Re: Mich trägt mein Traum
Verfasst: 08.03.2015, 13:53:37
So, jetzt habe ich euch aber lange warten lassen! Ja, das mit der Probenzeit wusste ich erst nicht, ich hab mir das so ausgedacht, dass man für ein Musical in etwa so lange braucht, aber kurz drauf hab ich auch gelesen, dass das Ganze viel, viel schneller wird! Trotzdem werde ich es wohl dabei belassen... Aber danke, dass ihr mich korrigiert habt!
Ich sah Liam schon im ersten Akt. Er saß in der fünften Reihe am Rand und reckte mir mit einem riesigen Grinsen den Daumen entgegen, als ich an ihm vorbei und zurück in den Backstage-Bereich lief. Dass er mir nicht gesagt hatte, dass er kommen würde, ließ schon erahnen, dass etwas wichtiges passiert war. Sein Grinsen jedenfalls sagte das ausdrücklich. In der Pause wurde ich ganz kribbelig, ich wagte sogar den verbotenen Blick aufs Handy. Aber er hatte mir nichts geschrieben, und so blieb mir nichts anderes übrig, als weiter zu spielen und mir böse Blicke ins dunkle Publikum zu verkneifen. Nach der Show aber konnte mich nichts mehr davon abhalten, so schnell wie möglich ins Foyer zu laufen und ihn dort ausfindig zu machen. Wir war nämlich eingefallen, wie immer natürlich mitten in der Show, dass das Ergebnis seiner Miss Saigon-Audition schon mehr als überfällig war. Und sein Grinsen konnte ja nur bedeuten… Ich schlich mich unauffällig durch die Besucher, die heute zum Glück genügsam waren und größtenteils schon an der Garderobe anstanden. Liam aber wartete an der kleinen Bar und stand, kaum dass er mich sah, auf und küsste mich so leidenschaftlich wie schon lange nicht mehr.
„Hallo“, sagte ich ein wenig verdutzt und nahm das Cocktailglas entgegen, das er mir hinhielt. „Los, raus damit“, sagte ich. „Was ist los?“ Seine gute Laune steckte mich an, aber ein Rest Angst blieb. „Du hast eine Audition gewonnen?“
Er nickte stolz, und ich musste mich bemühen, nicht in Tränen auszubrechen.
„Miss Saigon, stimmt’s? Liam, das ist… große Klasse, auf jeden Fall!“
Er runzelte die Stirn. „Nein, eigentlich geht es um Jekyll&Hyde“, korrigierte er. Ich starrte ihn ungläubig an. „Die Audition, die wir letztens noch zusammen rausgesucht haben? Aber – du bist doch nicht etwa –“
Er nickte und grinste wieder vom einen Ohr zum anderen. Ich konnte mir ein aufgeregtes und zugegebenermaßen ziemlich mädchenhaftes Quieken nicht verkneifen.
„Jekyll und Hyde!“ Ich fiel ihm um den Hals. „Ich fasse es nicht. – Moment, wo war das noch mal?“
„Filderstadt“, antwortete er. Ich runzelte die Stirn.
„Wir haben aber auch kein Glück, was? – Aber besser als London. Ich will ja nicht beleidigend sein, aber ich bin wirklich froh, dass sie dich nicht genommen haben.“
„Na ja.“ Er schob die Hände in die Hosentaschen. „Genommen haben sie mich schon.“
Ich sah ihn fragend an.
„Schon vor der Audition für Jekyll und Hyde.“
Ich war irritiert. „Und du hast abgesagt?“
Er nickte. „Ja. Ich hab mich für Jekyll echt ins Zeug gelegt.“
„Liam!“, sagte ich vorwurfsvoll. „Das war aber ziemlich wagemutig von dir! Miss Saigon einfach abzusagen, für den Fall, du würdest Jekyll werden. Was, wenn du nun nicht im Ensemble wärst?“
„Nun“, sagte er gedehnt, „ehrlich gesagt habe ich Miss Saigon nicht für Jekyll abgesagt.“ Er trat näher und legte die Arme um mich. „Ich dachte, du findest London eigentlich viel zu weit, oder?“
Ich brachte erst einmal kein Wort heraus. Bestimmt eine Minute lang stand ich da, starrte gegen den Kragen seines karierten Hemdes und hörte den Zahnrädern zu, die sich laut klappernd in meinem Kopf drehten und langsam alles zusammenfügten. Und sich dabei rosarot färbten.
„Du… hast Miss Saigon abgesagt… für… mich?“
„Für uns“, korrigierte er, immer noch bemerkenswert ruhig. „Ich vermisse dich sowieso schon oft genug“, sagte er leiser, „also wäre London vermutlich keine gute Idee gewesen.“
In diesem Moment kam mir eine irre Frage, so plötzlich, dass ich davor erschrak und nicht wusste, was ich davon halten sollte: ob Liam mich wohl irgendwann mal fragen würde, ob ich ihn heiraten sollte? Ich musste kichern. Er schob mich von sich.
„Was ist los?“
„Ach, nichts.“ Ich biss mir auf die Lippe. „Das war wirklich… nett von dir. – Einmalig nett sogar, sehr… toll.“ Es war mir peinlich, aber ich fand nicht die richtigen Worte. Die, die meine Rührung ausdrückten und gleichzeitig nicht zu platt klangen. Also legte ich einfach die Arme um ihn und küsste ihn noch einmal.
„Aber – Liam, London! Deine Heimatstadt! Das West End!“ Irgendein seltsamer Zwang befiel mich; ich konnte gar nicht anders, als ihm seine Entscheidung quasi vorzuwerfen, obwohl ich sie doch guthieß.
„Weil es meine Heimatstadt ist, kann ich jederzeit hin“, widersprach er und gab mir mein Cocktailglas, das ich auf dem Tresen abgestellt hatte. „Na los. Ich bin mit dem Auto da, ich bin gerast wie der Teufel, um noch rechtzeitig reinzukommen. Und die Eintrittspreise werden auch nicht billiger! Du warst übrigens sehr, sehr gut heute Abend!“
Wie erwartet ging meine letzte Zeit bei den Vampiren schnell vorbei. Ich verbrachte die Vormittage damit, meine Texte zu lernen, und oft nutzte ich die Zeit, um Linda gleichzeitig einige Stücke aus Elisabeth nahe zu bringen. Sie blätterte geradezu ehrfürchtig durch mein Textbuch und war gleichzeitig ziemlich traurig darüber, dass ich schon so bald verschwinden würde.
„Damit hatte ich wirklich nicht gerechnet“, seufzte sie. „Was soll ich nur ohne dich machen, Anouk?“
„Bald sehen wir uns ja wieder“, tröstete ich sie. Mitte Dezember war sie zu einem Vorsingen an der Folkwang in Essen, und ich hatte ihr versprochen, sie zu begleiten.
„Trotzdem“, murrte sie. „So gut wie du wird mich niemand unterrichten können!“
„Ich lade dich zur Premiere ein!“, versprach ich. „Halt dir also schon mal den neunten April frei.“
„Mache ich! Wirklich!“ Sie hatte schon jetzt Tränen in den Augen, und ich ahnte, dass diese Trennung keine leichte werden würde.
„Du schaffst das schon!“, munterte ich sie auf. „Du bist wirklich gut! Und wer kann schon behaupten, schon mal bei den Vampiren gespielt zu haben, als Magda – ohne Ausbildung?“
Sie lächelte. „Stimmt. Das wird vermutlich ein großer Vorteil sein.“
Am nächsten Tag wurde die gesamte Cast auf der Elisabeth-Homepage öffentlich gemacht. Noch im Bett war es das erste, was ich am Morgen machte: die Seite checken. Da stand es, schwarz auf gold-braunem Hintergrund:
Elisabeth, Kaiserin von Österreich: Anouk Steger
Ich machte einen Screenshot und verschickte ihn mit einem Jubelsmiley an sämtliche Freunde. Anschließend las ich mir noch die Biografie durch, die neben einem ziemlich veralteten Foto von mir stand: Anouk Steger, 23, absolvierte ihre Ausbildung an der Music&Art Academy in Hannover. Schon während der Schulzeit wirkte sie als Ich im Musical Rebecca für knapp zwei Monate mit; nach erfolgreichem Abschluss folgten Engagements in Sweeney Todd (Johanna) und Marilyn (Norma). Anschließend trat sie im großen Comeback von Tanz der Vampire (bis Mai im Theater des Westens) mit und wechselte ein halbes Jahr später vom Ensemble/ Cover Sarah in die Hauptrolle (Sarah). Elisabeth ist ihr viertes und größtes Engagements.
Der letzte Satz klang zwischen den Zeilen ein wenig besitzergreifend, aber ich sah gnädig darüber hinweg und beschloss seufzend, mich weiter mit der Wohnungssuche zu beschäftigen. Schließlich wollte ich, bei aller Liebe, nicht bei meiner Mutter wohnen!
P.S.: Die anderen Darsteller werden bald auch bekanntgegeben, mir fallen grad nicht genügend Namen ein...
Ich sah Liam schon im ersten Akt. Er saß in der fünften Reihe am Rand und reckte mir mit einem riesigen Grinsen den Daumen entgegen, als ich an ihm vorbei und zurück in den Backstage-Bereich lief. Dass er mir nicht gesagt hatte, dass er kommen würde, ließ schon erahnen, dass etwas wichtiges passiert war. Sein Grinsen jedenfalls sagte das ausdrücklich. In der Pause wurde ich ganz kribbelig, ich wagte sogar den verbotenen Blick aufs Handy. Aber er hatte mir nichts geschrieben, und so blieb mir nichts anderes übrig, als weiter zu spielen und mir böse Blicke ins dunkle Publikum zu verkneifen. Nach der Show aber konnte mich nichts mehr davon abhalten, so schnell wie möglich ins Foyer zu laufen und ihn dort ausfindig zu machen. Wir war nämlich eingefallen, wie immer natürlich mitten in der Show, dass das Ergebnis seiner Miss Saigon-Audition schon mehr als überfällig war. Und sein Grinsen konnte ja nur bedeuten… Ich schlich mich unauffällig durch die Besucher, die heute zum Glück genügsam waren und größtenteils schon an der Garderobe anstanden. Liam aber wartete an der kleinen Bar und stand, kaum dass er mich sah, auf und küsste mich so leidenschaftlich wie schon lange nicht mehr.
„Hallo“, sagte ich ein wenig verdutzt und nahm das Cocktailglas entgegen, das er mir hinhielt. „Los, raus damit“, sagte ich. „Was ist los?“ Seine gute Laune steckte mich an, aber ein Rest Angst blieb. „Du hast eine Audition gewonnen?“
Er nickte stolz, und ich musste mich bemühen, nicht in Tränen auszubrechen.
„Miss Saigon, stimmt’s? Liam, das ist… große Klasse, auf jeden Fall!“
Er runzelte die Stirn. „Nein, eigentlich geht es um Jekyll&Hyde“, korrigierte er. Ich starrte ihn ungläubig an. „Die Audition, die wir letztens noch zusammen rausgesucht haben? Aber – du bist doch nicht etwa –“
Er nickte und grinste wieder vom einen Ohr zum anderen. Ich konnte mir ein aufgeregtes und zugegebenermaßen ziemlich mädchenhaftes Quieken nicht verkneifen.
„Jekyll und Hyde!“ Ich fiel ihm um den Hals. „Ich fasse es nicht. – Moment, wo war das noch mal?“
„Filderstadt“, antwortete er. Ich runzelte die Stirn.
„Wir haben aber auch kein Glück, was? – Aber besser als London. Ich will ja nicht beleidigend sein, aber ich bin wirklich froh, dass sie dich nicht genommen haben.“
„Na ja.“ Er schob die Hände in die Hosentaschen. „Genommen haben sie mich schon.“
Ich sah ihn fragend an.
„Schon vor der Audition für Jekyll und Hyde.“
Ich war irritiert. „Und du hast abgesagt?“
Er nickte. „Ja. Ich hab mich für Jekyll echt ins Zeug gelegt.“
„Liam!“, sagte ich vorwurfsvoll. „Das war aber ziemlich wagemutig von dir! Miss Saigon einfach abzusagen, für den Fall, du würdest Jekyll werden. Was, wenn du nun nicht im Ensemble wärst?“
„Nun“, sagte er gedehnt, „ehrlich gesagt habe ich Miss Saigon nicht für Jekyll abgesagt.“ Er trat näher und legte die Arme um mich. „Ich dachte, du findest London eigentlich viel zu weit, oder?“
Ich brachte erst einmal kein Wort heraus. Bestimmt eine Minute lang stand ich da, starrte gegen den Kragen seines karierten Hemdes und hörte den Zahnrädern zu, die sich laut klappernd in meinem Kopf drehten und langsam alles zusammenfügten. Und sich dabei rosarot färbten.
„Du… hast Miss Saigon abgesagt… für… mich?“
„Für uns“, korrigierte er, immer noch bemerkenswert ruhig. „Ich vermisse dich sowieso schon oft genug“, sagte er leiser, „also wäre London vermutlich keine gute Idee gewesen.“
In diesem Moment kam mir eine irre Frage, so plötzlich, dass ich davor erschrak und nicht wusste, was ich davon halten sollte: ob Liam mich wohl irgendwann mal fragen würde, ob ich ihn heiraten sollte? Ich musste kichern. Er schob mich von sich.
„Was ist los?“
„Ach, nichts.“ Ich biss mir auf die Lippe. „Das war wirklich… nett von dir. – Einmalig nett sogar, sehr… toll.“ Es war mir peinlich, aber ich fand nicht die richtigen Worte. Die, die meine Rührung ausdrückten und gleichzeitig nicht zu platt klangen. Also legte ich einfach die Arme um ihn und küsste ihn noch einmal.
„Aber – Liam, London! Deine Heimatstadt! Das West End!“ Irgendein seltsamer Zwang befiel mich; ich konnte gar nicht anders, als ihm seine Entscheidung quasi vorzuwerfen, obwohl ich sie doch guthieß.
„Weil es meine Heimatstadt ist, kann ich jederzeit hin“, widersprach er und gab mir mein Cocktailglas, das ich auf dem Tresen abgestellt hatte. „Na los. Ich bin mit dem Auto da, ich bin gerast wie der Teufel, um noch rechtzeitig reinzukommen. Und die Eintrittspreise werden auch nicht billiger! Du warst übrigens sehr, sehr gut heute Abend!“
Wie erwartet ging meine letzte Zeit bei den Vampiren schnell vorbei. Ich verbrachte die Vormittage damit, meine Texte zu lernen, und oft nutzte ich die Zeit, um Linda gleichzeitig einige Stücke aus Elisabeth nahe zu bringen. Sie blätterte geradezu ehrfürchtig durch mein Textbuch und war gleichzeitig ziemlich traurig darüber, dass ich schon so bald verschwinden würde.
„Damit hatte ich wirklich nicht gerechnet“, seufzte sie. „Was soll ich nur ohne dich machen, Anouk?“
„Bald sehen wir uns ja wieder“, tröstete ich sie. Mitte Dezember war sie zu einem Vorsingen an der Folkwang in Essen, und ich hatte ihr versprochen, sie zu begleiten.
„Trotzdem“, murrte sie. „So gut wie du wird mich niemand unterrichten können!“
„Ich lade dich zur Premiere ein!“, versprach ich. „Halt dir also schon mal den neunten April frei.“
„Mache ich! Wirklich!“ Sie hatte schon jetzt Tränen in den Augen, und ich ahnte, dass diese Trennung keine leichte werden würde.
„Du schaffst das schon!“, munterte ich sie auf. „Du bist wirklich gut! Und wer kann schon behaupten, schon mal bei den Vampiren gespielt zu haben, als Magda – ohne Ausbildung?“
Sie lächelte. „Stimmt. Das wird vermutlich ein großer Vorteil sein.“
Am nächsten Tag wurde die gesamte Cast auf der Elisabeth-Homepage öffentlich gemacht. Noch im Bett war es das erste, was ich am Morgen machte: die Seite checken. Da stand es, schwarz auf gold-braunem Hintergrund:
Elisabeth, Kaiserin von Österreich: Anouk Steger
Ich machte einen Screenshot und verschickte ihn mit einem Jubelsmiley an sämtliche Freunde. Anschließend las ich mir noch die Biografie durch, die neben einem ziemlich veralteten Foto von mir stand: Anouk Steger, 23, absolvierte ihre Ausbildung an der Music&Art Academy in Hannover. Schon während der Schulzeit wirkte sie als Ich im Musical Rebecca für knapp zwei Monate mit; nach erfolgreichem Abschluss folgten Engagements in Sweeney Todd (Johanna) und Marilyn (Norma). Anschließend trat sie im großen Comeback von Tanz der Vampire (bis Mai im Theater des Westens) mit und wechselte ein halbes Jahr später vom Ensemble/ Cover Sarah in die Hauptrolle (Sarah). Elisabeth ist ihr viertes und größtes Engagements.
Der letzte Satz klang zwischen den Zeilen ein wenig besitzergreifend, aber ich sah gnädig darüber hinweg und beschloss seufzend, mich weiter mit der Wohnungssuche zu beschäftigen. Schließlich wollte ich, bei aller Liebe, nicht bei meiner Mutter wohnen!
P.S.: Die anderen Darsteller werden bald auch bekanntgegeben, mir fallen grad nicht genügend Namen ein...