Der Schuh des Manitu, 10.8.2013, 15.00 Uhr

Wie gefiel euch eine Vorstellung und was würdet ihr kritisieren?

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serena
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Der Schuh des Manitu, 10.8.2013, 15.00 Uhr

Beitragvon serena » 11.08.2013, 22:11:09

Der Schuh des Manitu
Tecklenburg – Samstag, 10.8.2013, 15.00 Uhr


Fazit, besonders für alle, die unterhaltsame, spaßige Musicals mögen und dieses Jahr noch nicht in Tecklenburg waren: Geht hin, solange es noch Vorstellungen (und Karten) gibt!

Die Show ist einfach nur spitze! Mir persönlich gefällt sie noch besser als in Berlin.
Einige Aspekte wurden weggelassen, so gibt es keine Draisinenfahrt der Schoschonen, auch der Esel „Apollo 13“ taucht nicht auf, und das Lebkuchenherz-Lied gibt es lediglich (?) als Zugabe – aber das macht nichts. Ganz im Gegenteil: Die Inszenierung ist in sich rund, alles passt, man vermisst nichts. Der Spielfluss ist da, die Spielfreude der Darsteller auch, die Reihenfolgen der Szenen (hier ist „Ich trinke Ouzo“ das Ende des ersten Aktes, die Saloon-Schlägerei gab´s vorher) sind logisch. Es passt einfach alles!

Die Idee, den jungen Karl May das Stück beginnen, enden und begleiten zu lassen, gibt eine andere Rahmenhandlung. Daraus entstehen interessante Aspekte, wie, wenn z.B. er den Apachen-Pub umschubst. Eine schöne Idee.
Besonders stark gegenüber der Berliener Fassung sind zwei Aspekte gelungen: In Tecklenburg ist am Ende des zweiten Aktes das Verhältnis zwischen Hombre und Winnetouch klarer dargestellt. Und auch die zahlreichen Wortwitze erfahren eine viel deutlichere Akzentuierung. Natürlich wurden sie der Tecklenburger Produktion angepasst, wo es nötig/möglich war. So weist Abahachi stolz darauf hin, dass der Apachen-Pub, der oben rechts über dem Burgtor steht, voll unterkellert sei. Ranger (Alexander Klaws) wird zum „Tarzan für Arme“, Uschi´s (Femke Soetenga) Vater war ein „hölländischer Holzschuhschnitzer“. Aber allein die deutlichen Betonungen und Spielweisen der Darsteller, die allesamt ohne Dialekte sprechen, führen dazu, dass alle Witze und Pointen klar rüber kommen. Da verfehlt keine einzige ihre Wirkung. Sogar das Billigbeil von „Tschiiiieboo“ und „Ah-die-das“ Schuh des Manitu im schönsten Schoschonisch waren gut zu verstehen. Na dann auf zum Hoppe-Hüh!

Mit viel Witz zum Publikumsliebling avancierte Dimitri, der auf der Suche nach den „Ohren-Spitz“ sogar über die Reihen im Publikum kletterte. Dabei mustse sich eine Dame die Reaktion gefallen lassen, wo sie denn die ganze Zeit gewesen sei, als sie die Antwort nicht wusste. Seine Frage an alle war dann, ob wir wüssten wie lange es dauert, wenn er bei so vielen bis ganz nach hinten klettern müsse, um eine Antwort zu bekommen. Immerhin war „der ganze Laden voll-rammel“. Schön war auch das Gespräch mit einer anderen Dame: „Ist das ihr Mann-Ehe? Nein. Oh, dann ist das ihre Haber-Lieb?“ Unterwegs meinte er noch: „Oh, da ist ihre Korb-Picknick, auch schön.“ Da hatte wohl jemand nicht auf die Bitte des Intendanten gehört, Taschen unter den Bänken zu verstauen...

Viele lustige Kleinigkeiten gab´s auf der Bühne immer wieder zu entdecken. Bei den Indianern fährt einer Fahrrad und trägt hinten auf der Weste das Posthorn. Unter den weiblichen Indiandern sehen 2 „Brillenschlangen“ sehr schön „dämlich“ aus. Dann trinken Griechen inklusive des Geistlichen bei Hochzeiten Ouzo.
Die Polizeikontrolle erntet beim Betreten der Bühne bereits Lacher, weil das kleine Fahrrad mit Wohnwagen (Kennzeichen: TE 2013!) und dem Fahrer mit riesigen, gelben Holzschuhen einfach zu komisch aussieht. Der holländische Akzent in der Sprache krönt diese Szene.
Der Dirigent muss auch dazu herhalten, ein Schild mit einer Übersetzung des Schoschonisch hoch zu halten. Die Übersetzungen handelten sich auch so einige Lacher ein, naja, kein Wunder bei z. B. einem Kredit mit: „15 Jahre Laufzeit, 98% Nominalzins“. Schön waren auch die Hinweisschilder, John sei es gewesen: überall auf der Bühne tauchten sie auf, inklusive oben mittig einzelner Schilder pro Buchstaben. Die Rauchzeichen der Schoschonen hielt Karl May hoch. Sehr unterhaltsam wurde auch die Rauchwolke mit der Botschaft „Klappstuhl ausgegraben“ umgesetzt. Manchmal gab´s mit Ensemble und Chor neben den Hauptdarstellern so viel zu sehen, dass man gar nicht mehr wusste, wohin man schauen sollte.

Kostüme und Kulissen boten wieder eine Augenweide. In den Kostümen fanden sich wie bereits gesagt auch viele unterhaltsame Kleinigkeiten. Alle sahen für die jeweiligen Rollen absolut spitze aus. Passender geht es nicht.
Auch der Aufbau des Schuhs des Manitu war eine Überraschung. Eigentlich ist sie naheliegend, aber man kommt vorher nicht auf die Idee. Klasse! Verblüffend, wie vielfältig dieses Grundgerüst für Kulissen genutzt werden kann. Auch hier verfehlt kein Element die Wirkung. Teils werden Umbaupausen sogar ins Spiel mit einbezogen. Ranger und Abahachi witzeln zuerst noch, welchen Materpfahl die Schoschonen meinen – bis die beiden hereingeschoben werden und den jungen Herren die Sprache vergeht. Herrlich! Auch die tanzenden Kakteen sind da, vovon eine sogar vorab wachsen kann – zur Verblüffung einiger Leute im Publikum.

Die Choreografie ist herrlich kreativ ausgefallen. Indianer im Gangnam-Style sind schön schräg anzusehen, die Indianer-Parodie auf klassische Showgirl-Ballettreihen ist herrlich, die Senioren-Sirtaki-Übungseinheit ist sehr unterhaltsam...
Die Musik parodiert gleich mit und umfasst die verschiedensten Anspielungen und Stile, ohne zerfasert zu wirken. Bei den 16 Musikern ist sie in besten Händen und wird von der Tontechnik super übertragen. Kein Übertönen der Darsteller, kein unsauberer Ton, alles sitzt perfekt. Auch sind alle Darsteller solo und als Chor immer deutlich zu verstehen. Schön so!

Die Besetzung:
Ranger: Alexander Klaws
Ich bin begeistert. Besonders seine ausdrucksstarke Art in Sprache und Gesang ist klasse. Sein körperliches Schauspiel steht dem in nichts nach. Alles in allem ein rundum überzeugender Ranger!

Abahachi: Werner Bauer
Der perfekte Spielpartner für Ranger, genau so ausdrucksstark in allen Facetten und im Zusammenspiel auch mit den anderen Rollen einfach herrlich.

Winnetouch: André Haedicke
Zu schön ist seine „etwas andere“ Opernarie beim Sopransolo im Lied „Husch husch“. Sein Rollenportrait ist nicht übermäßig aber eindeutig schwul – und eine Quasselstrippe. Da stört auch nicht, dass von der Gesichtsform her er und Abahachi zweieiige Zwillinge sein müssten. Schön auch seine spontane Reaktion, als Ranger den Hocker erstmal umstieß: „Oh, Schatz, hast du dir weh getan?“ , und das so betont, als ob er mit einem kleinen Kind redete.

Hombre: Julian Looman
Als Hombre zeigt er schön die (teils vorgetäuschte) raue Seite, die durch Winnetouch immer mehr aufweicht. Eine schöne, klare Entwicklung, die glatt Mitgeführ für einen Banditen aufkommen lässt. Die Lacher auf seiner Seite hat er als Polizeikontrolle. Herrlich! Und als Grauer Star kann er so richtig abrocken.

Santa Maria: Reinhard Brussmann

Seine ruhige Art in der Rolle gefällt mir. Er überzeugt mit Präsenz und nicht mit Gewalt. Beim Backen der Muffins wirkt er sogar etwas väterlich gegenüber seiner Bande, was er auch gegenüber John oder später auch Hombre nutzt. Gegen alle anderen kann er der harte Killer sein, aber auch hier über schlichte Präsenz und tiefe Stimme als Aggressivität. Sehr schön!

Uschi: Femke Soetenga

Ihr erster Auftritt in der Bar gefiel mir persönlich nicht. Sie wirkte auf mich zu spröde und zu wenig anders als die anderen Bardamen, als dass sie die Attraktion der Bar sein könnte. Nicht so schön anzhören waren ihre Jodelversuche im Text. Naja, sie hat´s erst gar nicht versucht, sondern gleich „Jodelehi“ gesungen. Das klang wenig beeindruckend und nicht von Jodelleidenschaft überzeugend. Nach dem Lied im Zusammenspiel mit Ranger wurde es deutlich besser. Und von da an bot sie eine absolut überzeugende Darstellung. Wenn nur ihr erstes Lied nicht wäre...

Dimitri: Thomas Hohler
Der Publikumsliebling schlechthin. Seine Wortverdreher setzt er herrlich locker um, auch spontan im Publikum. Einfach genial!

Karl May: Kristian Gajaszek

Ich glaube, er ist am meisten auf der Bühne. Die Einleitung des Stücks stellt er mit Puppen dar, am Ende hat er die Geschichte fertig. Dazwischen macht er sich mal Notizen, hilft beim Kulissenschieben, hält Schilder hoch, führt Gefangene von der Bühne und darf von seiner Idee, ein Buch über eine Indianergeschichte zu schreiben, reden. Das ist der einzige Moment, in dem er mit den anderen Rollen auch verbal agiert, ansonsten ist er präsent aber eben im Hintergrund mit steuernder Fuktion. Gut umgesetzt sowohl von der Konzeptidee als auch vom jungen Darsteller!

Listiger Lurch: Eric Minsk

Welch herrlich grimmiger Häuptling, der dann allerdings total kindlich-niedlich mit dem toten Hasen kuscheln kann! Und seine Mimik spricht Bände. Zum Schreien anzusehen ist sein Tanz beim Gangnam-Style. Schön ist, dass sein Spiel stets verständlich ist, egal, ob er Deutsch oder Schoschonisch redet.

Falscher Hase: Sebastian Brandmeir

Wenn jemand etwas aus einer Nebenrolle mit wenigen Szenen rausholt, dann er! Holla, war er gut drauf! Das nennt sich Bühnenpräsenz und aktives Eingehen auf das Publikum. Sein Solo war in jeglichen Facetten, Anspielungen und Ironien super deutlich ausgespielt. Der Szenenapplaus war mhr als verdient!

Ensemble:
Jan Altenbockum, Hakan T. Aslan, Alexander Bellinkx, Sebastian Brandmeir, Marius Hatt, Andrew Hill, Stefan Lehmann, Siegmar Tonk
Sophie Blümel, Milena Hagedorn, Anke Merz, Marthe Römer, Silja Schenk, Stéphanie Signer, Céline Vogt, Elena Zvirbulis
Chor und Statisterie der Freilichtspiele Tecklenburg
Egal ob als Banditen, Bardamen, Schoschonen... Es passte alles! Gesang, Schauspiel, Tanz, Timing – perfekt!

Also eigentlich gibt es an dieser Produktion nichts, das man nicht loben könnte! Mit dieser Produktion müsste Tecklenburg ebenfalls ein Kandidat für diverse Auszeichnungen und Publikumspreise sein! In sich stimmiger kann man ein Musical nicht inszenieren!
Und hoffentlich verschwindet das Musical nicht wieder in den ewigen Jagdgründen...

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Re: Der Schuh des Manitu, 10.8.2013, 15.00 Uhr

Beitragvon Kitti » 11.08.2013, 22:34:30

Schöner Bericht! :) Wie war denn das Wetter so?
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Re: Der Schuh des Manitu, 10.8.2013, 15.00 Uhr

Beitragvon serena » 11.08.2013, 22:44:55

Danke!
Es war etwas windig, aber trocken und von der Temperatur her angenehm. 2 Grad wärmer wären auch ok gewesen... ;)

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Re: Der Schuh des Manitu, 10.8.2013, 15.00 Uhr

Beitragvon Kitti » 12.08.2013, 00:03:56

serena hat geschrieben:Danke!
Es war etwas windig, aber trocken und von der Temperatur her angenehm. 2 Grad wärmer wären auch ok gewesen... ;)


Wenigstens hat es nicht geregnet. Als wir damals bei "AIDA" waren, gab es vorher ein so heftiges Unwetter, dass wir schon Angst hatten, sie würden nicht spielen oder so. In Bad Hersfeld war das ähnlich.
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Re: Der Schuh des Manitu, 10.8.2013, 15.00 Uhr

Beitragvon smaragdgrün » 13.08.2013, 22:20:06

Danke für den Bericht :-)


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