Durch das Dunkel der Welt

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Coco

Re: Durch das Dunkel der Welt

Beitragvon Coco » 25.04.2009, 22:21:08

Asche auf mein Haupt :oops: (Du weißt warum ^^)

Ok, sooo bekannt kommts mir jetzt nicht mehr vor :mrgreen:
Sehr schön geschrieben, bin wirklich gespannt, wie es weitergeht und ob ich doch noch irgendwas wiedererkenne :mrgreen:

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Sisi Silberträne
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Re: Durch das Dunkel der Welt

Beitragvon Sisi Silberträne » 31.05.2009, 22:34:31

Nach dem Drama wirds jetzt wieder ein bissi netter, ich hoff mal es ist euch nun nicht zu fad ;)

Danke für die Kommis und viel Spaß!



Im ersten Moment war Lily überrascht von dieser Frage, doch dann nickte sie spontan ohne wirklich zu überlegen. Der Gedanke diese Nacht nicht ganz allein zu sein, war überaus verlockend. Vielleicht würden die dunklen beängstigenden Träume sie hier nicht finden.
„Aber nur wenn es keine Umstände macht“, fügte sie rasch hinzu.
Wolfgang lächelte breit. „Ach wo. Ich überziehe nur schnell das Bett für dich.“
Die Salzburgerin machte eine abwehrende Geste. „Das ist doch nicht nötig, ich übernachte auf dem Sofa.“
„Kommt überhaupt nicht in Frage! Du bist zu zweit und brauchst erholsamen Schlaf. Für mich genügt die Couch, die ist recht bequem.“
„Aber…“
Er legte ihr kurzerhand einen Finger auf die Lippen. „Ich will kein Wort mehr hören, Lily, sonst fahre ich dich doch noch nach Haus.“
„Schon gut, du hast gewonnen.“ Sie strich sich lachend eine braune Haarlocke aus der Stirn. „Danke übrigens. Ich werde mich bei Gelegenheit revanchieren.“
Seine Reaktion bestand in einem Augenrollen, doch er sagte nichts mehr, sondern zeigte seinem Gast das Badezimmer, bevor er sich daran machte das Bett zu überziehen und für sich selbst eine Wolldecke aus dem Schrank holte.
Im Bad entledigte sich Lily ihrer Kleidung, um in das übergroße Shirt zu schlüpfen, das Wolfgang ihr gegeben hatte. Nur in Unterwäsche drehte sie sich einen Moment lang vor dem Spiegel, ließ die Hand langsam über ihren Bauch gleiten. Eine ganz sachte Rundung war tatsächlich schon erkennbar, doch sie fühlte diese mehr, denn sie sie wirklich sah. Zufällig fiel ihr Blick auf das Regal neben dem Waschbecken, in dem ein Becher mit zwei Zahnbürsten steckte. Die eine klein für das Milchgebiss eines Kindes, mit blauem Griff und einem lustigen Eisbärchen unten am Stiel.
Vor ihren Augen erschien das Bild ihres Badezimmers daheim, in dem ein Kind mit hellbraunen Haaren vor dem Waschbecken stand und sich die Zähne putzte. Im Spiegel konnte sie sein Gesicht sehen. Nachdem es sich auch noch den Mund ausgespült hatte, wandte es sich zu ihr um.
„Ich bin fertig, Mama! Liest du mir jetzt was vor?“
Sie nickte lächelnd und als sie dem Kleinen liebevoll über das weiche Haar strich, löste sich die Szene auf. Ihre eigenen Augen blickten ihr aus dem Spiegel entgegen. Sie hoffte so sehr, dass sie ihrem Kind eine gute Mutter sein würde. Erneut legte sie die Hand auf ihren Bauch, spürte unter dem dünnen Stoff die leichte Wölbung.
„Alles wird gut, Baby, das verspreche ich dir“, murmelte sie abwesend.
Ein Klopfen an der Tür riss sie abrupt aus ihren Gedanken. Dumpf erklang von der anderen Seite Wolfgangs Stimme. „Lily? Bist du da drin im Stehen eingeschlafen?“
Rasch schloss sie auf und lächelte ihn an. „Nein, wir Frauen brauchen nur eine Weile zum Abschminken.“
„Das scheint bei euch wirklich verbreitet zu sein. Bennis Mutter hat sich im Bad auch immer viel Zeit gelassen.“ Bei der Erwähnung dieses Namens schlich sich Melancholie in seine Stimme.
Lily legte ihm verständnisvoll die Hand auf den Arm. „Sie fehlt dir immer noch sehr, oder?“
„Eigentlich nicht, mittlerweile bin ich darüber hinweg. Es tut mir nur so leid, dass Benni ohne sie aufwachsen muss. Obwohl er von mir alle Liebe bekommt, die ich ihm nur geben kann, bleibt seine Mutter unersetzbar. In seinem ersten Kindergartenjahr kurz vor dem Muttertag, als die Kinder Geschenke bastelten, hat er mich nachher gefragt, ob seine Mama ihn gar nicht lieb hatte. Ich wusste einfach nicht, was ich ihm antworten sollte. Es war auch das erste Mal, dass er wirklich nach ihr gefragt hat und ich erzählte ihm von ihr, wie ich mich an sie erinnerte. An die schönen Zeiten mit ihr.“
„Vielleicht kommt sie ja wieder und erklärt dir alles…“
Wolfgang machte eine wegwerfende Geste. „Das habe ich lange gehofft, aber inzwischen nicht mehr. Marica hat sich gegen das Leben mit Benni und mir entschieden. Auch wenn sich das für dich kalt anhören mag, mittlerweile ist es mir egal, was aus ihr geworden sein mag.“
Die Sängerin verstand ihn sehr gut, ihr fehlten im Augenblick jedoch die Worte, sodass sie ihm nur schweigend zum Schlafzimmer folgte. Offensichtlich hatte er die Stärke besessen mit der Vergangenheit abzuschließen, jene, die ihr fehlte.
An der Tür wandte er sich wieder ihr zu. „Gute Nacht, Lily. Schlaf gut.“
„Du auch.“ Sie sah ihn an, wollte nicht, dass er jetzt ging und sie in diesem ihr fremden Raum allein ließ. „Tust du mir einen Gefallen? Halt mich bitte für einen Moment fest.“
Wortlos legte er daraufhin die Arme um sie und zog sie ein wenig an sich. Minutenlang standen sie so da, bis er sich wieder von ihr löste, seine Hand verblieb noch einen Augenblick länger an ihrer Hüfte. „Träum süß.“

Als er ins Wohnzimmer gegangen war, schlüpfte sie ins Bett und löschte das Licht. Sie hatte das Zimmer zuvor im Hellen gesehen, es bestand aus der üblichen Einrichtung, Schlafstatt, Nachtkästchen und einem Schrank. Auf der anderen Seite der großen Fensterfront lag im Dunkeln verborgen ein Balkon. Die ins Freie führende Tür war gekippt und draußen blies ein scharfer Wind. Ein Unwetter schien herauf zu ziehen.
Auch diese Nacht träumte Lily von dem schwarzen Schiff, den geisterhaften Gestalten und von Jonas, der ihr mit einem hohen irrealen Lachen das Baby aus dem Leib stahl. Erneut brach sie auf den morschen Planken zusammen, um im nächsten Moment schreiend zu erwachen. Schwere Regentropfen prasselten gegen die Fenster und es donnerte entfernt. Sie zog sich die Decke so weit wie möglich hoch und schluchzte verzweifelt in ihren Polster.
Es dauerte lange, bis sie sich einigermaßen beruhigt hatte und schließlich in einen traumlosen Schlaf fiel. Als sie wieder erwachte, war es hell vor den Fenstern. Dicke graue Wolken bedeckten den Himmel. Sie benötigte einige Sekunden, bis die Erinnerung an den vergangenen Abend zurück kehrte und sie realisierte, wo sie sich befand. Verschlafen erhob sie sich, um auf die Toilette zu gehen. Als sie aus dem Zimmer trat, nahm sie sofort das Klappern von Geschirr wahr und folgte der Quelle. Noch bevor sie die Küche erreichte, empfing sie der aromatische Duft von frischem heißem Kaffee.
„Guten Morgen, Lily“, sagte Wolfgang, als er sie in der Tür bemerkte. „Habe ich dich aufgeweckt? Hast du gut geschlafen?“
„Ja sehr, und keine Sorge, du hast mich nicht geweckt.“ Sie grinste ihn an, verschwieg ihm ihre grauenvollen Träume. „Hast du denn auch halbwegs schlafen können?“
Er nickte wenig überzeugend und rieb sich den Nacken. „Ich kann mich nicht beklagen. Da ich nicht weiß, was du gerne isst, habe ich einfach von allem etwas genommen.“ Ein wenig unsicher wies er auf das fertige Tablett, das auf der Anrichte stand. Es enthielt Brot, Käse, Wurst, Paprika, Tomaten, Limettenmarmelade, Honig, Müsli und Obst. „Ich kann es dir immer noch ans Bett bringen.“
„Mhmm, sieht das köstlich aus“, kommentierte sie und setzte sich an den Küchentisch, damit er nicht auf die Idee kam, das Tablett wirklich noch durch die halbe Wohnung zu tragen.
Wolfgang stellte ein Häferl mit Kaffee vor ihr ab, doch zwei Sekunden später erblasste er verlegen. „Wie dumm von mir, du möchtest sicher lieber Tee…“
„Nein, lass bitte. Eine Tasse zum Frühstück hat mir mein Frauenarzt erlaubt.“ Rasch wie zur Bestätigung nippte sie an dem heißen Getränk.
Ihr Gastgeber ließ sich ihr gegenüber sinken und begann eine Scheibe Brot mit Butter zu bestreichen, um sie danach mit Wurst zu belegen. „Nach dem Frühstück muss ich mein kleines Monster abholen, weil meine Mutter noch etwas vor hat. Du kannst mitfahren, wenn du willst, und nachher bringe ich dich heim.“
Lily nickte leicht, sie hatte den Mund voll mit einem Stück Marmeladebrot. Sie war sehr neugierig auf Wolfgangs kleinen Sohn, dessen Gegenwart sie in dieser Wohnung von Anfang an intensiv gespürt hatte, obwohl er gar nicht da war. Die Räume verströmten die Energie eines Kindes.
Zuletzt geändert von Sisi Silberträne am 02.06.2009, 20:02:46, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Durch das Dunkel der Welt

Beitragvon Gaefa » 01.06.2009, 11:53:54

Wieder eine sehr schöner Teil und überhaupt nicht fad. Mir hat er sehr gut gefallen. Schön, dass die beiden sich so gut verstehen. Ich bin sehr gespannt wie es weiter gehen wird, lass uns nicht allzu lange warten.
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Re: Durch das Dunkel der Welt

Beitragvon armandine » 01.06.2009, 15:13:24

Der Teil hat mir sehr gefallen, ich freue mich auf die Fortsetzung!

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Re: Durch das Dunkel der Welt

Beitragvon Kitti » 02.06.2009, 20:00:16

Schön, dass du uns ein neues Kapitel präsentierst. Auch mir gefällt es natürlich sehr gut. Ich frage mich nur, ob die Zahnbürste des kleinen Sohnes Sinn für Stil oder einen schlichten Stiel hat? :D Ich habe mich auch gefragt, ob man im Nebenzimmer nicht doch etwas hört, wenn Lilly so lange weint?!
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Re: Durch das Dunkel der Welt

Beitragvon Coco » 04.06.2009, 22:22:40

Wieder ein schönes Kapitel :D
Mag deinen Stil echt gerne :D

Bin ja mal gespannt, wie der Kleine auf Lilly reagiert ^^

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Re: Durch das Dunkel der Welt

Beitragvon Sisi Silberträne » 22.06.2009, 22:29:33

Danke euch!
Diesmal etwas kürzer, trotzdem viel Spaß...



Die Fahrt nahm etwa zehn Minuten in Anspruch, von denen die Sängerin die meiste Zeit über schwieg. Als Wolfgang den silbernen Ford Focus in eine Parklücke manövrierte und den Motor abstellte, wurde sie aus ihren Überlegungen gerissen, die um Jonas kreisten.
„Lily, wir sind da“, kommentierte der Wiener. „Was überlegst du denn so angestrengt, wenn man fragen warf?“
Sie machte eine abwehrende Geste und zog es vor ein anderes Thema zu beginnen. „Ach, nichts weiter. Ich habe mich nur gefragt, ob wir den gestrigen Abend wiederholen.“
„Sehr gerne!“ Er grinste breit. „Wenn du Lust hast, würde ich dich aber auch gerne zu mir zum Essen einladen. Obwohl ich ein Mann bin, kann ich nämlich ziemlich gut kochen, darf ich von mir behaupten.“
Bei diesen Worten hellte sich Lilys Gesicht sofort merklich auf. „Mir macht kochen auch Spaß, wir könnten das doch auch zusammen tun.“
Begeistert nickte er und somit war es beschlossen. Rasch stieg er aus dem Wagen, um seinen Sohn zu holen. Deswegen waren sie ja hier. Ein paar Minuten später kehrte er mit Benjamin zurück. Unschlüssig blieb der kleine Bub stehen, als er beim Auto seines Vaters die für ihn fremde Frau entdeckte.
„Benni, das ist Lily“, sagte Wolfgang zu ihm, ehe er sich der dunkelhaarigen Frau zuwandte. „Und das ist mein kleines Monster.“
„Hallo Benni. Ich freue mich sehr dich kennen zu lernen“, grüßte sie ihn und brachte sich in seine Augenhöhe, um ihm die Hand zu reichen.
Doch der Bub schwieg, bedachte sie lediglich mit einem misstrauischen Blick.
Wolfgang seufzte leicht. „Lily hat hallo zu dir gesagt.“
Daraufhin murmelte der Kleine immerhin eine halbherzige Begrüßung, jedoch weiterhin ohne die Salzburgerin anzusehen. Bis sie bei Lilys Wohnung angelangt waren schwieg er eisern mit unverändert missmutiger Miene.
„Ich muss mich für meinen Sohn entschuldigen“, meinte Wolfgang, während er Lily zur Haustüre begleitete. „Er hat sich noch nie mit einer Frau verstanden, die ich gern hatte. Aber wenn er dich erst besser kennt, wird er dich bestimmt mögen.“
„Das hoffe ich. Hört er zufälligerweise gern Geschichten? Ich habe früher immer den Nachbarskindern welche erzählt, wenn ich auf sie aufpassen musste.“
Wolfgang lachte leise. „Er ist verrückt danach! So eroberst du ihn im Sturm. Was dir bei mir glaube ich schon gelungen ist.“
Er drückte ihr einen schüchternen Kuss auf die Lippen. Zunächst war sie überrascht, sie spürte Röte ihre Wangen durchziehen wie bei einem verknallten Teenager, es war ein aufregendes Gefühl. Ihr fehlten vollkommen die Worte. Am liebsten wäre sie einfach eine Weile mit ihm hier draußen stehen geblieben, doch das ging natürlich nicht. Benni wartete im Auto und außerdem konnte jeden Moment einer von den Nachbarn vorbei kommen. Nur ungern ließ sie ihn gehen, in seiner Gegenwart fühlte sie sich sicher.
„Bis nächste Woche, nicht vergessen“, rief er ihr noch hinterher, ehe die Haustür zufiel und sie über die Stiegen nach oben zu ihrer Wohnung ging.

Während die Badewanne voll mit warmem Wasser lief, schritt Lily nachdenklich durch die Wohnung. Diese war nicht groß, reichte für sie jedoch allemal. Es gab ein geräumiges Wohnzimmer an das eine Küchenzeile angeschlossen war, und ihren Schlafraum. Dieser sollte das Reich ihres Kindes werden, sie würde dann auf der ausziehbaren Couch im Wohnzimmer schlafen. Sie begann sich vorzustellen, dass Spielsachen auf dem Boden lagen, wie bei Wolfgang, und der Name ihres Sohnes oder ihrer Tochter in bunten Lettern an der Tür. Immer tiefer verfiel sie in ihre Träumereien, sah das Zimmer vor sich, dessen Wände mit einer hellen freundlichen Tapete versehen waren, auf der Häschen mit Pinseln und Farbtöpfen bunte Kleckse malten. Ein kleines Bett, auf dem ein brauner Teddybär saß, ein Tisch in Kindergröße und ein Schrank vervollständigten den Raum. Auf dem Laminatboden neben einer Spielzeugkiste hockte ein Kind in Latzhosen und zeichnete mit dicken Buntstiften auf ein Blatt Papier.
Jäh drehte es sich in ihre Richtung um und hielt ihr strahlend das Bild entgegen, auf dem mehrere Figuren zu sehen waren. „Schau mal, Mama! Das bist du und das bin ich.“
„Das hast du wunderschön gemacht, mein Schatz“, antwortete sie und strich dem Kleinen liebevoll über die blonden Locken. „Sollen wir es hier an den Schrank hängen?“
Als ihr Sohn nickte, holte sie etwas Klebeband, um das Blatt an der besagten Stelle zu befestigen. Plötzlich hörte sie draußen die Tür knallen, Schritte näherten sich dem Kinderzimmer. Wer mochte das sein?
„Papa?!!“ rief das Kind. Es sprang auf, ehe sie reagieren konnte und im gleichen Moment betrat jemand den Raum. Obwohl sie die Person nur als schattenhafte Silhouette wahrnahm, erkannte sie sofort, dass es sich um einen Mann handelte. Nur sein Gesicht blieb im Dunkel verborgen. Der Kleine lief auf ihn zu und umarmte ihn glücklich.
Jäh schreckte sie auf, die Bilder verblassten. Sie lag in der Wanne, war im angenehm warmen Wasser offenbar eingedöst. Geweckt hatte sie das Klingeln ihres Handys im anderen Zimmer. Schnell wickelte sie sich ein Handtuch, doch der Anrufer hatte längst aufgegeben, als sie das Telefon erreichte. Konstantins Name stand auf dem Display. Sie nahm sich vor ihn zurück zu rufen, nachdem sie sich angezogen und die Haare getrocknet hatte.
Ihre Gedanken weilten noch immer bei dem Traum. Oder war es eine Art von Vision gewesen? Sie hatte ihr Kind gesehen und es war ein Bub. Behutsam legte sie die Hand auf ihren Bauch. Ob sie wirklich einen Sohn bekam, würde sie allerspätestens wissen, wenn ihr Kind geboren war. Doch unterbewusst glaubte sie daran. Vor allem beschäftigte sie die Frage, wen er Papa genannt hatte. Gleich ob es ein Bub oder ein Mädchen wurde, ihr Kind würde den Mann, dessen Gene es trug, niemals Papa nennen. Dann erschien ein anderes Bild vor ihren Augen. Ein gutaussehender Mann mit hellbraunem ein wenig unordentlichem Haar und sanften nussbraunen Augen. Wolfgang. Ihr Herz schien plötzlich ein wenig schneller zu schlagen.
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Re: Durch das Dunkel der Welt

Beitragvon Kitti » 22.06.2009, 22:37:57

Super, es geht endlich weiter. Dieser Teil ist dir wieder einmal sehr gut gelungen. Einfach schön geschrieben. Wollen wir hoffen, dass du Lily auch weiterhin Glück gönnst und sie in Wolfgang einen Partner findet, der ihr zur Seite steht. :)
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Re: Durch das Dunkel der Welt

Beitragvon Gaefa » 23.06.2009, 16:43:19

Wieder ein sehr schöner Teil :)
Ich bin echt gespannt, was es mit ihrer Vision auf sich hat und ob was aus den beiden bzw den vieren wird.
Lass und nicht allzu lange auf eine Fortsetzung warten!
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Re: Durch das Dunkel der Welt

Beitragvon Coco » 24.06.2009, 21:52:52

Das Kapitel gefällt mir auch wieder sehr gut :)

Bin gespannt, ob sie wirklich einen Jungen bekommt und wie es mit Wolfgang weitergeht :D

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Re: Durch das Dunkel der Welt

Beitragvon Musicalsternchen » 06.07.2009, 14:43:23

Gefällt mir echt gut,
wann gehts denn endlich weiter? :lol: :wink:

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Re: Durch das Dunkel der Welt

Beitragvon Sisi Silberträne » 15.08.2009, 22:59:15

Danke euch, ihr Lieben!
Ich hoff man merkt nicht allzu sehr wie planlos ich bei der FF manchmal bin...
Viel Spaß trotzdem ;)


Während der Woche versuchte Lily sich zu entspannend. Das mild sonnige Wetter half ihr dabei, sie verbrachte viel Zeit draußen an der frischen Luft. Die Donau hatte sie an Wien immer schon besonders gemocht, dadurch dass der Fluss nicht direkt durch die Stadt floss, war er ein wahres Naturparadies, an dessen Ufern man wunderbar die Seele pendeln lassen konnte. Es wäre ihr gut gegangen, würden die grauenhaften Alpträume sie nicht fast jede Nacht verfolgen, um ihr den Schlaf zu rauben, den sie so dringend brauchte. Seit jenen Ereignissen, die die verdrängten Erinnerungen wach gerufen hatten, war Jonas verschwunden, sie hatte nichts mehr von ihm gesehen oder gehört. Sie hoffte, dass das auch weiterhin so blieb und die Träume dann mit der Zeit wieder verschwinden würden.
Enttäuscht legte sie das Telefon beiseite. Konstantin hatte nicht abgehoben, noch eine von ihren Mitteilungen beantwortet. Ihr bester Freund hatte sich seit dem Abend der letzten Vorstellung nicht mehr gemeldet. Wahrscheinlich brauchte er noch Zeit um seine Beziehung mit Felix wieder in den Griff zu bekommen, das verstand sie, doch trotzdem behagte es ihr nicht, dass er so gar kein Lebenszeichen von sich gab. Er hatte ihren Herzenswunsch erfüllt, sie würde ein Kind bekommen, doch wenn dies das Ende seiner langen Partnerschaft bedeutete, war der Preis viel zu hoch. Wie egoistisch war sie gewesen, auf seinen Vorschlag einzugehen, nur weil es ihr widerstrebt hatte, sich mit dem Samen eines fremden Mannes künstlich befruchten zu lassen.
All diese Gedanken ließen Lily ihre Schwangerschaft nicht so unbeschwert erleben und genießen, wie sie sich das ausgemalt hatte. Die leichten Bewegungen des Babys zu spüren, entlockte ihr immer ein Lächeln, es war ein unglaublich schönes Gefühl. Das kleine Wesen war trotz allem ein Geschenk des Himmels. Es war wie eine Lichtgestalt aus einer Traumwelt, die irgendwie ihren Weg in die Wirklichkeit gefunden hatte.
Das Piepsen des Handys ließ sie wie von der Hornisse gestochen aufschrecken, doch die Mitteilung stammte nicht von Konstantin. Die Absenderin war Nicole, die Grüße aus Kärnten schickte und sich erkundigte wie es ihr so ging. Sie seufzte. Allerspätestens beim Donauinselfest Ende des kommenden Monats würde sie ihren besten Freund wieder sehen, er hatte genauso wie sie selbst seine Teilnahme schon längst fix zugesagt.

Wolfgang gegenüber ließ Lily sich von den vielen Dingen, die ihr Bauchschmerzen bereiteten, nichts anmerken. Er gab ihr zur Begrüßung ein Bussi auf die Wange, ehe er sie in sein Reich eintreten ließ.
„Schön, dass du da bist“, sagte er lächelnd. „Wie geht’s dir? Du siehst gut aus.“ Sein Blick streifte unwillkürlich ihren Bauch, obwohl da natürlich noch nichts zu erkennen war.
Die Salzburgerin grinste leicht. „Ich danke für die Einladung! Und in Anbetracht dessen geht’s mir natürlich sehr gut.“ Sie hielt inne, als sie in der Tür zum Wohnzimmer Benjamin entdeckte, der ihr böse Blicke zuwarf. „Hallo Benni“, grüßte sie ihn unsicher. Der Kleine streckte ihr die Zunge heraus anstatt die Begrüßung zu erwidern.
Wolfgang seufzte. „Benni, Lily hat hallo zu dir gesagt.“
„Hallo!“ schnappte der Fünfjährige daraufhin. Seine ganze Körperhaltung war abweisend, nicht nur sein finsterer Gesichtsausdruck.
„Benimm dich, sonst gibt es nachher keinen Spongebob!“
Schimpfend verschwand der Bub daraufhin in sein Zimmer. Allerdings nicht für sehr lange, er kam wieder zum Vorschein als Wolfgang und Lily sich in der Küche ans Werk machten. Sie hatten sich für Spaghetti Carbonara entschieden.
„Na, willst du uns helfen?“ fragte sein Vater, der gerade dabei war den Wurzenspeck in kleine mundgerechte Würfel zu schneiden. „Du kannst unserem Gast schon zeigen, wo die Nudeln sind.“
Wortlos ging Benni zu einem der Schränke und die Salzburgerin folgte ihm. Er öffnete das Regal so abrupt ohne Vorankündigung, dass Lily die Kante genau auf die Kniescheibe bekam und vor Schmerz aufjaulte.
Wolfgang drehte sich abrupt um, seine Brauen zogen sich zusammen. „Was soll denn das, Benni?? Entschuldige dich bitte bei Lily!“
Doch der Kleine schüttelte trotzig den Kopf. „Nein!“ Er streckte der Salzburgerin die Zunge heraus. „Ich mag dich nicht, du bist eine Hexe!“
„Jetzt reicht’s aber, dein Spongebob ist gestrichen“, sagte sein Vater ruhig aber mit genug Bestimmtheit um deutlich zu machen, dass er es sehr ernst meinte. „Geh in dein Zimmer und bleib da, bis du dich wieder benehmen kannst.“ Als Benjamin lautstark polternd verschwunden war, wandte sich Wolfgang an seinen Gast. „Es tut mir leid, ich weiß auch nicht, was mit ihm los ist. Aber er meint es nicht so, wenn er dich erst besser kennt, wird er dich mögen.“
„Vielleicht hat er Angst, dass ich mich zwischen ihn und dich dränge…“ überlegte Lily. „Immerhin musste er dich bisher noch nie mit jemandem teilen, oder?“
Ihr Gegenüber schüttelte leicht den Kopf. „Nein, das hat er ja immer schön zu verhindern gewusst. Er wird sich langsam damit anfreunden müssen mich nicht ganz für sich zu haben.“ Er drückte Lily einen behutsamen Kuss auf die Stirn. „Vielleicht unser kleiner Unfall ja Schicksal, was meinst du?“
„Das kann schon sein“, erwiderte sie grinsend.
So gerne hätte sie ihn geküsst, doch sie traute es sich nicht. Obwohl sie sich zu ihm hingezogen fühlte und ihm nahe sein wollte, war die Angst in ihr, erneut enttäuscht und verletzt zu werden, wenn sie ihre Barrikaden fallen ließ. Obwohl sie nach der Zeit mit Jonas mit anderen Männern zusammen gewesen war, hatte sie niemals einen von ihnen wirklich an sich heran gelassen, an ihr tiefstes Inneres, ihre Seele. Wolfgang nahm ihr die Entscheidung schließlich an, in dem er sie vorsichtig an sich heran zog, um sie zärtlich zu küssen. Seine weichen Lippen schmeckten so gut. Das war einer dieser Momente, die die schlechte Angewohnheit hatten, viel zu schnell zu enden.
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Re: Durch das Dunkel der Welt

Beitragvon Kitti » 15.08.2009, 23:31:49

Schön, dass es endlich eine Fortsetzung gibt, die mir natürlich wieder sehr gut gefällt. Dennoch sind mir beim Lesen ein paar Dinge aufgefallen: Schau doch direkt am Anfang noch einmal drüber. Da steht nämlich bei "entspannen" ein D zu viel und bei mild fehlt das E. Ich würde außerdem eher "die Seele baumeln lassen" schreiben oder sagt man in Wien "Pendeln"? :) Ab und zu fehlt auch ein Komma. Ansonsten ist es toll! Bitte bald weiter! :)
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Re: Durch das Dunkel der Welt

Beitragvon Sisi Silberträne » 16.08.2009, 01:12:37

Wie komm ich auf pendeln O_O wir sagen auch baumeln!!
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Re: Durch das Dunkel der Welt

Beitragvon Gaefa » 16.08.2009, 11:50:36

Wirklich wieder ein sehr schöner Teil.
Ich hab auch noch eine Kleinigkeit entdeckt. Im dritt letzten Satz steht, er würde ihr die Entscheidung "annehmen", ich glaub "abnehmen" passt eher oder?
Ansonsten wieder toll geschrieben. Ich bin gespannt wie es weiter geht mit den beiden und ob Benni Lily respektiert.
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Re: Durch das Dunkel der Welt

Beitragvon Sisi Silberträne » 22.10.2009, 19:27:48

Kitti> ich habe keinen Schimmer wie ich auf pendeln komme O_O baumeln war natürlich gemeint, danke für den Hinweis!
Gaefa> dir auch danke, ich sollte wirklich korrekturlesen, wenn ich etwas wacher bin...

Danke euch allen für eure Kommis, ich freu mich immer sehr!

Und das nächste Mal sagts mir um Gotts willen bitte einer, wenn ich in meiner Siebhirnigkeit einen Oneshot doppelt poste :lachtot:

Weiter gehts, enjoy!



Benjamin sprach während des gesamten Essens kein Wort, er warf Lily nur immer wieder böse Blicke zu. Wenn sie mit ihm sprach, antwortete er nicht, unterband so all ihre Versuche die Barriere zu überwinden. Wolfgang war durch das Benehmen seines Sohnes merkbar gereizt, er wollte den Kleinen aber nur ungern weiter maßregeln, weil er befürchtete, dass Benni die Schuld für die Bestrafung Lily gab und sie nur noch mehr ablehnte.
Der Junge schien einigermaßen zufrieden gestellt, als sein Vater einwilligte ihm vor dem Schlafengehen noch eine Geschichte vorzulesen. Wolfgang warf Lily einen Blick zu, der so viel sagte, wie ,es dauert hoffentlich nicht allzu lange’ und hielt Benni auf, der versuchte ihn an der Hand mit sich zu ziehen.
„Sag unserem Gast bitte gute Nacht“, ordnete er sanft aber nachdrücklich an.
„Gute Nacht“, brummte der Kleine und streckte ihr im Gehen die Zunge heraus. Wolfgang seufzte.
Nach etwa einer halben Stunde, die Lily damit verbrachte, das übrige Geschirr in die Küche zu tragen und den Spüler einzuräumen, kehrte ihr Gastgeber zurück.
„Ich kann nur wiederholen, dass es mir leid tut. Er benimmt sich sonst nicht so, sagte er leise. „Hättest du vielleicht Lust uns beide am Wochenende in den Tiergarten zu begleiten? Er liegt mir schon lange in den Ohren, dass ich wieder mit ihm hingehen soll. Wenn wir dort gemeinsam viel Spaß haben, wird er dich bestimmt auch mögen.“
Lily nickte. „Gerne, das fände ich schön. Hoffentlich hast du recht.“
Langsame Musik erklang, als Wolfgang an den Knöpfen der Stereoanlage nestelte. Er lächelte leicht und nahm die Salzburgerin bei der Hand. „Möchtest du tanzen?“
Ihr Grinsen beantwortete ihm die Frage. Er umfasste behutsam mit einem Arm ihre Taille und sie begannen sich zu der Musik zu bewegen. Lily schloss die Augen, sie genoss diesen Augenblick voll und ganz. Dann spürte sie seine warmen weichen Lippen auf ihren. In ihrem Bauch begann es zu flattern. Sie fühlte sich geborgen in seinen Armen. Wolfgang war nicht wie Jonas, er würde ihr niemals weh tun.

Einander küssend sanken sie schließlich auf die Couch, bis sie auf dem Rücken lag und er ihr über ihr war. Er beugte sich zu ihr herunter, um sie erneut liebevoll zu küssen, als jäh Erinnerungen in ihr aufblitzten, in denen ihr Ex-Freund sie grob unter sich aufs Bett presste. In einem Anflug von Panik schnappte sie nach Luft, drückte Wolfgang weg von sich. Erschrocken von dem Entsetzen in ihrem Gesicht, wich Wolfgang sofort zurück. Seine sanften braunen Augen, die so anders waren als Jonas’, brachten sie wieder zur Besinnung, sie lehnte sich hilfesuchend an ihn. Er strich ihr beruhigend über den Kopf.
„Shhh… es ist gut. Du musst keine Angst haben, ich würde nie etwas tun, das du nicht willst. Bitte vertrau mir.“
Sie nickte leicht. „Das tue ich… Halt mich fest, bitte.“
Behutsam legte er die Arme um sie, hielt sie fest, als sie sich an ihn schmiegte. „Lily… hat dir jemand weh getan?“
Die Salzburgerin sah abrupt auf, sie schüttelte energisch den Kopf. „Nein! Mach dir keine Gedanken, es ist nichts.“
„Wirklich?“ hakte er nach.
Doch sie schwieg, wollte ihm nicht von Jonas erzählen. Bestimmt würde es ihn anwidern, wie schwach sie war, dass sie diese Dinge geschehen lassen hatte, ohne sich zu wehren. Er würde nichts mehr mit ihr zu tun haben wollen.
„Ich bin müde…“, murmelte sie und befreite sich aus der Umarmung.
Wolfgang ließ sie gehen. Er verfiel in eine nachdenkliche Phase, als sie im Bad verschwunden war. Was war nur los mit ihr? Sie hatte für einen Moment solche Angst gehabt, etwas musste ihr widerfahren sein, dass sie schwer belastete.

Lily vermochte ihr eigenes Spiegelbild fast nicht anzusehen, sie wusch sich so schnell wie möglich das Gesicht und putzte die Zähne. Vielleicht war Jonas am Ende genau das, was sie verdient hatte. Über die Jahre war sie davon ausgegangen, ihn endgültig hinter sich gelassen, es überwunden zu haben. Doch das stimmte nicht. Er mochte sie zu sehr zerstört haben, um es jemals zu verkraften. Sie hatte es zugelassen sie war selbst schuld daran.
Nachdem sie ins Bett geschlüpft war, zog Wolfgang ihr mit einem Lächeln die Decke bis zum Kinn hoch und drückte ihr einen zärtlichen Kuss auf die Stirn.
„Schlaf gut, träum süß“, sagte er leise. „Wenn du mich brauchst, du weißt ja, wo das Sofa ist.“ Er schmunzelte.
„Du auch…“ Sie tat, als wäre sie schon halb in den Schlaf gesunken, doch als er gegangen war, lag sie noch sehr lange wach im Bett. Sie hatte Angst, dass ihre Traumwelt sie wieder an Bord des grauenvollen schwarzen Schiffes führen würde. Nächtelang hatte sie deswegen nicht mehr durchgeschlafen, obwohl sie im Moment kaum etwas dringender für ihr Ungeborenes brauchte, als genug Ruhe und Erholung. Langsam entglitt sie in jenes Sein auf der anderen Seite der Wirklichkeit.

Eisiger Wind pfiff über das schwankende Deck des schwarzen Schiffes. Die morschen Planken knarrten vertraut unter Lilys Füßen und sie sah die zerfetzten Segel im Dunkel wehen. Sie war wieder da.
„Lieber Gott, ich will hier weg“, flüsterte sie zitternd.
Von allen Seiten näherten sich körperlose Gestalten in einem grotesken Tanz. Wieder erkannte sie ihre Familie, Freunde und Kollegen darunter. Jäh hielten sie inne, bildeten zu beiden Seiten des Decks eine Reihe, die in der Mitte wie eine gespenstische Allee einen Durchgang frei ließ. Ihr Gesang schwoll zu einem hohen schrillen Ton an, der Lily sich die Hände auf die Ohren pressen ließ. Dann verstummten sie und im selben Moment viel ihr Blick auf den großen Mast, der am Ende der Passage lag. Eine vertraute Gestalt stand davor. Stand? Nein, der Kopf und die Arme waren unnatürlich schlaff. Erschrocken rannte Lily vorbei an den Geistern, die ihre klauenartigen Finger nach ihr ausstreckten, ohne sie wirklich packen zu können. Schließlich stand sie vor Wolfgang, der in Seilen an den Masten gefesselt hing. Leblos.
„Wolfgang, wach auf!! Bitte!“ schrie sie, ihre Stimme überschlug sich fast. Sie zog und zerrte an seinen Fesseln, doch diese waren fest wie Stahl. Verzweifelt streckte sie die Hand aus, berührte seine Wange, die kalt wie Eis war.
„Zu spät!“ kreischte Jonas’ Stimme. Er war jäh neben dem Masten aufgetaucht, sah sie an. „Du hast ihn ins Verderben gestürzt!“
„Nein…“, wimmerte sie kraftlos. Erst jetzt bemerkte sie den kleinen Jungen, der neben ihm stand und sie voller Hass anblickte. Ihr versagten die Knie, die schwarzen Planken kamen auf sie zu.
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Re: Durch das Dunkel der Welt

Beitragvon Gaefa » 22.10.2009, 20:36:06

Wieder ein schöner Teil.
Oh, welch ein schrecklicher Traum!! Jonas lässt sie wohl nie los... Ich hoffe sehr, dass Wolfgang ihr durch die schwere Zeit helfen kann..
Ich bin sehr gespannt wie es weiter geht!
Lass uns nicht wieder so lange warten!!
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Re: Durch das Dunkel der Welt

Beitragvon Sisi Silberträne » 10.01.2010, 15:55:43

Dank je wel für den lieben Kommentar =) Uuuund weiter gehts! Ich hoff es lesen doch noch ein paar mehr Leute.


Mit einem panischen Schrei fuhr Lily in die Höhe. Ihr Herz raste als wolle es jeden Moment in ihrer Brust zerspringen und sie keuchte atemlos. Sie erkannte Wolfgangs Schlafzimmer, eigentlich sollte sie sich in den Räumen, in deinen seine Gegenwart spürbar war, sicher fühlen, doch sie hatte auf einmal das Gefühl die Wände würden sie erdrücken. Das Licht eines Blitzes gefolgt von einem Donnerschlag ließ sie erschrocken zusammen zucken. Draußen tobte ein Gewitter, der Regen von neulich war dagegen nur ein harmloser Vorgeschmack. Ironischerweise schien das Wetter ein Spiegel von Lilys Stimmung zu sein. Wie mechanisch öffnete sie die Balkontür und trat bloßfüßig, nur mit dem dünnen T-Shirt bekleidet ins Freie. Die nassen Fliesen waren eiskalt, doch sie kümmerte sich nicht darum, sondern ließ sich mit angezogenen Knien in den Korbsessel sinken. Schon nach kurzer Zeit war sie völlig durchnässt, das Regenwasser vermischte sich auf ihren Wangen mit stummen Tränen. Obwohl der Frühling schon längst begonnen hatte, brachte das Unwetter eisige Kälte mit sich, die langsam unter ihre Haut kroch und all ihr Empfinden betäubte.

Schlaftrunken tapste Benjamin durch die dunkle Wohnung, um die Toilette aufzusuchen. Nachdem er sich erleichtert hatte, schlich er wieder zu seinem Zimmer, doch unmittelbar vor der Tür hielt er inne. Er spürte einen kalten Lufthauch, es zog von irgendwo her. Er merkte, dass die Schlafzimmertür einen Spalt breit offen stand und marschierte darauf zu. Vielleicht hatte die komische Frau das Fenster nicht zugemacht Neugierig war er einen Blick in den Raum und sah das leere Bett. Dahinter war die Balkontür geöffnet. Der Bub fröstelte in seinem Pyjama, er ging durch das Zimmer und wollte die Tür zudrücken. Draußen im Freien fiel ihm auf, dass jemand in dem Korbsessel saß. Da war sie also, aber warum hockte sie in der Kälte, anstatt unter der warmen Decke zu liegen. Er beschloss das seinem Vater zu sagen und tappte zurück ins Wohnzimmer, wo Wolfgang auf der Couch schlief. Versuchsweise rüttelte er ihn an der Schulter.
„Mhmmm“, brummte dieser und sah verschlafen seinen Sohn an. „Was ist denn los, Benni? Hast du schlecht geträumt?“
Der Junge schüttelte den Kopf. „Die komische Frau sitzt am Balkon. Sie ist bestimmt schon ganz nass.“
Augenblicklich richtete sich Wolfgang auf seiner Schlafstatt auf. „Lily ist wirklich da draußen?“ Sein Blick glitt zu den regennassen Fenstern.
„Ja, wenn ich es dir doch sage“, erwiderte Benjamin.
„Ich gehe mal nachsehen. Gut, dass du mich geweckt hast.“ Sein Vater stand rasch auf und eilte zum Schlafzimmer. Schon an der Tür bemerkte er die kalte Luft, die im Raum vorherrschte. Als er auf den Balkon hinaus trat, hätte er Lily in dem Korbsessel fast nicht gesehen, hätte er nicht gewusst, dass sie da sein musste. Sie war völlig weggetreten, weswegen er sie einfach hochhob und wieder hinein trug.

Wolfgang setzte sie auf dem Bett ab und holte eine dicke Decke aus dem Schrank. Sie war klatschnass und fühlte sich eiskalt an.
„Du musst raus aus dem nassen Hemd“, sagte er zu ihr. Zunächst reagierte sie kaum, aber als er nach dem durch die Feuchtigkeit schweren Stoff griff, hob sie die Arme, ließ es sich von ihm über den Kopf ziehen. Schnell wickelte er sie in die Decke und zog sie fest an sich, um sie zu wärmen. „Was machst du bloß für Sachen?“
„Es ist so kalt…“ murmelte Lily. Jetzt wo die tranceartige Starre von ihr abgefallen war, begann sie unkontrolliert zu zittern.
Wolfgang nickte leicht. „Was du brauchst, ist ein heißes Bad.“ Er half ihr auf die Beine und stützte sie, weil ihr die Knie heftig schlotterten. An der Tür zum Schlafraum stand Benjamin, der alles beobachtet hatte und er sah den Kleinen streng an. „Ab ins Bett, junger Mann!“
Der Bub blickte jedoch verwundert seinen Vater an. „Was ist denn mit Lily?“
„Mit ihr ist alles in Ordnung. Ihr ist nur kalt“, entgegnete Wolfgang. „Geh jetzt bitte wieder schlafen. Wir reden später darüber.“ Natürlich war nichts in Ordnung und Benjamin wusste das auch, er war schließlich nicht dumm. Doch im Moment konnte er seinem Sohn nichts erklären, es war wichtiger dafür zu sorgen, dass Lily sich wieder aufwärmte.

Im Bad ließ er warmes Wasser in die Wanne. Als diese vollgelaufen war, wandte er sich an seinen Gast. Er wollte sie in ihrem Zustand nur ungern sich selbst überlassen, doch mit Sicherheit wäre ihr seine Anwesenheit unangenehm, während sie badete. „Ich lass dich jetzt allein, ja? Ruf mich, wenn du etwas brauchst.“
Bevor er jedoch Anstalten machen konnte das Badezimmer zu verlassen, griff sie nach seinem Arm. „Bitte bleib da.“
Überrascht sah er sie an. „Ja, wenn du das willst.“
Als sie in die Wanne stieg, starrte er demonstrativ an die Decke. Erst als das Plätschern verstummt war, blickte er sie wieder an. Unter dem Badeschaum ließ sich ihr Körper nicht einmal erahnen.
„Magst du mir nicht sagen, was mit dir los ist?“ begann er zögerlich. „Warum bist du dort draußen im Regen gesessen? Du hättest dir den Tod holen können…“
Lily seufzte hörbar, ihre Stimme war leise. „Ich hatte wieder einen dieser furchtbaren Träume. Jede Nacht fürchte ich mich davor einzuschlafen, weil ich weiß, dass sie zurück kehren. Ich wollte nichts mehr fühlen, die Kälte… sie hat mich vollkommen betäubt, alle meine Gedanken ausgelöscht…“
Erschrocken über diese Worte sah er ihr in die Augen, die seltsam abwesend wirkten, als weilte ihr Geist an einem anderen Ort. „Dir hat jemand weh getan, oder? Du musst nicht mit mir darüber reden, wenn du nicht willst, aber bitte rede mit jemandem darüber, dem du vertraust... dein bester Freund? Deine Schwester? Friss es nur nicht in dich hinein, das macht nichts besser!“
„Nein… Kathy denkt, ich hätte es längst vergessen. Ich will nicht, dass sie sich Sorgen um mich macht. Es ist schon so lange her, ich habe auch nicht mehr daran gedacht, bis…“
„Bis was?“ hackte Wolfgang sofort unwillkürlich nach.
Die dunkelhaarige Frau senkte den Blick. „Bis mein Exfreund vor einigen Wochen auf einmal wieder aufgetaucht ist. Er stand eines Tages vor dem Theater, einfach so. Und ich dachte er hätte sich über die Jahre geändert, ich wollte ihm noch eine Chance geben, weil doch jeder eine zweite Chance verdient, ist es nicht so? Aber ich habe mich geirrt… er hat sich nicht geändert.“
„Was ist geschehen? Hat er…?“
„Er hat mich nicht vergewaltigt, wir waren doch zusammen.“ Sie stockte. „Er hat mich geschlagen… Er wurde wütend, wenn ich zu spät nach Hause gekommen bin, oder etwas vergessen hatte, und dann hat er mich geschlagen. Aber ich habe ihn verlassen, ich bin nach Deutschland gegangen, als mein Engagement hier zu Ende war.“
Wolfgang war erschüttert über das, was er gerade gehört hatte. Wie konnte es ein Mann nur wagen Hand an eine Frau zu legen? Er befürchtete jedoch, dass die nackte Panik, die er bereits in ihren Augen gesehen hatte, nicht nur von Schlägen herrührte. „Lily… hat er dich jemals zum Sex gezwungen?“
Sie antwortete ihm nicht, vermochte nur leicht zu nicken. Nach einer kleinen Weile berichtete sie ihm stockend von jenem Abend, an dem sie viel zu spät nach Hause gekommen war, sowie von der Begegnung im Auto, die die Erinnerung daran wieder geweckt hatte. Stumme Tränen rannen ihre Wangen hinab und in ihrem Inneren fühlte sie sich erleichtert.
Zuletzt geändert von Sisi Silberträne am 17.01.2010, 00:40:41, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Durch das Dunkel der Welt

Beitragvon Mary » 10.01.2010, 18:05:57

Tolles Kapitel! :thumbs: Mehr, mehr, mehr! :wink:
Jetzt ist der Wirsing aber am dampfen!

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Re: Durch das Dunkel der Welt

Beitragvon Gaefa » 10.01.2010, 22:39:01

Wieder ein sehr toller und bewegender Teil!
Toll, dass sich der Kleine doch Sorgen zu machen scheint. Ist das der erste Schritt, dass er sie vielleicht doch akzeptiert?
Wolfgang ist toll und endlich konnte Lily sich alles von der Seele reden. Schön, auch wenn es sehr bedrückend war...
ich bin wie immer sehr gespannt wie es weiter geht!
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