Nach viel zu langer Zeit habe ich mich wieder mal zu einem Update durchgerungen. Viel Spaß, wenns noch wer liest
11. Alle Fragen sind gestellt und alle Phrasen eingeübt Im Haus herrschte zur Abwechslung Ruhe, und das schon seit über einer Viertelstunde. Milady hatte sich beleidigt ins Mädchenzimmer zurückgezogen, während Athos, ebenfalls beleidigt, damit beschäftigt war, alle anderen vehement zu ignorieren. Insbesondere seine beiden Kumpel für den nicht vorhandenen Beistand. Im Burschenzimmer arbeitete der Tod vor seinem Notebook an seinen Memoiren. Das Gerät fand er ungleich praktischer als Feder und Pergament. Schließlich musste auch er als zeitloses Wesen mit der Zeit gehen. Nebenbei hörte er Mozarts kleine Nachtmusik. Inzwischen fing der Frosch, der Favell war, im Regal der Mädels an, sich sehr zu langweilen. Milady hackte hingebungsvoll in ihren Laptop, aber er konnte auf die Entfernung nicht lesen, was sie schrieb. Elphaba indes, saß mit einem dicken Buch im Wohnzimmer auf der Couch, nachdem sie Glinda mühevoll versichert hatte, die pinke Lederjacke aus dem neuen Modekatalog nicht zu brauchen. Diese hatte daraufhin per Handy ein paar andere Freundinnen zum Shopping mobilisiert. Schlurfende Schritte ließen die grüne Hexe ihre Nase aus dem Wälzer heben. Athos stand unschlüssig im Raum, wie bestellt und nicht abgeholt. Er tat ihr sogar fast leid.
"Was liest du denn da?" wollte er wissen, anscheinend als Aufhänger für ein Gespräch.
Elphaba rückte altklug ihre Brille zurecht. "Das Nibelungenlied in der Originalfassung."
"Hm, und die da wäre?"
"Mittelhochdeutsch natürlich!" Sie blätterte auf die erste Seite zurück und begann zu rezidieren. "Uns ist in alten maeren wunders vil geseit. Von helden lobebaeren, von grôzer arebeit, von fröuden, hôchgezîten, von weinen und..."
Athos hob abwehrend die Hand. "Schon gut, das ist mir viel zu hoch. Ich bin ja nur ein dummer unsensibler Klotz."
"Sagt wer?"
Er deutete nur wortlos in Richtung des Stiegenaufgangs in den oberen Stock.
"So schlimm?"
"Schlimmer! Sie hat verdammt noch einmal recht." Der Musketier seufzte tief. "Sag, Elphaba, habt ihr wirklich was miteinander?"
Die Hexe brach in Gelächter aus, bis sie einige Augenblicke später ihre Contenance wiederfand. "Glaubst du das denn?"
"Bei der Frau wundert mich gar nichts mehr.
"Wir waren wohl recht überzeugend. Ihr hättet allesamt eure Gesichter sehen sollen, zum Schießen! Dabei wollten wir nur Favell eins auswischen."
Athos setzte einen ausgesprochen bedröppelten Gesichtsausdruck auf. "Wie fies, uns so in die Irre zu führen! Apropos, willst du den armen Kerl nicht langsam zurück verwandeln?"
Sie nickte und holte ihren Zauberstab hervor. Dem eleganten Schwung folgte unmittelbar ein lautes Poltern im Obergeschoss, sowie ein erschrockenes Kreischen Miladys. Im nächsten Moment kam Favell wie wie von der Hornisse gestochen die Stufen nach unten gestürzt.
"Hilfe! Das Weib ist völlig wahnsinnig, die will mich umbringen!"
"Elender Spanner!!" brüllte die Französin ihm von oben hinterher.
Athos setzte einen wissenden, aber wenig mitleidigen Gesichtsausdruck auf. "Sie war schon immer sehr temperamentvoll. Du solltest dich nach zahmeren Exemplaren umsehen, Junge."
"Ich würde die Höll' nicht heiraten, wäre sie das letzte Weib auf der Welt", schnaubte der Engländer, dessen Ego mittlerweile empfindlich angekratzt war. Damit war das Thema für ihn erledigt und er stolzierte ins kleine untere Bad, um sein Erscheinungsbild zu überprüfen. Nach oben traute er sich im Moment nicht mehr.
In der Küche lasen Porthos und Aramis die Zeitung, zumindest tat der zweite dies recht interessiert. Der erste interessierte sich mehr für den Inhalt des Eiskastens. Aramis studierte die Politik sowie die Chronik, überflog den Gesellschaftsteil und informierte sich über die neuesten Sportergebnisse, bis er zur Kulturseite kam, welche auf die neuesten und die empfehlenswertesten Bühnenwerke hinwies.
"Erfolgreiche Premiere", las er laut vor. "Das Musical 'Sugar' mit der unvergleichlichen Lilli Vanessi in der Titelrolle."
"Lilli Vanessi??" echote Porthos. "Haben wir die nicht in Paris als Titania im Sommernachtstraum gesehen? Was für ein Weib! Ich habe Nächte lang von ihr geträumt, hach ja."
"Stopp! Deine perversen Träume behalte gefälligst für dich!"
"He, die waren nicht pervers!"
"Hatte sie etwas an?"
"Na ja, genau genommen nicht wirklich..."
"PERVERS!!"
"Du bist bloß neidisch", gab Porthos feixend zurück. "Ich will das Stück sehen, besorgen wir Karten. Und Athos nehmen wir mit, dann kommt er auf andere Gedanken."
"Ich bin dabei", er fischte rasch sein Handy aus der Hosentasche. "Und nachher gehen wir zum Bühnentürl."
"Mach dir keine Hoffnungen. Sie wird dich nicht bemerken, wenn ich daneben stehe."
"Was ja wohl an deiner Leibesfülle liegt." Aramis piekte ihm in den Rettungsring unter seinem Hemd.
"Wer wird dich nicht bemerken?" fragte da Athos, der eben zur Tür herein gekommen war.
Der dickliche Musketier hob die Brauen. "Ach? Ist der Herr fertig mit Schmollen?"
Der Angesprochene ging nicht darauf ein, sondern ließ sich von Aramis in die Sache einweihen. Da auch er sofort Feuer und Flamme war, wurden für den Abend drei Karten gebucht.
"Dass ihr dann nicht enttäuscht seid, Jungs, wenn sie nur Augen für mich hat", stellte er anschließend fest.
"Davon träumst du! Eine solche Braut hat höhere Ansprüche", widersprach Porthos siegessicher.
Aramis schüttelte ungläubig den Kopf. "Dann scheidest du ja schon aus. Das ist eine Schauspielerin, da braucht es einen Mann von Bildung."
"Der du wärst? Ha!"
"Wer sonst! Du etwa? Guter Witz. Hundert Euro, dass sie mit mir etwas trinken geht. Wir werden dann eine anregende Konversation führen."
Porthos brach daraufhin in Gelächter aus. "Hundert dagegen. Von Bildung wird man nicht satt und Liebe geht durch den Magen, das weiß doch jeder. Bis auf dich offenbar."
"Schwachfug! Leidenschaft schlägt beides und davon habe ich mehr als ihr beide zusammen", triumphierte Athos. "Der Hunderter gehört so gut wie mir, ihr habt gar keine Chance!"
Die drei Männer besiegelten ihre Wette mit Handschlag. Und das Objekt der Begierde ahnte freilich noch nichts von dem zweifelhaften Glück. Sonst wäre Lilli Vanessi gewiss in den nächsten Zug geradewegs aus der Stadt gestiegen.
Da sich Favell inzwischen im Wohnzimmer breit machte und die Füße auf dem gläsernen Couchtisch platzierte, schnappte sich Elphaba ihren Wälzer, um oben weiter zu lesen. Milady war immer noch an ihrem Laptop zu Gange. Sie bemerkte die Hexe, die sich leise wie ein Uhu bewegen konnte, erst als sie direkt hintet ihr stand.
"So so, AimeedelaLune", bemerkte Elphaba mit einem prüfenden Blick auf das Messengerfenster am Bildschirm. "Wer ist DouceCanaille?"
"Oh äh, nur eine Freundin. Catharine. Wieso?"
"Weil ich mich gerade frage, ob du so allen deinen Freundinnen schreibst."
Eine leichte Röte überzog Miladys Wangen. "Ich weiß überhaupt nicht, was du meinst."
"Du fehlst mir, Süße, wie lange haben wir uns nicht gesehen?" las die Hexe laut vor.
"Und? Das ist ja auch die Wahrheit."
"Nun ja, ich würde so Fiyero schreiben."
"Aber du nennst ihn hoffentlich nicht Süße?"
Elphaba patschte sich mit der flachen Hand an die Stirn. "Natürlich nicht!"
Unversehends waren die Rollen vertauscht und Milady fragte ihre Zimmergenossin hartnäckig über den Kosenamen aus. Diese begriff erst kurze Zeit darauf, dass sie einem cleveren Ablenkungsmanöver auf den Leim gegangen war. Jedenfalls würde sie den Teufel tun, ihr zu verraten, dass sie Fiyero manchmal Zuckerstück nannte. Das Blinken in der Taskleiste kam ihr gerade recht.
"Ich glaube, DouceCanaille will was von dir."
"Bitte? Wie kommst du... sie will NICHTS von mir!"
"Was du schon wieder denkst."
"Du hast es doch gesagt!"
"Ich weiß, was ich gesagt habe, aber ich kann nichts für das, was du denkst!"
"Cogito ergo sum."
"DU kannst Latein??"
"Du verstehst das??"
"Hallo? Ich verstehe sogar Mittelhochdeutsch."
"Mittelwas? Du solltest weniger Bücher lesen und mehr ausgehen."
"Hör auf wie Glinda zu reden! Eine von der Sorte reicht mir."
"Pfff, zauber mir doch die Stimme weg!"
"Provozier es lieber nicht hinaus."
"Ich habe ja solche Angst!"
"DouceCanaille wird dich schon trösten."
"Okay, noch einmal langsam zum mitdenken. Das ist NUR EINE Freundin! Ich habe NICHTS mit ihr am Laufen! NADA, NIENTE!"
Sogar dreisprachig, Elphaba war schwerst beeindruckt. Sie beschloss ihre Mitbewohnerin ein bisschen auszutesten und nahm ihr Tablet mit, als sie wieder nach unten ging. Im Wohnzimmer angelangt, startete sie die Messenger App und schickte Milady eine Kontaktanfrage. Jedoch nicht ohne zuvor ihren Namen von MagicCabbage auf HotLadyinblack zu ändern.