Die Schöne und das Biest, Köln, 11.12.11, 14.30 Uhr

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serena
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Die Schöne und das Biest, Köln, 11.12.11, 14.30 Uhr

Beitragvon serena » 12.12.2011, 00:08:30

Die Schöne und das Biest
MusicalDome Köln – Sonntag, 11.12.2011, 14.30 Uhr

Das Stück beginnt sehr schlicht mit einem Orchester-Vorspiel. Die übliche Ansage über Mobiltelefone, Ton- und Filmaufnahmen vorab fehlte. Dann kommen ein Junge und eine Frau von der Seite auf die Bühne vor den Vorhang. Er stellt ihr einen Sitz hin. Sie liest ihm eine Geschichte aus einem Buch vor. Nach einer Weile öffnet sich der Vorhang und man sieht das Biest oben in seinem Schloss. Der Junge geht zum Durchgang und noch während sie die letzten Worte spricht, gehen beide ins Schloss hinein.
Am Ende stehen alle Darsteller auf der Bühne hinter dem Vorhang, nur die beiden sind wieder vor diesem. Die Frau sitzt wieder auf dem Hocker und hat auch wieder das Buch dabei. An den Kostümen erkennt man nun, dass beide vorher Tassilo und Madame Pottine spielten. Ein interessanter Ansatz mit diesem Ebenenwechsel.

Dazwischen gibt es jede Menge schöner Kostüme und faszinierende Bühnenbilder zu entdecken. Das Irrenhaus steht hier nicht in der Stadt, sondern außerhalb im Wald an einem See. Es ist auch nur per Boot zu erreichen. Ich kann mir nicht helfen, aber irgendwie erinnert mich die Bootsfahrt von Gaston und Lefou durch den dunklen Wald doch sehr an ein gewisses Phantom. :D Aber es hat was!
Das Schloss, per Drehbühne dargestellt, ist mit jede Menge Verzierungen ausgestattet und wirkt durch die Durchgänge dennoch angenehm leicht und nicht erschlagend. Schön gemacht. Lediglich die Bibliothek ist nicht das, was ich erwarten würde. Es ist mehr eine große Schaukel, die von oben runter schwebt und mit Belle und dem Biest wieder höher gezogen wird. Das ist zwar ganz nett, nur von den Mengen an Büchern konnte ich nichts erkennen. Schade.
Das Dorf wird mittels Hintergrundbilder und zweier drehbarer Häuschen dargestellt, Belles Zuhause per passend gestaltetes Wandelement. Die Erfindung ihres Vaters ist ein motorisiertes Dreirad mit Schirm als Dach, dessen Antrieb lustig wackelt. Es wirkt relativ schlicht, zerbrechlich und doch passend für einen Dorf-Erfinder. Alles im Dorf wirkt farbenfroh und freundlich.
Schön ist das überdimensionale Geweih am Dach des Wirtshauses, vor dem Gaston am Ende des gleichnamigen Liedes steht. Das passt herrlich zum Text und sieht einfach klasse aus! :D

Die Verwandlung des Biests beginnt etwas merkwürdig: Belle findet das verletzte Biest und führt es von der Bühne runter. Nachdem das Schloss so weit gedreht wurde, dass der abgestürzte Gaston nicht mehr zu sehen ist, kommen beide von der Seite wieder auf die Bühne. Allerdings kann man sich bei der eigentlichen Verwandlung denken, warum beide verschwanden: Das Biest musste noch angeseilt werden. Es schwebt nämlich nach Belles Kuss über der Bühne, bis man durch die Lichteffekte nichts mehr sieht. Die ganze Bühne wird verdunkelt und mit hellen, sich bewegenden Lichtpunkten bedeckt. Dort, wo das Biest schwebt, tauchen auch kleine rote und goldene Blitze auf. Später findet man Belle oben im Schloss am Rand stehen und den Prinzen ein Stück weiter knien und sich wieder als Mensch entdecken.

Die Kostüme der Dorfbewohner wirken im Gegensatz zum Dorf recht schlicht und haben überwiegend dunkle Farben. Die drei albernen Mädchen sind dafür umso knalliger angezogen. Ihre Kleider sehen herrlich schräg aus, passend zu den Rollen (herrlich gespielt von 3 nicht weiter benannten Damen).
Die Kostüme der Schloss-Bediensteten sind dagegen schön verziert und glänzend dargestellt. Tassilo trägt als Hut ein Stück Würfelzucker, dessen Geschmack auch das Biest mag. :D lediglich die Veränderungen im Laufe des Fluchs fallen schlicht aus. Von Unruh hat plötzlich den Schlüssel auf dem Rücken und Babette Staubwedel an den Händen. Aber Lumiére und Madame Pottine scheinen sich nicht groß zu verändern. Sie kann ihren Arm auch am Ende noch frei bewegen.

Insgesamt wirken Bühnenbild und Kostüme stets passend und zu keiner Zeit kitschig oder wie mit Zuckerguss bestrichen (wie damals in Stuttgart). Auch in großen Szenen wie „Sei hier Gast“ ist das Geschehen gut verteilt (und nicht wie in Oberhausen im Hintergrund einfach leer). Optisch ist dies die Version, die mir bisher am besten gefällt.

Auch schauspielerisch sind nette Kleinigkeiten eingebaut. Als Belle Gastons Heiratsantrag aushalten muss, wickelt sie ihm am Ende einfach Wolle um die Arme und steckt ihm das Wollknäuel in den Mund! :D Herrlich! Als die drei albernen Mädchen auftauchen, schwingt Gaston das Knäuel, als ob er die Mädchen im nächsten Moment (mit einer Eisenkugel an der Kette) abtreffen wollte...
Nach dem Kampf mit den Wölfen zurück im Schloss trinkt das Biest etwas Tee – laut schlürfend direkt aus dem Gießarm der Teekanne! Maurice stellt trocken fest, dass der Name Tassilo zu den Jungen/der Tasse passt. Lumiére ist einmal so begeistert, dass er scheinbar seine Leuchter an den Armen anzünden will. Aber zu Überraschung brennt die Flamme dann auf seinem Kopf. :)

Die Besetzung:
Das Biest: Zsolt Homonnay
Meine Güte, kann er fauchen! Beeindruckend! Auch seine wilden, ausladenden Bewegungen als Biest wirkten passend ungehobelt, halt wie ein „Grobian“. ;) Auch wenn die anderen Rollen ihn immer wieder beschwichtigten, er solle nicht schreien, kann ich ihn nicht so beschreiben. Er war durchaus laut, aber mit tiefer, kräftiger, gezielt eingesetzter Stimme und nicht irgendwie herumschreiend. Die Tontechnik hatte mit seiner kräftigen Stimme allerdings manchmal zu kämpfen, war er doch einige Male etwas übersteuert zu hören. Schade.
Sein Verhalten wirkte sehr natürlich in der Rolle und seine Darstellung durchweg überzeugend. Egal ob als tobsüchtiges Ungeheuer, zweifelnd verliebtes Wesen oder entzauberter Prinz, der sich als Mensch wieder- und die Lebensfreude entdeckt, es wirkte alles glaubwürdig. Auch sein Bühnendeutsch war gut zu verstehen. Klar, der ungarische Akzent war vorhanden (war er bei allen) und ein paar Wörter klangen für deutsche Ohren „interessant“ betont, aber großartig was auszusetzen an seiner Aussprache gab es nicht. Im Gegenteil, er gehört zu den Darstellern, die am besten Deutsch sprachen und sangen. Klasse Leistung!

Belle: Mara Kékkovács
Nun ja, das war nicht gerade eine Traumbesetzung. Ihr Bühnendeutsch war sehr hölzern und wirkte deutlich wie auswendig gelernt. Nette Betonungen abseits vom Text Aufsagen waren sehr selten. Dadurch wirkte ihr gesamtes Schauspiel oft zu steif. Zusammen mit ihrem Papa vor deren Häuschen ging es noch, aber in Kombination mit dem Biest wirkte ihr Spiel gar nicht, wobei der zweite Akt etwas besser war, als der erste. Aber ausgerechnet der Schluss wirkte daneben. Als der Prinz sich als Mensch wiederentdeckte, stand sie regungslos steif an der Seite. Erst als er sie ansprach, flog sie ihm in die Arme. Vorher war nichts an Überraschung oder Verwunderung zu sehen. Ihre Stimme fand ich persönlich nicht besonders hübsch, sondern teilweise nervig. Nun ja...

Gaston: Ottó Magócs
Der nächste Darsteller mit sehr gutem Bühnendeutsch. Klare Aussprache, gute Betonungen und kein Spiel, das auswendig gelernt wirkte. Auch bei ihm gab es einige Kleinigkeiten zu entdecken, die sein Rolle interessant machten (z. B. Das Wollknäuel). Schön! Ihm hätte ich gerne ein etwas weniger zugeknöpftes Kostüm gewünscht. Wenn er im Wirtshaus seinen „Körper, der strotzt voller Haar“ zeigt, sieht man rein gar nichts. Sein Kostüm lässt sich am Hals leider nur ein paar Zentimeter weit öffnen.

Lefou: László Sánta
Wie ein Tollpatsch bewegen kann er sich gut. Und Einstecken muss der Kerl oft genug. Vor dem Irrenhaus fliegt er auch hinter das Boot „ins Wasser“. Sein Spiel wirkte aber manchmal so, als ob er die Rolle gerade für sich entdeckt. Einige Szenen waren spielerisch und sprachlich gut, andere noch sehr aufgesetzt. In den Szenen war sein Akzent auch besonders stark. Zu verstehen war er trotzdem noch, aber schön klang es dann nicht mehr.

Lumiére: Attila Bardóczy
Es ist so süß: Ein Ungar, der Deutsch mit französischem Akzent spricht! Zu lustig! Aber dabei ist er sehr gut zu verstehen! Ok, seine Mitbewohner haben da mehr Probleme und müssen manchmal untereinander aushelfen: „Sie müssen ihr ´Erz sprechen lassen!“ - Biest: „Erz?“ - von Unruh: „Herz!“ - Lumiére: „Sage isch doch: ´Erz!“ :D Herrlich! Der Herr beherrscht seine Rolle auch deutlich besser als rein runter gespult. Toll! Einziger Kritikpunkt (an die Regie): er hätte seine Flammen ruhig öfter anzünden können!

Herr von Unruh: Tamás Földes
Wenn zu jemandem der Name passte, dann zu ihm! Holla, tickte er unruhig über die Bühne. Das reinste Nervenbündel! Als das Biest den Fremden im Schloss entdeckt, versteckt er sich sogar hinter der Decke. Einerseits versucht er, der Hausvorsteher zu sein, den allerdings als solcher keiner beachtet. Andererseits kann er sehr schüchtern werden, z. B. wenn er die Schlossführung übernehmen soll. Ein schönes Portrait dieses Charakters. Und verstehen konnte man ihn auch ohne Schwierigkeiten.

Madame Pottine: Nikolett Füredi
Eine sehr liebevolle Mutter und sehr umsorgte Dienerin. Schauspielerisch top, auch sprachlich sehr gut. Singen fiel ihr auf Deutsch deutlich leichter, beim Sprechen kam ihr Akzent sehr klar durch. Das fiel vor allem am Anfang auf, als sie die Geschichte vorlas. Als Madame Pottine kam sie sprachlich besser zurecht. Aber als schlecht kann ich es nie bezeichnen.

Tassilo: György Méhész
Ausgerechnet der Jüngste im Team bot mithin die beste Aussprache! Nur das Wort „Schrank“ dürfte nicht zu seinen Lieblingsworten gehören. ;) Durch seinen Würfelzucker-Hut wirkte er recht groß, fast so groß wie von Unruh, nicht mehr wie ein kleines Kind. (Ich glaube, für die deutschen Produktionen wäre er zu groß gewesen!?) Dafür war er ein kecker, aufgeweckter Tassilo, der scheinbar die wenigste Angst vor dem Biest hatte. Zumindest trippelte er ihm in einer Szene so lange hinterher, bis das Biest endlich von seinem Zucker probierte. Der schien Tassilo in einer anderen Szene auch selber zu schmecken. ;) Klasse gespielt!

Madame de la Grande Bouche: Ildikó Sz. Nagy
Sie kann reden wie ein Wasserfall und ist herrlich überzeugt von sich als Opernstar. Die passende Stimme bringt sie auch mit. Wunderbar. Beim runter Rasseln ihres Textes fiel ihr Akzent relativ deutlich auf, in ruhigeren Szenen schon weniger. Dennoch war selten ein Wort dabei, das ich nicht verstehen konnte.

Babette: Edit Vörös
Auch sie sprach mit dem französischen Akzent, jedoch nicht so stark wie Lumiére. Und flirten kann sie auch, nicht nur mit Lumiére, wie Maurice festellen durfte. Das brachte sie sowohl schauspielerisch als auch mit den stimmlich passenden Spielarten rüber. Ich glaube, viel mehr kann man aus der kleinen Rolle nicht raus holen!

Maurice: Gergö Aczél
Und da war er wieder, der eher auswendig gelernte Text. Bei ihm musste man sich echt einhören, um ihn zu verstehen. Optisch wirkte er ziemlich schäbig mit seinem grün gemustertem Mantel und den strubbelig abstehenden Haaren. Da sahen die Dorfbewohner glatt gut gegen aus. Jedenfalls kann man ihn so echt nicht ernst nehmen, wenn er vom Biest berichtet. Von daher war´s passend. Schauspielerisch fand ich ihn schwankend. Einige Szenen wirkten aufgrund der Aussprache nicht, andere klappten dennoch sehr gut, wobei seine Körpersprache den größten Teil dazu beitrug. Im Zusammenspiel mit Belle wirkte er noch am stärksten. Nun ja...

D´Arque: Tibor Oláh
Gut, dass er in dieser Rolle nicht viel zu singen hat. Würde ich den Text nicht kennen, hätte ich keine Ahnung, was er beim Irrenhaus-Lied gesungen hatte. Seine Stimme klang für die Rolle passend schräg und gemein. Mehr kann ich zu ihm nicht sagen.

Das aus 20 Musikern bestehende Orchester darf gleich vor Beginn des Stücks auf die Bühne und sich verbeugen. Danach sieht man von den Musikern bis zum Schlussapplaus nichts mehr. Nachdem erst der Dirigent auf die Bühne kam und sich mit dem Ensemble verbeugte, kam dann doch noch das ganze Orchester dazu. Das stellte sich vorne an den Bühnenrand, während die Darsteller die Schlosstreppe hoch stiegen. Nach diesem Verbeugen und Winken war wirklich Schluss – nach fast 3 Stunden.
Bis zur nächsten Vorstellung blieb gerade mal etwas mehr als eine Stunde Zeit. Dementsprechend kamen die ersten Zuschauer der Abendvorstellung schon an, bevor alle Nachmittags-Besucher den MusicalDome verlassen hatten. Ein ganz schön straffer Zeitplan!

Éva Duda hat die Choreografie entworfen. Wer schon andere ihrer Produktionen gesehen hat, und merkt es. Bei „Sei hier Gast“ kommt ihre Vorliebe (?) für sich drehende Arme besonders gut zur Geltung. ;) Da hätten die Messer und Gabeln in der Mitte der Bühne ruhig mal etwas anderes machen dürfen, als eine gefühlte Ewigkeit lang den rechten Arm zu kreisen. Die Choreografie ist nicht schlecht, aber man merkt deutlich Évas Stil.

Fazit: Fantastische Optik und fast immer sehr gute Darsteller. Den ungarischen Akzent muss man mögen bzw. aushalten, dann kann man eine sehr schöne Version des Musicals erleben, die wirklich nicht kitschig ist! Schade ist, dass im Programmheft gar nicht alle Mitwirkenden aufgeführt sind. Die Tassilos und einige Drittbesetzungen sowie Orchester und Ensemble sind leider nicht enthalten. Aber meinen überwiegend positiven Eindruck von der Vorstellung schmälert das nicht. Ich würde es zumindest mit vielen dieser Besetzung gerne nochmal ansehen.

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Re: Die Schöne und das Biest, Köln, 11.12.11, 14.30 Uhr

Beitragvon Elphaba » 24.01.2012, 01:54:19

Uiuiui, mal wieder ein seeeehhhr ausführlicher Bericht! Alle Achtung! Wieder sehr interessant.

Danke dir für die große Mühe! :)

(P.S.: Kommt etwas spät jetzt, aber ich bin jetzt mal so langsam am nachlesen aller Berichte, die ich aus Zeitgründen nicht lesen konnte. :oops: )
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Re: Die Schöne und das Biest, Köln, 11.12.11, 14.30 Uhr

Beitragvon serena » 24.01.2012, 22:23:45

Bitte, gern geschehen! :)
Und so viel Mühe macht es mir gar nicht. Irgendwie habe ich einen Hang dazu, längere Berichte zu schreiben. Mich kurz fassen liegt mir deutlich weniger. :lol:


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