Danke für eure beiden Kommentare Hier nun die Fortsetzung, viel Spaß damit.
würde mich übrigens auch über noch mehr Kommis freuen Nur eine Stunde nach unserem Telefonat rauschte Jan in mein Krankenhauszimmer und musterte mich besorgt. „Alles klar? Geht’s dir schon besser?“
Ich lächelte über seinen besorgten Tonfall. „Alles in Ordnung. Ich kann mich nicht so genau an gestern Abend erinnern, der Arzt meint, das ist wegen der Gehirnerschütterung. Das Einzige, was mich wirklich fertig macht, ist nicht zu wissen, ob ich während der Laufzeit nochmal Elisabeth spielen kann“, gab ich zu.
Jan ließ sich erleichtert auf die Bettkante fallen.
„Das ist gut – wenn du dir Sorgen um deine Arbeit machst, kann’s nicht so schlimm sein. Apropos Arbeit, ich hab beim Theater schon Bescheid gegeben. Diana übernimmt nächste Woche deine Shows zusätzlich, in der Zeit haben Martin und ich eine Menge Zusatzproben mit einem Swing aus dem Ensemble, die dann als Dianas Zweitbesetzung nachrückt, bis du wieder fit bist.“
Ich runzelte besorgt die Stirn. „Klingt nicht, als würde irgendwer glauben, dass ich nochmal spiele.“ Jan drückte mir beruhigend die Hand. „Nimm’s nicht so schwer, Lia. Vielleicht erholst du dich ja noch rechtzeitig zur Dernière. Aber erst mal ist deine Gesundheit wichtiger. Kurier dich richtig aus, dann kannst du in deinem Leben noch oft die Elisabeth spielen. Wenn du es jetzt überstürzt, musst du danach vielleicht ganz aufhören.“
Ich nickte nachdenklich und bewunderte gleichzeitig Jans Menschenkenntnis. Er wusste genau, dass ich, wenn er mich nicht genügend abschreckte, schon morgen wieder auf der Bühne stehen würde. Aber die indirekte Drohung, nie wieder als Musicaldarstellerin arbeiten zu können, erschreckte mich. Auch wenn sie bestimmt übertrieben war, wollte ich kein Risiko eingehen.
„Ich hoffe, ich habe dich nicht bei irgendwas gestört, als ich dich vorhin so plötzlich herzitiert habe“, wechselte ich das Thema. Bei unserem Telefongespräch war mir Yvonnes Stimme im Hintergrund aufgefallen. Sie hatte geklungen, als wäre sie enttäuscht und genervt…
Aber Jan schüttelte den Kopf. „Halb so wild. Nichts, was man nicht nachholen könnte.“
Das wunderte mich. Soweit ich mich erinnern konnte, hatte ich Jan seit Beginn unserer Freundschaft nie etwas verschwiegen, und er mir auch nicht. Doch das Streitgespräch mit Yvonne schien er mir nicht erzählen zu wollen. In mir stieg Eifersucht auf, die ich schnell unterdrückte. Jan war schließlich nicht verpflichtet, mir irgendetwas zu erzählen. Seine Beziehung war seine Sache – und möglicherweise hatte ich mich ja auch einfach geirrt.
„Mal was anderes“, fuhr Jan fort, „soll ich dir eigentlich noch irgendwas ins Krankenhaus bringen? Wäsche, Zahnbürste…?“ „Danke, dass du an so was denkst“, erwiderte ich mit einem Lächeln. „Ich hätte das glatt vergessen. Ich hab keine Ahnung, wie lang ich bleiben soll, aber zumindest ‘ne Zahnbürste wäre nicht schlecht. Kann ich dir meinen Hausschlüssel mitgeben, damit du paar Sachen holst?“
„Klar.“ Jan erhob sich und nahm meinen Hausschlüssel entgegen. „Kein Thema. Ich geh am besten gleich, damit du die Sachen heute noch kriegst…“ Sein Blick wanderte zur Tür. „Ich glaube, dich will sowieso noch jemand sprechen.“
Ich folgte seinem Blick und sah in der Tür zwei Polizeibeamte stehen – wahrscheinlich wollten sie alles über den Überfall wissen. Jan gab mir ein Küsschen auf die Wange und ging hinaus.
Die Befragung durch die Beamten dauerte nicht lange. Sie schienen enttäuscht, dass ich mich an das meiste nicht erinnern konnte, machten aber auch den Eindruck, als wären sie darauf gefasst gewesen. Wahrscheinlich hatte Dr. Neumeier oder ein anderer Arzt sie vorgewarnt.
„Vielen Dank für das Gespräch“, sagte einer von ihnen schließlich. „Falls Ihnen noch etwas einfällt, melden Sie sich bitte bei uns.“
Ich nickte und versuchte nicht zu grinsen. Das war ja wie im Krimi.
Als die beiden Polizisten die Tür hinter sich geschlossen hatten, ließ ich mich auf mein Kissen zurückfallen, drehte mich auf die Seite – und setzte mich abrupt wieder auf, als mein Blick auf eine Gestalt in langem, schwarzem Mantel fiel.
Ich zog die Augenbrauen hoch. „Du hast doch wohl nicht beschlossen, mal dein Bühnenoutfit zu tragen? Um mich zu erinnern, dass ich so schnell nicht wieder auf die Bühne darf? Schönen Dank auch.“
Er schüttelte amüsiert den Kopf. „Nein, Lia.“ Meinen Namen sprach er sehr betont aus, als müsste er sich daran erinnern, mich nicht
Elisabeth zu nennen. „Ich habe beschlossen, dir mal wieder im Bühnenoutfit zu
erscheinen. Und zwar nicht, um dich an die Bühne zu erinnern, sondern weil das Schwarz meine Augen betont.“
Besagte schwarze Augen glitzerten bei den letzten Worten vor Spott, sodass ich fast sicher war, dass er log. Natürlich hatte er mich an die Bühne erinnern wollen. Oder vielleicht hatte er sich auch einfach gar nichts dabei gedacht… Allerdings war die Ausrede gut. Der samtschwarze Mantel betonte seine tiefen, dunklen Augen tatsächlich.
Amüsiert hob ich die Augenbrauen. „Und was sollte den Tod wohl veranlassen, in meiner Nähe etwas zu tragen, das
seine Augen betont?“
Er lachte, nicht im Mindesten verlegen. „Sehr gut, Lia. Ein Punkt geht an dich. Aber wir wissen ja beide, dass du deiner Bühne nicht allzu lange fernbleiben wirst – egal, was die Ärzte sagen.“
Ich funkelte ihn an. „Benimm dich nicht so großkotzig. Ohne dich hätte ich überhaupt keinen Grund, der Bühne fernzubleiben. Hätte ich sicher sein können, dass ich in meiner Wohnung allein bleiben kann, wäre ich überhaupt niemals in der Nacht nach draußen gegangen.“
Er erwiderte meinen wütenden Blick, ohne auch nur zu blinzeln. „Das ist gelogen.“
Einen Moment lang fochten wir einen stummen Kampf mit unseren Blicken aus, dann war ich diejenige, die die Augen senkte. Er hatte Recht. Ich war nach draußen gegangen, um einen freien Kopf zu bekommen, nachdem das Theater meinen Vertrag nicht verlängert hatte. Es war nicht seine Schuld.
„Allerdings“, hob er mit leiser Stimme an, „muss ich zugeben, dass ich auch nicht ganz unschuldig bin. Ich habe diesen Mann in den Park gelenkt, als du dort warst – ich wollte dich zu mir holen.“ Unvermittelt nahm seine Stimme einen bitteren Klang an. „Leider willst du noch nicht sterben – und du bist zu jung und zu gesund, als dass ich dich zwingen könnte.“
Ich sah auf. Sein Blick war wütend und eiskalt auf die Wand gegenüber gerichtet.
„Warum willst du mich zwingen?“, fragte ich. „Die Jahre, bis ich wieder sterbe, sind für dich doch eine kurze Zeit. Warum wartest du nicht einfach?“
Überrascht registrierte ich, dass sich in die Wut in seinen schwarzen Augen eine unaussprechliche Trauer mischte. Er sagte lange nichts, bevor er antwortete: „Ich vermisse dich zu sehr.“
Lange Zeit wusste ich nicht, was ich sage sollte. Abwesend fuhr ich mit den Fingern die Falten in meiner Bettdecke nach.
Ohne ihn anzusehen, antwortete ich schließlich: „Warte lieber. Wenn ich zu dir komme, weil ich es möchte, bleibe ich doch viel lieber, als wenn du mich zwingst. Woher willst du sonst wissen, dass ich dir nicht wieder davonlaufe?“
Er schwieg.
Ich hob den Blick und sah, dass er fort war. Ich wusste nicht, ob er meine Antwort noch gehört hatte.
Eine Sekunde später klopfte es leise und Jan trat ein, über der Schulter eine Tasche mit meinen Sachen.
„Hi“, begrüßte er mich und ließ den Blick verwundert durch das Zimmer schweifen. „Mit wem hast du gesprochen?“