Conférencier: Mark Hamman
Clifford Bradshaw: Marco Vassalli
Ernst Ludwig: Kolja Hosemann
Fräulein Schneider: Dorothea Geipel
Fräulein Kost: Sabine Hennig
Herr Schultz: Steffen Scheumann
Sally Bowles: Patricia Hodell
Boys: Alberto Franceschini, Farley Issac Johansson, Mathis Kleinschnittger, David Schwindling, Krzysztof Zawadzk
Kit Kat Girls: Sylvia Andiel, Dagmar Bock, Jasmin Haucke, Hella Immler, Andrea Maria Mendez Torres, Rebecca Stahlhut, Cecilia Wretemark
„Cabaret“ wollte ich immer schon einmal sehen! Bisher kannte ich nur die Handlung und einige der Songs von diversen Galas und Konzerten. Umso erfreuter war ich, dass das Theater Osnabrück nach „Grand Hotel“ nun dieses Stück in den Spielplan aufgenommen hatte. Und ich muss sagen, „Cabaret“ ist wirklich eines der Musicals, die mich nachhaltig am meisten beeindruckt haben: endlich mal ein Stück mit tiefgründiger Handlung, die zum Nachdenken anregt.
Die Inszenierung an sich war eher traditionell und orientierte sich weitestgehend am Original, ebenso die Kostüme: zeitgemäß und Zweck erfüllend. Auch das Bühnenbild war im Grunde ganz simpel gehalten: Holzstühle in einem Halbrund, das ein wenig an einen Gerichtssaal erinnerte, links und rechts dunkle Wände mit Glühbirnenleisten, die ein dämmriges Licht abgaben, im Hintergrund das Orchester, das sich hinter einem halbdurchsichtigen Vorhang die ganze Zeit über mit auf der Bühne befand. Die verschiedenen Zimmer im Haus von Fräulein Schneider wurden nur durch unterschiedliche Auf- und Abgangswege der Darsteller markiert. Bradshaws Zimmer war lediglich ein Bett in der Mitte des Halbrundes. Interessant fand ich die Idee mit den Heizungskörpern, die von der Decke hingen, am Bahnhof waren es dann hängende Koffer. Die Szenen im Cabaret fanden meist vor einem goldenen Vorhang statt, der den Rest der Bühne verdeckte.
Die einzelnen Rollen waren für ein Stadttheater mit festem Ensemble sehr treffend besetzt. Conférenciers mag ich eigentlich nicht wegen ihres künstlichen und übertriebenen Gehabes, aber Mark hat seine Sache wirklich gut gemacht, nicht zuletzt aufgrund seiner ungeheuren Bühnenpräsenz, seiner sehr guten Singstimme und seinem schauspielerischen und komödiantischen Talent. Mit seinem schwarzen Gefieder bei „Willkommen, Welcome, Bienvenue“, mit dem weißen, kahlen Schädel und dem roten Lippenstift wirkte er optisch wie ein grotesker Clown. Sehr befremdlich war auch die Szene zu „Two Ladies“, wo er in Lederhosen und zwei der Kit Kat Girls im Dirndl Schuhplattler tanzten, wobei mich diese Song aber immer wieder zum Schmunzeln bringt. Nicht minder bizarr war auch sein Tanz mit der Gorilla-Frau bei „Säh't Ihr sie mit meinen Augen“, wenn man den Hintergrund bedachte und Herrn Schultz und Fräulein Schneider links und rechts so auf der Bühne sitzen sah, blieb einem das Lachen allerdings im Hals stecken.
Marco gefiel mir ganz wunderbar als Clifford Bradshaw: wie immer sehr charmant und humorvoll, an den richtigen Stellen aber auch mit den nötigen Ernst. Und seine angenehm sonore Stimme mag ich auch sehr gern. Lustig fand ich, dass er sich als vermeintlicher Schriftsteller ständig gezwungen sah, etwas zu schreiben, wieder und wieder seine Schreibmaschine hernahm, aber nie weiter als die ersten zwei Buchstaben kam. Sehr gut finde ich auch den biografischen Bezug - Isherwood hat ja von 1929-33 selbst in Berlin gelebt - und seine Zitate, die in den Text integriert sind, wie „Ich bin eine Kamera mit offenem Verschluss, nehme auf, registriere nur, denke nicht. Eines Tages werde ich alle diese Bilder entwickelt und sorgfältig kopiert und fixiert haben.“
Kolja hatte als Ernst Ludwig eine eher kleine Rolle. Er spielte den Nazi aber überzeugend ernst, steif, gefühlskalt und passte vom Typ her auch ganz gut, wenn man das so sagen kann. Ich sehe ihn allerdings lieber in romantischen oder vor allem in komischen Rollen. „Der morgige Tag“ sang er sehr klassisch, was in dem Zusammenhang aber durchaus angemessen war.
Dorothea Geipel als Fräulein Schneider und Steffen Scheumann als Herr Schultz gefielen mir vor allem schauspielerisch sehr gut, gesanglich eher nicht so, aber verlangen die Rollen ja auch nicht unbedingt. Spätestens bei ihrem Song „Ananas“ merkte man, dass die beiden ein sehr liebenswürdiges, sympathisches Paar abgeben würden und man verspürte wahres Mitleid, als die beiden aufgrund der politischen Lage nicht an ihrem gemeinsamen Traum einer Hochzeit festhalten können. Hervorzuheben ist noch Herrn Schultzes Song „Miesnick“, mit dem er versucht, Ernst Ludwig auf subtile Weise die Augen zu öffnen, was ihm jedoch leider nicht gelingt. Diese Resignation aufgrund der politischen Entwicklungen hat Steffen Scheumann wirklich sehr gut dargestellt.
Fräulein Kost fällt ja zunächst nur dadurch auf, dass sie einen Matrosen nach dem anderen abschleppt und amüsanterweise aber auch wirklich jedes Mal von Fräulein Schneider dabei ertappt wird. Sabine Hennig gefiel mir schon schauspielerisch sehr gut in der Rolle, die große Überraschung war allerdings ihr Solo „Der morgige Tag“: Was für eine Stimme, das hätte ich gar nicht erwartet! Stimmlich war sie für mich eine der Besten des Abends. Vom Typ her passt sie meiner Meinung nach auf jeden Fall besser als Eva, die ja Erstbesetzung ist.
Bei Sally Bowles haben sie sich mit dem Bob und den schwarzen, glatten Haaren optisch sehr an Liza Minelli orientiert. Patricia Hodell wirkte im Vergleich zu den anderen Kit Kat Girls etwas älter, passte dafür aber sehr gut Bradshaw. Schauspielerisch war sie ebenfalls recht überzeugend und die beiden gaben ein gutes Paar ab. Gesanglich fand ich sie nicht so überragend. Die Nummern mit Ensemble „Don’t Tell Mama“ und „Money, Money“ waren okay, aber das wunderschöne „Maybe This Time“ gefiel mir nicht so recht, auch wenn sie sich Mühe geben hat. Ihre Stimme klingt für meinen Geschmack nicht jazzig und rauchig genug, hat insgesamt zu wenig Volumen. Den Titelsong „Cabaret“ mag ich ohnehin nicht sonderlich, aber so wie sie ihn gesungen hat, hatte er schon fast ein wenig Gassenhauer-Charakter und vom Affekt her wirkte er auf mich eher trotzig und verbittert. Sally Bowles ist darüber hinaus wieder einer der Charaktere, über die ich nur den Kopf schütteln kann: Bradshaw liebt sie, will gemeinsam mit ihr das Kind großziehen, ermöglicht ihnen beiden die Flucht nach Amerika, um dort ein neues Leben anzufangen und was macht sie: sie lässt sie das Kind abtreiben und bleibt stattdessen lieber dem naziverseuchten Berlin und dem Cabaret treu. Dabei singt sie doch vorher noch von der Hoffnung, endlich jemanden gefunden zu haben, der es ernst meint mit ihr! Dass sie sich dagegen entscheidet, wirkt für mich eher wie eine Trotzreaktion aus gekränktem Stolz, weil Bradshaw im Streit aus Verzweiflung sagt, dass sie im Kit Kat Club ohnehin niemand vermissen wird und damit hat er sicher noch nicht einmal ganz unrecht.
Trotz dieser, wie ich meine, Fehlentscheidung aber ein sehr beeindruckendes Musical, dass ich mir schon allein aufgrund der wunderbaren Musik sicher noch ein weiteres Mal anschauen würde.