger rasch wieder verrauchen und ich legte die Hand auf meinen rundlichen Bauch. Das Kind bewegte sich in meinem Inneren. Es waren die Tritte seiner winzigen Füße, die ich spürte.
Dankbar für die angenehme Wärme, die ich in meinem Zimmer im Hause des Ehepaars Thorigny vorfand, entledigte ich mich der dicken Winterkleidung. In meinem momentanen Zustand fühlte ich mich auch ohne die zusätzlichen Schichten aus Stoff schwer genug. Ich konnte es schon jetzt kaum erwarten mein Kind endlich in den Armen zu halten, obgleich ich wusste, dass es noch für eine Weile in mir wachsen würde, ehe es bereit war, auf die Welt zu kommen. Nur im Unterkleid ließ ich mich aufs Bett sinken und legte eine Hand auf meinen geschwollenen Leib. Wieder reagierte das kleine Wesen in mir mit heftigen Bewegungen.
„Du bist aber ganz schön wild heute“, murmelte ich verträumt lächelnd. „Langsam wird es wohl ein wenig eng bei dir. Ein bisschen Geduld müssen wir beide noch haben. Wenn du auf die Welt kommst, hat der Frühling längst angefangen und die Sonne wird dir gefallen. Ich freue mich auch schon auf die wärmere Zeit. Hier in der Stadt sind die Winter nicht schön, aber irgendwann werde ich dir zeigen wie herrlich verschneite Felder und Wälder sind, das verspreche ich dir.“
Während ich leise mit meinem Kleinen sprach, ließen die Tritte immer mehr nach, bis es ganz ruhig war. Es schlief. Und auch mir fielen die Augen zu. Dabei musste ich noch die Schriften lesen, die mir Grimaud als Hausarbeit mitgegeben hatte. Er würde schimpfen, wenn ich es nicht tat. Sollte er. Seit mir die Schwangerschaft deutlich anzusehen war und der Kardinal mich zufrieden ließ, hatte mein Leben wieder eine gewisse Regelmäßigkeit gewonnen und ich war so ausgeglichen wie seit der Zeit mit Olivier nicht mehr. Dieses Kind war der Mittelpunkt meines Seins.

Als während einer sehr kalten Nacht das Ziehen in meinem Rücken begann und ich deshalb keine Ruhe fand, bis es vor dem Fenster hell geworden war, machte ich mir noch keine Sorgen. Ich ging lange ohne ein wirkliches Ziel draußen umher, um Erleichterung in der bloßen Bewegung zu suchen. Es half nicht. Anstatt nachzulassen, wurde die Pein stetig heftiger und kehrte in immer kürzeren Abständen wieder. Für einen Augenblick lehnte ich mich gegen eine nahe Hausmauer, um mich auszuruhen. Meine Beine waren so schwer. Ich wollte nur noch zurück in meine vier Wände und mich unter die warme Bettdecke kuscheln.
Auf dem Flur begegnete ich Madame Thoriginy, die offenbar soeben den Boden von den Pfützen schneefeuchter Schuhe gereinigt hatte. Sie bedachte mich mit einem mürrischen Blick, weil ich ihre ganze Arbeit nun wieder zunichte machte. Als ein erneuter Krampf meinen Körper erfasste und ich mich am Stiegengeländer festhielt, änderte löste sich ihre versteinerte Miene.
„Was habt Ihr, Madame?“ fragte sie und trat hinter mich, um mich zu stützen.
„Ich weiß es nicht... die Schmerzen lassen einfach nicht mehr nach... seit der vergangenen Nacht.“
„Schafft Ihr es allein hinauf zu Eurem Zimmer?“ Sie musterte mich eindringlich. „Legt Euch bitte hin. Ich schicke gleich meinen Mann zu Madame Chamberet.“
Die Hebamme?? Es war doch noch vor der Zeit, das konnten keine Wehen sein. Aber was war es dann? In meinem Gemach angelangt ließ ich mich sogleich aufs Bett sinken. Jetzt verspürte ich wirklich Angst. War etwas mit meinem Kleinen nicht in Ordnung? Nein, ihm durfte einfach nichts fehlen!
„Bitte... hör auf...“, murmelte ich mit beiden Händen auf meinem Bauch. „Es ist noch zu früh für dich...“

Nach einiger Zeit kam Madame Thorigny tatsächlich mit der Hebamme, die sich meiner annahm. Ich überließ mich ihren kundigen Händen, hoffend, dass sie wusste, was nicht stimmte und auch etwas dagegen unternehmen würde. Madame Chamberet war noch recht jung und ihr pausbäckiges Gesicht verlieh ihr ein gutmütiges Aussehen. Ihre sanften dunklen Augen nahmen jedoch einen besorgten Ausdruck an, als sie behutsam meinen Leib abtastete.
„Ihr habt Wehen“, sagte sie schließlich. „Wenn die Schmerzen kommen, müsst Ihr tief durchatmen. Verstanden? Es wird jetzt nicht mehr lange dauern.“
„Aber... aber es ist doch noch viel zu früh!“ entfuhr es mir mit deutlicher Panik in der Stimme.
Sie bedachte mich mit einem beruhigenden Lächeln und drückte meine Hand. „Ihr müsst Euch jetzt vollkommen darauf konzentrieren Euer Kind auf die Welt zu bringen. Nur das ist von Bedeutung!“
Bevor mich erneute Pein erfasste, brachte ich noch ein Nicken zustande. Bald gelang es mir ohnehin nicht mehr an etwas anderes zu denken als die Wellen des Schmerzes und ich sehnte mich nur danach, dass es endlich vorbei war.
„Pressen!“ wies die Hebamme mich an. „Jetzt!“
Gehorsam sammelte ich meine Stärke und drückte mit der Wehe bis sie verebbte. Einmal. Zweimal. Dann beim dritten Mal glaubte ich zu zerspringen, ich hielt es nicht mehr aus. Wie ich die Kraft fand noch ein letztes Mal fest zu pressen, wusste ich nicht. Ich hörte mich selbst schreien, doch vermochte kaum meine eigene Stimme zu erkennen. Und dann war es vorbei. Der ungeheure Druck in meinem Unterleib war verschwunden. Endlich.
„Ihr habt es geschafft!“ sagte Madame Chamberet.
Erschöpft richtete ich mich auf, ich wollte mein Kind sehen. Es schrie nicht. Ging es ihm gut? Die Hebamme hielt es behutsam fest. Es war noch voll Blut und mit einer hellen dicklichen Masse verklebt. Und es war so unglaublich klein und zart. Auf einmal begann es zu schreien und ich realisierte, dass die blonde Frau ihm eben einen Klaps auf das Hinterteil gegeben hatte. Ich sah zu, wie sie es vorsichtig säuberte und in eine warme Decke wickelte. Dann endlich legte sie mir mein Kind in die Arme.
„Ihr habt ein kleines Mädchen auf die Welt gebracht.“ Etwas in ihrer Stimme wollte mir nicht gefallen. Immer noch waren ihre Augen sorgenvoll. „Madame, ich will ehrlich mit Euch sein. Euer Kind ist vor der Zeit geboren worden. Es ist sehr klein, aber wir wollen hoffen, dass es dennoch stark genug ist. Wichtig ist nun, dass es Nahrung zu sich nimmt.“
Ein Mädchen! Ich war so gebannt vom Anblick meiner neugeborenen Tochter, dass ich den Worten der Hebamme kaum folgte. Meine Kleine sollte Mélisse heißen, nach meiner Gönnerin, ohne deren gutes Herz ich Olivier ja gar nicht gekannt hätte. Mit klammen Fingern löste ich die Knöpfe und Bänder meines Kleides, um meine Tochter an die Brust zu lassen.
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Re: Je suis une femme

Beitragvon armandine » 04.10.2010, 13:58:58

na also! Hoffentlich geht alles gut mit der Kleinen. Schön, dass du mal wieder was geschrieben hast!

Kleine Anmerkung: "Im Mantel der Gräfin der Lechelle " - da ist wohl das "r" im Titel zu viel?

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Re: Je suis une femme

Beitragvon Ariliana » 17.10.2010, 19:53:17

Ich fürchte fast das mit dem kind nicht alles gut gehen wird, denn davon hätte man ja dann gehört, oder? *schnief* Das ist wirkklich ganz anrührend geschrieben.

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Re: Je suis une femme

Beitragvon Rain82 » 19.10.2010, 12:59:39

Wow :D

Seid gestern sitze ich nun über Deiner Geschichte und finde Sie einfach wunderschön.
Gefühlvoll geschrieben, auch wenn Anne mehr schlechtes, als gutes widerfahren ist.

Ich hab mir ehrlich gesagt, vor dem Musical, nie Gedanken gemacht, warum Milady so wurde.
Es gibt jedoch ein Lied, in dem es kurz angedeutet wird.
Toll, dass Du dies aufgegriffen und ausgeschmückt hast.
Durch Deine Geschichte kann man sich gut in die damalige Zeit und in Anne hineinversetzen.

Dadurch, dass Du die Figuren und Orte nicht mit zuvielen Details ausschmückst, erschafft man automatisch die Geschichte in Gedanken und stellt sich die eigenen Details vor.
Dennoch würde ich mir manchmal ein paar mehr Details wünschen :)

Jedenfalls freue ich mich auf weitere Kapitel, auch wenn das Ende noch trauriger wird...

Grüßle,
Rain
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Re: Je suis une femme

Beitragvon Sisi Silberträne » 23.01.2011, 22:21:42

Danke euch für eure Kommis! =)

armandine> Danke, ja hoppla du hast recht, das r ist zu viel. Du hast gute Augen ^^

Rain82> ich werd mich bemühen ein paar mehr Details einzubringen. Danke dir!

Und weiter gehts, hat lang genug gedauert, war aber auch ein schwieriges Kapitel...



Kapitel 22


Mélisse unternahm zwar Versuche zu saugen, doch blieben sie erfolglos. Es kam keine Milch, ich konnte das Kind, das ich geboren hatte, nicht ernähren. Die Hebamme schien damit gerechnet zu haben, sie kehrte nach kurzer Zeit mit einem Fläschchen aus Holz zurück und unterwies mich, wie ich es halten musste, damit die Kleine aus dem darauf angebrachten ledernen Sauger zu trinken vermochte.
„Das ist für das Kind wesentlich leichter als Milch aus der Brust zu bekommen“, erklärte Madame Chamberet. „Es sollte alle paar Stunden nach Nahrung verlangen. Füllt das Fläschchen mit warmer Kuhmilch, nachdem Ihr es vorher gut ausgewaschen habt.“
Ich nickte leicht, während Mélisse endlich an dem weichen Leder saugte. Als sie offenbar satt waren und ihre kleinen Lippen losließen, blickte ich die Hebamme zögernd an. „Sie wird es doch schaffen, oder?“
Die blonde Frau seufzte leise. „Ich wünschte wirklich, ich könnte Euch diese Sicherheit geben. Dass sie getrunken hat, ist jedenfalls ein gutes Zeichen. Aber ich will ganz ehrlich mit Euch sein. Eurer kleinen Tochter steht eine schere Zeit bevor, sie ist schwach. Wenn sie durchhält, wird jede verstreichende Stunde sie dem Leben näher bringen. Betet für Sie, mehr könnt Ihr jetzt nicht tun.“
Darauf vermochte ich nichts zu erwidern, eine eisige Kälte bemächtigte sich meiner. Madame Chamberet schenkte mir ein Lächeln, das mich trösten sollte, und legte mir die Hand auf den Arm, ehe sie sich erhob.
„Ich werde nach Hause gehen. Ruht Euch jetzt aus, Ihr benötigt Schlaf“, sagte sie. „Zögert bitte nicht, nach mir zu schicken, sollte etwas sein.“
Dankbar nickte ich ihr zu und wünschte ihr noch einen angenehmen Tag. Als sie mein Zimmer verlassen hatte, betrachtete ich nachdenklich meine kleine Tochter. Sie schlief ganz friedlich in meinen Armen, ich konnte ihre Atemzüge hören. Vielleicht bildete ich es mir nur ein, weil es still war im Raum, doch die sachten Geräusche schienen manchmal ungleichmäßig zu klingen. Obwohl die Müdigkeit schwer auf mir lastete, fand ich keine Ruhe. Meine Gedanken glitten das eine ums andere Mal langsam davon wie durch die Finger rinnender Sand.

Wie die Hebamme geraten hatte, gab ich Mélisse aus der Flasche zu trinken, als sie wach wurde. Sie nahm jedoch nur wenig von der warmen Kuhmilch auf, sodass ich das hölzerne Gefäß beinahe noch halbvoll auf das kleine wacklige Nachttischchen neben meinem Bett stellte. Behutsam drückte ich meiner Tochter einen Kuss auf die Stirn.
„Schlaf, meine Kleine. Du musst zu Kräften kommen, damit du bald die Welt da draußen sehen kannst“, sagte ich leise zu ihr. „An klaren Sommertagen ist der Himmel so blau und die Sonne fühlt sich herrlich warm an auf der Haut. In den Büschen singen die Vögel. Wenn du groß genug bist, werde ich dir das Reiten beibringen, so wie dein Vater es mich gelehrt hat. Ich wünschte er könnte dich jetzt sehen und dich halten. Strahlen würde er vor Stolz. Bestimmt wirst du ihm später ähnlich sehen. Seine blauen Augen hast du ja schon. Er hätte dich so geliebt.“
Ich war überzeugt davon, dass Olivier ein wunderbarer Vater geworden wäre. Mélisse sollte erfahren welch ein Mensch er war, ich nahm mir vor ihr viel von ihm zu erzählen. Sie sollte mit Stolz an ihn denken und niemals mit Zorn. Dann tat ich etwas, das ich eigentlich schon längst aufgegeben hatte. Ich betete zu Gott.

Die Stunden verrannen quälend langsam. Das Ende des Tages brachte Wolken mit sich, die von den letzten Sonnenstrahlen in blutroten Schimmer getaucht wurden. Die Erschöpfung, gegen die ich so lange angekämpft hatte, trug schließlich den Sieg davon. Als ich aus dem Schlaf schreckte, war es bereits dunkel vor den Fenstern. Ich benötigte einige Augenblicke, um mich zurecht zu finden. Mélisse lag völlig ruhig in meinen Armen, sie schien zu schlafen. Inzwischen hätte sie längst wieder nach Nahrung verlangen sollen. Behutsam legte ich meine Tochter auf die Bettdecke, um die Öllampe auf dem Tisch vor dem Fenster zu entzünden. Flackernde Helligkeit begann den Raum zu erfüllen.
Als ich Mélisse im Schein der Lampe betrachtete, wollte ich aufschreien, doch aus meinem Mund drang nur ein ersticktes Keuchen. Ihr Gesichtchen, das zuvor noch von einem zarten rosa Ton gewesen war, hatte sich dunkel verfärbt. Ich begriff jäh, dass sie nicht einfach still war, sondern vollkommen reglos. Ihre angestrengten Atemzüge hatten sich nicht beruhigt, sie waren verstummt.
Vorsichtig drückte ich den leblosen kleinen Körper meiner Tochter an mich. Das konnte doch nur ein schlimmer Traum sein, aus dem ich jeden Moment erwachen würde. Aber nichts dergleichen geschah. Es war die bittere Wahrheit.
„Warum? Warum tust du mir das an?“ wisperte ich heiser. Das sollten die letzten Worte sein, die ich in meinem Leben an Gott richtete.
Für eine lange Zeit saß ich einfach da, mein Kind in den Armen haltend. Ich wollte nicht glauben, dass sie tatsächlich gegangen war. Nur wie aus weiter Ferne nahm ich die ans Fenster prasselnden Tropfen und die dumpfen Donnerschläge wahr.

Auf einmal war es mir, als stünde jemand dicht vor mir. Als ich langsam den Kopf hob, erblickte ich ein vertrautes liebevolles Gesicht, von dem ich angenommen hatte, es nicht wiederzusehen. Blaue Augen betrachteten mich, die einer hübschen zierlichen Frau mit nussbraunen Locken gehörten.
„Mama...“, flüsterte ich.
Sie ließ sich neben mich sinken, schloss mich in Arme und ich konnte ihren lebendigen warmen Körper spüren. Behutsam strich sie mir übers Haar, wie sie es oft getan hatte, als ich noch ein kleines Mädchen gewesen war.
„Shhh“, sagte sie leise zu mir. Ihre sanfte melodische Stimme war es, an die ich mich am deutlichsten erinnerte. „Ich bin ja da, mein Liebes.“
Halt suchend schmiegte ich mich an sie, vermochte mich nicht abzuwenden von ihr, weil ich fürchtete sie würde fort sein, sobald ich sie nicht mehr sah. Dieses schöne Gesicht, das so voller Liebe war. Der Ausdruck ihrer Augen war ernst, doch hatte er auch etwas Tröstliches.
„Manchmal nimmt Gott ein gerade geborenes Kind wieder zu sich, weil es noch nicht bereit für diese Welt ist. Deine kleine Tochter ist jetzt an einem besseren Ort. Trauere um sie, aber vergiss dabei nicht, dass dein eigenes Leben weiter geht. Du bist ja noch jung, Anne, und auch wenn dir die Nacht jetzt endlos erscheint, wird ein neuer Morgen folgen.“ Sie hielt inne, lächelte leicht. „Bessere Tage wird es geben, wenn du immer Hoffnung in dir trägst.“
Ich spürte wie mir erneut die Tränen kamen. „Sie war doch alles was ich hatte... Mama, was soll ich jetzt nur machen?“
„Das kann ich dir nicht sagen. Du allein bestimmst wohin dein Weg dich führt, das war die Wahl, die du getroffen hast.“ Sie streichelte mir zärtlich über die Wange. Danach sprachen wir nicht mehr. Die Ruhe, die sie ausstrahlte, gab mir ein Gefühl der Geborgenheit, wie ich es schon lange nicht mehr verspürt hatte. Vollkommen erschöpft sank ich in den Schlaf.

Helligkeit drang durch meine geschlossenen Lider. Der neue Tag hatte begonnen und einzelne Sonnenstrahlen blinzelten am wolkenverhangenen Himmel. Freilich war Mama nicht hier, ich begriff, dass ich alles nur geträumt hatte. Doch war jemand im Raum gewesen, denn das Fenster stand einen Spalt breit offen, sodass frische Luft herein strömte, und auf dem Tisch entdeckte ich einen Teller mit etwas Brot und Obst.
Aber Mélisse war fort. Erschrocken sprang ich aus dem Bett, drehte mich mehrmals suchend herum. Wo war sie?? Den Namen meiner Tochter rufend lief ich auf den Flur hinaus, wo ich bald auf Madame Thorigny traf. Diese ließ verschreckt den großen Wäschekorb fallen, als ich sie an den Schultern packte.
„Wo ist mein Kind? Wo ist es?“ rief ich.
Nachdem sich die ältere Frau wieder gefasst hatte, ergriff sie meine Handgelenke und drückte mich bestimmt von sich, damit ich aufhören musste sie zu traktieren. Bedauern stand in ihren dunklen Augen.
„Es tut mir so leid, Madame, Eurem Kind konnte nicht mehr geholfen werden. Als ich in Euer Gemach kam, um Euch eine Kleinigkeit zu essen zu bringen, war es nicht mehr am Leben. Ich bat meinen Mann dafür zu sorgen, dass es beerdigt wird, um Euch das zumindest zu ersparen.
Ungläubig starrte ich sie an. „Nein... NEIN! Mélisse...ich will zu ihr... sofort! MÉLISSE!“ Ich begann mich heftig gegen sie zu wehren, schlug um mich, bis sie mich nicht mehr halten konnte. Wie von Sinnen schrie ich die arme Frau an, bis ich jäh von starken Armen gefasst und von ihr weggerissen wurde. Obwohl ich mich gebärdete wie ein wildes in Raserei verfallenes Tier vermochte ich mich dem harten Griff Monsieur Thorignys nicht zu entwinden. Er lies mich nicht los, bis meine Kraft zuletzt aufgebraucht war und meine Knie einfach nachgaben. Weinend brach ich zusammen.
Zuletzt geändert von Sisi Silberträne am 24.01.2011, 17:31:23, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Je suis une femme

Beitragvon Marie Antoinette » 24.01.2011, 12:05:14

Wieder ein sehr schöner Teil... wenn auch sehr traurig... :(

Schnell weiter!

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Re: Je suis une femme

Beitragvon Ariliana » 13.03.2011, 22:15:58

Wow! Wirklich gut gerschrieben, es ist eine Mischung aus grusel und MItgefühl die bei diesem Kapitel beide ausgelöst werden. Wie schrecklich das mit dem Baby!!! Die arme,arme Anne!! Umd wie sie plötzlich ihre Mutter sieht. Ich dachte sie verliert den Verstand!

Du hast diesmal die Sprache echt gut gewählt. ( einziges Manko, die kleine wird wohl eher eine schWere statt einer scheren zeit haben.

LG

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Re: Je suis une femme

Beitragvon Sisi Silberträne » 30.04.2011, 20:11:07

Danke euch beiden =)

Ja, natürlich eine schwere Zeit! Ich habe mich bemüht diesmal gründlicher zu lesen und hoffe nichts übersehen zu haben.

Wünsche viel Spaß bei der Fortsetzung!



Kapitel 23


Auf die Trauer über den Tod meiner Tochter folgte bald eine tiefe Leere in meinem Inneren. Obwohl es nur wenige Momente gewesen waren, die ich sie im Arm halten durfte, schien ein Teil von mir nun zu fehlen. Die meiste Zeit über lag ich im Bett, gab mich Überlegungen hin, die am Ende völlig sinnlos waren. Schritte am Gang, ein leises Klopfen an meiner Tür. Ich hatte nicht die Kraft, darauf zu reagieren. Wann ich zuletzt etwas gegessen hatte, wusste ich nicht mehr, und Wasser trank ich nur wenig. Was spielte es schon für eine Rolle, ob ich irgendwann an Durst und Hunger einging? Niemandem würde es auffallen.
Irgendwann in diesen endlosen Stunden schob jemand einen Brief unter meiner Tür hindurch. Auf dem Umschlag befand sich ein Siegel. Obwohl ich mir nicht die Mühe machte mein Bett zu verlassen, um mir das Schreiben anzusehen, wusste ich doch, dass es nur vom Kardinal stammen konnte. Er ließ mir für gewöhnlich seine Anordnungen in solchen versiegelten Briefen überbringen. Was auch immer er diesmal von mir wollte, es interessierte mich nicht mehr. Nie wieder würde ich seine Aufträge erfüllen. Es war mir gleich, ob ich ohne ihn im Rinnstein verrecken würde. Jemand wie ich kam nicht in den Himmel, von dem man mich in Kindertagen gelehrt hatte, doch selbst die Hölle würde gegenüber diesem Leben eine Erlösung sein.

Ein nachdrückliches Klopfen holte mich aus meiner Apathie. Langsam hob ich den Kopf, blickte auf die dunkle Tür, vor der immer noch der ungeöffnete Umschlag lag. Ich reagierte nicht, hoffte nur, wer auch immer dort draußen stand, würde unverrichteter Dinge wieder seiner Wege gehen.
„Madame, ich weiß, dass Ihr da seid“, erklang dumpf eine vertraute männliche Stimme. „Seine Eminenz ist keineswegs erbaut darüber, dass Ihr seiner schriftlichen Anordnung in seinem Palais zu erscheinen, nicht gefolgt seid. Er hat mich daher beauftragt Euch daran zu erinnern. Ihr mögt mich jetzt begleiten.“
Das also stand in dem Brief. Nun wusste ich auch, dass es Gérôme Beauval war, den der Kardinal geschickt hatte. Jener Gardist, der mich bereits nach Paris gebracht hatte. Obgleich das erst wenige Monate zurück lag, erschien es mir unendlich lange her zu sein. Immer noch gab ich keine Antwort.
„Ich muss darauf bestehen, dass Ihr mit mir kommt, da mir ausdrücklich befohlen wurde nicht ohne Euch zu erscheinen“, fuhr er fort und klopfte erneut. Er würde sich nicht durch bloßes Schweigen abweisen lassen.
„Wollt Ihr diese Tür einschlagen, wenn ich sie nicht aus freiem Willen öffne?“
„Genau das beabsichtige ich zu tun, wenn es nötig sein sollte. Jedoch wäre es mir lieber Ihr würdet mich freiwillig begleiten. Glaubt mir, es ist besser für unser beider Seelenheil, der Anordnung Seiner Eminenz zu folgen.“
Eine Unterredung mit dem Kardinal war gewiss das letzte, was ich jetzt wollte, doch es schien als bliebe mir keine Wahl. Gérômes Worte waren unmissverständlich, er würde mich zwingen mit ihm zu gehen. Seufzend schlug ich die Bettecke zurück und erhob mich. Dunkle Schlieren begannen sogleich vor meinen Augen zu tanzen, sodass ich mich wieder setzen musste, ehe meine Knie nachzugeben drohten. Ich fühlte mich so schwach und ausgelaugt.
„Gebt mir zehn Minuten“, murrte ich an die Tür gewandt. „Ich muss mich erst ankleiden. Ihr könnt so lange unten auf mich warten.“
Tatsächlich hörte ich seine sich entfernenden Schritte. Ich widerstand der Versuchung mich wieder ins Bett zu flüchten. Ein Blick in den angelaufenen Spiegel, der über der kleinen Kommode hing, sagte mir, dass ich grauenvoll aussah. Bis ich mich gewaschen, angezogen und frisiert hatte, vergingen gewiss mehr als zehn Minuten, doch Gérôme kam nicht, um nachzusehen wo ich blieb. Madame Thorigny hatte ihn inzwischen mit einer Melange und einem Stück Kuchen versorgt.

Wortlos folgte ich dem Gardisten zu seiner Kutsche. Er half mir auf den Bock, wobei ihm nicht entging, wie schwach ich auf den Beinen war. Es mussten einige Tage gewesen sein, die ich nichts mehr gegessen hatte, mein Gefühl für Zeit war verloren gegangen. Wir hatten eben die Seine überquert, als Gérôme das Pferd vor einer Bäckerei durchparierte. Er hieß mich zu warten, während er vom Wagen sprang und das Geschäft betrat. Doch das Rauschen des nahen Flusses zog mich an wie eine leise Stimme, die mich mit süßen lockenden Worten rief. Sie sang von Frieden und Stille. Langsam lenkte ich meine Schritte auf die vereiste Brücke, bis ich die Mitte erreichte. Es hatte ein wenig zu schneien begonnen und ich sah zu wie die Flocken auf dem dunklen Wasser schmolzen. In der Kälte des Flusses würde ich die Erlösung finden, nach der ich mich sehnte, wenn mich die Strömung fort trug. Das steinerne Geländer der Brücke war nicht sehr hoch, ich brauchte nur darüber hinweg zu klettern. Dann würde mein Körper hinab in die finstere Tiefe sinken und der Strom all meine Gefühle davon tragen.
Es schien so leicht zu sein. Und doch zögerte ich. Diesem Leben jetzt ein Ende zu setzen, hieß auch der bevorstehenden Begegnung mit dem Kardinal zu entgehen. Vor ihm zu flüchten. Das letzte bisschen Stolz, das ich mir bewahrt hatte, begehrte dagegen auf. Nein, vor ihm würde ich nicht davon laufen! Die Zusammenarbeit mit diesem Menschen zu beenden, das würde mich mit einer gewissen Genugtuung erfüllen. Er sollte sehen, dass ich ihn nicht fürchtete! Danach konnte ich immer noch meinen Seelenfrieden in der ewigen Umarmung des dunklen Flusses suchen.
Just als ich mich umwandte, um zur Kutsche zurückzukehren, hörte ich Gérômes Stimme meinen Namen rufen. Er blickte mich fragend an, doch ich schuldete ihm keine Erklärung. Wortlos schwang ich mich wieder auf den Bock, wartete, dass er es mir gleich tat und wir unsere Fahrt fortsetzten. Bevor er jedoch die Zügel ergriff, reichte er mir ein Baguette, das er vom Bäcker geholt hatte.
„Hier, Ihr müsst etwas essen, sonst fallt Ihr am Ende noch vor Seiner Eminenz um“, sagte er nachdrücklich. „Madame Thorigny meinte Ihr hättet seit Tagen nichts zu Euch genommen.“
Dankbar nahm ich das Brot an. Vor dem Kardinal Schwäche zu zeigen, war das letzte was ich wollte. Den übrigen Weg zu Richelieus Palais brachten wir schweigend zu. Ich legte mir schon im Stillen die Worte zurecht, die ich an ihn zu richten gedachte. Gérôme brachte mich zum Arbeitszimmer des Kardinals und entfernte sich erst auf dessen Wink hin.

Mir bot sich ein vertrauter Anblick. In seiner roten Robe, behangen mit dem schweren goldenen Kreuz stand Richelieu hoch aufgerichtet hinter dem wuchtigen Schreibtisch. Die schweren Brokatvorhänge waren zur Gänze aufgezogen, sodass Sonnenlicht durch das hohe Fenster hinter ihm in den Raum flutete. Seine Gestalt wirkte imposanter denn je und ich konnte durchaus verstehen, weshalb die einfachen Leute fast so etwas wie ein göttliches Wesen in ihm sahen.
„Nun habt Ihr ja doch den Weg zu mir gefunden, Madame“, begann er mit leiser drohender Stimme. „Ihr wisst doch, ich warte nicht gern und noch weniger liebe ich es mich wiederholen zu müssen.“
„Bedauernswerterweise hat mich Euer Schreiben nicht erreicht, Ihr mögt mir also mein Versäumnis nachsehen“, erwiderte ich kühl. Er wartete darauf, dass ich vor ihm kriechend um Vergebung flehte, doch diesen Gefallen würde ich ihm niemals tun.
Er lachte leise und ging um den Tisch herum bis er vor mir stand. Sein durchbohrender Blick blieb für einen Moment an meinem Bauch ruhen. „Mir ist bekannt welch tragischen Verlust Ihr erlitten habt. Bedenkt jedoch, dass Gottes Taten niemals ohne Grund sind. Er ließ Euch das Leben, seid dankbar dafür.“
Die bittere Antwort, die mir auf der Zunge lag, verkniff ich mir. Ich wollte mit ihm nicht über meine arme Kleine sprechen und schon gar nicht über Gott. „Man muss das Beste aus dem machen, was einem gegeben ist. Ihr versteht sicher, dass für mich nun nicht länger die Notwendigkeit besteht, mich in Eure Dienste zu stellen.“
„Ihr weist die Hilfe zurück, die ich Euch in meiner Güte gewährte? Bedenkt wo Ihr wärt, Madame, hätte ich nicht zu Eurem Gunsten eingegriffen. Ich will es Euch sagen. In dieser Zelle verrotten würdet Ihr, aus der mein Gardist Euch geholt hat!“
„Und Ihr erinnert Euch der Worte, die Ihr bei unserem ersten Zusammentreffen in diesem Raum an mich gerichtet habt. Ihr sagtet ich wäre frei zu gehen, wenn ich wollte, und Ihr würdet mich nicht festhalten. Genau das beabsichtige ich jetzt zu tun, denn ich ziehe es vor mein Leben in der Gosse zu fristen, als mich noch länger von Euch wie eine Hure zu verkaufen zu lassen! Lebt wohl, Eminenz.“ Ich knickste und wandte mich auf dem Absatz um, doch bevor ich auch nur einen Schritt zur Tür machen konnte, vertrat er mir den Weg.
„Nicht so voreilig, meine Liebe. Zunächst sollten wir uns über Euren nächsten Auftrag unterhalten und über die Bezahlung“, bemerkte er in neutralem Tonfall, wobei seine Hand wie zufällig meine rechte Schulter berührte, wo das verfluchte Zeichen in die Haut gebrannt war. „Ich bin ein sehr mächtiger Mann, wie Ihr wisst. Wenn Euch daran gelegen ist, diesen bedauerlichen Irrtum aus der Welt zu schaffen, so vermag ich das für Euch zu erledigen.“
„Ihr könnt...?“ entfuhr es mir verblüfft. „Aber wie? Das Brandmal lässt sich nicht tilgen, es wird mich bis in mein Grab begleiten.“
Ein unergründliches Lächeln umspielte seine Lippen als er nickte. „Ja, ich kann. Ich werde Euch ein Dokument mit meinem Siegel und meiner Unterschrift ausstellen, welches besagt, dass Eure Verurteilung zu Unrecht geschah und als widerrufen zu betrachten ist. Dies ist für jedermann anzuerkennen und Ihr werdet wieder eine ehrbare Frau sein. Ihr seht also, ich bin bereit einen guten Preis zu zahlen.“
Vor nicht allzu langer Zeit hatte ich mir nichts mehr gewünscht, als von meiner Schande befreit zu sein. Aber was würde das nun noch ändern? Selbst wenn es mir gelingen sollte Olivier zu finden, so vermochte dieses Dokument die Ereignisse nicht ungeschehen zu machen. Es lag jenseits seiner Möglichkeiten mich wieder als seine Frau anzuerkennen, selbst wenn ich ihm beweisen konnte, dass ich ihn nie belogen hatte. Doch vielleicht, wenn er die Wahrheit erfuhr und einsehen musste, dass er mir Unrecht getan hatte, würde er anfangen zu bereuen.
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Re: Je suis une femme

Beitragvon Ariliana » 02.05.2011, 22:23:07

:applaus:

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Re: Je suis une femme

Beitragvon Sisi Silberträne » 25.09.2011, 22:53:32

Danke :mrgreen:

Lang hats gedauert, aber jetzt gehts weiter. Das ist ein typisches Übergangskapitel, ich weiß.



Kapitel 24


Die Stille war drückend. Es kostete mich immense Kraft den stechenden Augen des Kardinals standzuhalten. Ich war überzeugt, dass mir nicht gefiel, was ich gleich zu hören bekommen würde. Richelieu schien jeden Moment auszukosten, den er mich im Ungewissen ließ. Er spielte mit mir, wie so oft.
„Lord Byron de Winter“, begann er endlich, „Er und sein Bruder Lord Francis de Winter sind englische Adlige und sehr angesehen am Königshof. Wie mir nun zu Ohren kam, ist der Lord auf der Suche nach einem Weib für sich. Ihr werdet nach England reisen und ihn für Euch gewinnen. Dies sollte Euch keine größeren Schwierigkeiten bereiten, nicht wahr, Anne?“
„Nach England??“ entfuhr es mir überrascht. Ich dachte an den Sprachunterricht bei Monsieur Grimaud. Offensichtlich schien der Kardinal seine Pläne schon weit im Vorhinein geschmiedet zu haben.
Er schritt langsam wieder um den wuchtigen Tisch herum, um auf seinem Sessel Platz zu nehmen. Ohne seine Aufforderung abzuwarten, setzte ich mich ihm gegenüber und blickte ihn an. Sollte er mir sein Vorhaben erläutern, danach würde ich entscheiden, ob es den angebotenen Preis wert war. Noch vor kurzer Zeit hätte ich fast alles getan, um das von ihm in Aussicht gestellte Dokument in den Händen zu halten.
„Ihr werdet nach Hause zurückkehren, Eure Habe packen und dann warten, bis Ihr abgeholt werdet. Einer oder zwei meiner Gardisten geleiten Euch sobald das Wetter ein wenig reisefreundlicher geworden ist nach Calais, von wo aus Ihr Euch an Bord eines Schiffes begebt, welches nach England segelt. Ein Mittelsmann wird Euch dort erwarten. Eure Aufgabe ist, wie bereits von mir angedeutet, Lord Byron de Winter. Ich bezweifle nicht, dass es Euch rasch gelingen wird, ihm näher zu kommen. Habt Ihr das erreicht, werdet Ihr alles dafür tun, um an seiner Seite zu bleiben. Wenn er Euch einen Antrag macht, heiratet ihn. Er ist Euer Schlüssel zum englischen Königshaus. Französischen Boden zu betreten, ist Euch ohne meine Erlaubnis nicht gestattet, so Euch an dem von mir versprochenen Schreiben gelegen ist. Habt Ihr das verstanden?“
Die Worte hallten in meinem Kopf wider wie dumpfe Glockenschläge. Er verlangte viel und für einen Augenblick war ich tatsächlich versucht ihm zu entsagen. Doch dann nickte ich langsam. „Ja, Eminenz. Ich will mich bemühen Eure Anordnungen auszuführen, so gut mir das möglich ist.“
Solange es ein kleines bisschen Hoffnung gab, zurück zu erhalten, was mir gestohlen worden war und wieder eine ehrbare Dame zu sein, war das einiger Mühe wert. Mir war nur wenig darüber bekannt, aber genug, um zu wissen, dass ich nach Schottland, Wales oder Irland gehen konnte, um neu zu beginnen, sollte die Aufgabe scheitern. Der Kardinal würde mich nicht finden.
„Nun geht, Anne“, sagte er leise. „Und wagt es nicht mich zu enttäuschen.“
Ich knickste höflich und entfernte mich. Auf dem Gang wartete Gérôme, um mich wieder nach Hause zu bringen, doch ich entschloss mich zu Fuß zu gehen. Die klare kalte Luft verursachte ein Kribbeln auf meinen Wangen und der Nasenspitze, das ich nicht unangenehm fand. Es zeigte mir, dass ich lebendig war. Auf der vereisten Brücke über der Seine hielt ich an, starrte minutenlang hinab in das dunkle Wasser, doch das Flüstern des Flusses war verstummt. Vielleicht gab es tatsächlich einen Grund, aus dem ich am Leben geblieben war, obgleich ich nicht glaubte, dass es sich um den Willen Gottes handelte. Sobald ich den kostbaren Schrieb des Kardinals in meinen Händen hielt, würde ich in die Champagne zurückkehrten. Olivier de la Fère sollte die Wahrheit erfahren und wenn es das letzte war, was ich tat. Und er sollte wissen, dass er eine Tochter gehabt hätte. Der Verlust meiner armen kleinen Mélisse schmerzte wie eine frisch gerissene Wunde, doch wusste ich, dass die Zeit allein Heilung zu bringen vermochte. Die Erinnerung würde ich mit mir nehmen, wohin ich auch ging.

Meine wenigen Habseligkeiten waren rasch gepackt. Weil Richelieu nicht näher bezeichnet hatte, wann er jemanden zu mir schicken würde, blieb ich die meiste Zeit in meinem Gemach, als es wärmer zu werden begann. Es war ein merkwürdiges Gefühl, dass ich das Haus der Thorignys bald für immer verlassen würde. Ich hatte mich hier nie wirklich daheim gefühlt und doch war es das einzige Zuhause, das es für mich gab.
Nach vielleicht einer Woche erschien dann tatsächlich ein Gardist. Es war nicht Gérôme, den ich gut leiden mochte, sondern ein kleinerer drahtiger Mann mit hellem Kraushaar. Er stellte sich mir als Oscar Dontreix vor. Seine Aufgabe war es die Kutsche zu begleiten, in der ich reisen sollte. Und so kehrte ich Paris den Rücken. Diese große, laute und im Elend verkommene Stadt würde mir nicht sehr fehlen. Zunächst fand ich es sehr interessant, die vor dem Fenster vorbei ziehende Landschaft zu beobachten, doch nach einiger Zeit wurden die Bäume und Wiesen langweilig. Von Dontreix bekam ich nicht viel zu Gesicht, weil er neben der Kutsche her ritt. Ebenso wenig war es möglich eine Unterhaltung mit dem untersetzten Mann zu führen, der vorne auf dem Bock saß. Wir übernachteten in kleinen Herbergen und legten am Tag so viel Weg zurück, wie die Pferde verkrafteten. Je länger die Fahrt dauerte, desto unruhiger wurde ich innerlich. Ich hatte ja nicht die geringste Ahnung, was mich in England wohl erwarten mochte. Welch ein Mann war Lord Byron de Winter?

Das Meer empfing mich launisch. Heftige Wogen brachen sich am Gemäuer des Hafens und das Kreischen der Möwen verlor sich im Tosen des Sturmes. Aufgrund dieses Wetters konnte freilich kein Schiff übersetzen, sodass sich mein Aufenthalt in Calais ein wenig verlängerte. Am Morgen des vierten Tages zeigte sich die Sonne und die Luft war klar. In der Ferne erhoben sich die dunklen Umrisse der englischen Küste.
Dontreix begleitete mich bis zum Dock. Wahrscheinlich war er vom Kardinal beauftragt worden sicher zu stellen, dass ich auch wirklich an Bord des Segelschiffes ging, welches mich nach England bringen sollte. Wehmütig blickte ich zurück auf den sich immer weiter entfernenden Hafen. Ich atmete tief ein, spürte wie die salzige Seeluft meine Lungen hinab strömte. Während der gesamten Überfahrt rührte ich mich nicht vom Fleck. Als das Schiff den Hafen von Dover erreichte, klammerten sich meine Finger unwillkürlich an die hölzerne Reling, dass die Knöchel weiß hervortraten. Was mich auch erwarten mochte, wenn ich von Bord ging, ich fühlte die Gewissheit in mir, dass ein neuer Abschnitt in meinem Leben begann.

Auf dem Landungssteg sah ich mich gespannt um. Ich wusste nicht, wer kommen würde, um mich abzuholen. Es schien jedoch als musste ich mich nicht allzu lange gedulden. Ein dünner drahtiger Mann mit angegrautem dunklem Haar näherte sich mir.
„Ihr seid Miss de Lechelle?“ Er sprach mich in leisem Englisch an.
Ich nickte, noch unschlüssig, was ich von meinem Gegenüber halten sollte. „Ja, die bin ich.“
„Sehr gut“, fuhr er fort, „Sutherland ist mein Name. Ich soll Euch nach London begleiten, folgt mir bitte.“
Jetzt musste ich mir Mühe mit der Sprache geben. Monsieur Grimaud hatte mir gerade einmal die Grundzüge beibringen können. Die meiste Zeit war es Sutherland, der das Wort führte. Obwohl er langsam sprach, hatte ich meine liebe Not den Zusammenhängen richtig zu folgen. Heiße Wut auf Richelieu stieg in mir auf, weil er mich so unvorbereitet in diese Misere gestoßen hatte. Wie sollte ich bloß an diesem neuen Ort bestehen, wenn ich mich kaum zu verständigen vermochte?

Auf dem Weg nach London nahm ich begierig alle neuen Eindrücke auf. Die verschlafenen Dörfer unterschieden sich kaum von jenen daheim in Frankreich, aber es war merkbar kälter, die winterliche Sonne brach kaum durch den Nebel. London jedoch war ganz anders als das laute unübersichtliche Paris. Eine geordnete Betriebsamkeit herrschte in den Straßen der Stadt. Unser Ziel war eine heruntergekommene Gegend am Stadtrand. Die Fassaden der Häuser verblassten zusehends, die Fensterscheiben waren verdreckt. Auf einmal wies Sutherland auf den Eingang zu einem Lokal, über dem in verschnörkelten Lettern „The Owl“ zu lesen war.
„Lord de Winter pflegt seine Abende seit dem Tod seiner Gattin in diesem Pub zu verbringen“, erklärte er. „Es ist hier nicht mehr so ausgestorben, wenn es dunkel ist, glaubt mir.“
„Seine Frau ist verstorben?“ fragte ich verwundert nach. Diese kleine Nebensächlichkeit hatte mir der Kardinal verschwiegen.
Der Engländer nickte mit einem schwer deutbaren Ausdruck. „Ja, sie starb im letzten Winter an der Diphtherie. Mittlerweile scheint er den Verlust überwunden zu haben, man trifft ihn wieder auf Festen an.“
„Hat er denn Kinder?“
„Nein, Miss, dieses Geschenk hat ihm seine Gattin nicht gemacht. Auch sein Bruder ist kinderlos, aber wenigstens nehme ich an, dass seine Schwester inzwischen Mutter geworden ist. Sie hat vor einigen Jahren geheiratet.“
Mir fielen gleich noch weitere Fragen ein und Sutherland schien viele Dinge zu wissen, doch jetzt kamen wir vor einem unscheinbar grauen Haus an, dessen schäbige Fassade drei Etagen empor reichte. Ganz oben dem Dachfenster fehlte die Scheibe. Mein Begleiter betätigte den angelaufenen Türklopfer, woraufhin nach einigen Augenblicken von ein kleiner alter Mann mit einem dünnen Kranz grauen Haares und griesgrämiger Miene öffnete. Es wurden einige schnelle Worte gewechselt und schon marschierte Sutherland mit meinem Koffer die Treppe nach oben. Irritiert folgte ich ihm. Innen war das Haus in nicht viel besserem Zustand als außen. Das Zimmer im obersten Stock, in dem er schließlich das Gepäck abstellte, war sehr klein und es roch modrig. Zerschlissene Vorhänge verdeckten das Fenster. Hier sollte ich also bleiben?
Der Engländer erriet meinen Blick offenbar. „Mit etwas Glück werdet Ihr nicht lange hier sein. Der Pub, den ich Euch zuvor gezeigt habe, befindet sich zwei Straßen weiter. Solltet Ihr mich brauchen, könnt Ihr mir über Mister Biggs eine Nachricht zukommen lassen. Er wird auch Eure Botschaften nach Frankreich übernehmen und an mich weiterleiten. Keine Sorge, er ist nicht so böse wie er aussehen mag, er ist nur kein Freund vieler Worte. Das hier habe ich Euch noch zu geben.“
„Ist gut“, antwortete ich, einen in braunes Papier gehüllte flachen Gegenstand entgegen nehmend. „Danke.“
„Auf wiedersehen, Miss.“
Er lüftete zum Gruß seinen Hut und ließ mich allein zurück. Sofort zog ich die Vorhänge beiseite, um das schmutzige Fenster zu öffnen. Die frische kalte Luft, die herein strömte, war herrlich. Erst jetzt blickte ich mich genauer in dem winzigen Raum um. Es gab ein Bett und einen kleinen Schrank. Das also sollte nun mein Zuhause sein. Zumindest für den Augenblick.
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